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5. b) Vorföhniger Westwind

Der Föhndurchbruch aus Süden kann entweder durch Abkühlung in der Höhe mit Annäherung einer Kaltfront und/oder durch die Sonneneinstrahlung und hochreichende Durchmischung vom Boden ausgehend erreicht werden. In jedem Fall stellt sich in Innsbruck aber der vorföhnige Westwind ein - ein Windphänomen, das sich vom gewöhnlichen Talauswind in seiner Intensität und Böigkeit deutlich unterscheidet:

Beispiel für vorföhnigen Westwind vom 10. auf 11. Oktober 2005 - Universität Innsbruck

Das Winddiagramm zeigt vom 10. Oktober 2006, Mitternacht bis exakt 12 UTC das typische Ausfließen durch strahlungsbedingte Kaltluftproduktion im Oberinntal. Die Windrichtung variiert dabei stark zwischen 180° und 300°, ist jedoch mit 0-2 m/s äußerst schwach. Im Anschluss dreht der Wind konstant auf den Taleinwind mit etwa 70° und nimmt dabei an Intensität zu, die Böigkeit bleibt jedoch schwach - der Taleinwind markiert daher - wie häufig - eine stabile Schichtung. Um 20 UTC dreht der Wind erneut auf West, hält sich nun jedoch bis 10 UTC des Folgetages sehr konstant zwischen 230 und 270°. Mit der Winddrehung ist jedoch eine deutliche Zunahme der Windgeschwindigkeit verbunden, die in der zweiten Nachthälfte bis zu 6m/s im Mittel und 8m/s in Böen erreicht. Kurz nach 10 UTC dreht der Wind dann auf Süd und nimmt weiter zu.

Aus dem Winddiagramm lässt sich schlussfolgern, dass bis 20 UTC des 10. Oktobers 2006 das thermisch getriebene Talwindsystem mit Talaus- und Taleinwind herrschte und ab 20 UTC bis 10 UTC des 11. Oktobers 2006 der vorföhnige Westwind das Talregime übernahm. Am frühen Vormittag brach der Südföhn dann in Innsbruck durch, am Flughafen (keine Graphik vorhanden) sprang der Wind dabei von 260° auf 130°, die Temperatur stieg von 14,4 auf 18,1°C und der Taupunkt fiel von 7,5 auf 3,9°C.

Ursache des vorföhnigen Westwindes

Es gibt zwei verschiedene Ursachen für den vorföhnigen Westwind: Einmal kommt es infolge starken synoptischen Druckfalls im Alpenvorland zur Ausbildung eines Leetiefs und damit im gesamten Inntal zu einem verstärkten Westwind, der zum Druckminimum hin ausgerichtet ist und den Druckfall kompensieren möchte. Das andere Mal ist die Erwärmug durch den Südföhn inneralpin so stark, dass sich nördlich des Patscherkofels ein Leetief entwickelt und sich der vorföhnige Westwind nur auf eine relativ kurze horizontale Distanz von Telfs/Zirl bis nach Innsbruck erstreckt.

Der zweite Fall soll anhand folgender Skizze näher erläutert werden:

Strahlungsbedingt setzt in der Nacht Kaltluftproduktion im Oberinntal westlich von Innsbruck ein, der den gewöhnlichen Talauswind auslöst (blau markiert). Im Wipptal weht weiterhin Südföhn, der bereits die Dörfer Igls und Natters (pink) rechts- und linksseitig der Wipptalmündung erreichen kann, oftmals auch schon die südlichen Stadtteile Innsbrucks. Im Lee des Patscherkofels sinkt die Luft trockenadiabatisch ab und erwärmt sich dadurch mit 1K/100m. Die wärmere Föhnschicht in der Höhe erodiert nun aber die Kaltluftschicht im Inntal und baut diese im Patscherkofellee ab. Die erodierte Kaltluft wird durchmischt und dadurch wärmer als die ursprüngliche Kaltluft. Sie steigt wegen der abnehmenden Dichte auf : ein Leetief entsteht, welches sich meist von den östlichen Stadtteilen über Hall bis etwa Mils (der östliche rote Punkt) erstreckt. Nach dem Massenkontinuitätsgesetz muss das Aufsteigen der wärmeren Luftmasse zu einer Ausgleichbewegung führen, die bodennah erfolgt. Somit resultieren vor Föhndurchbruch drei Windströmungen im Großraum Innsbrucks:

Der vorföhnige Westwind nimmt ab Zirl immer mehr zu und kann unmittelbar vor Föhndurchbruch bis zu 50km/h Spitzenböen erreichen. Er weht meist entlang der Talachse aus 230 bis 260° und ist am Flughafen stärker als an der Universität ausgeprägt bzw. dauert dort auch länger an, da die Universität näher an der Wipptalmündung im Einflussbereich des Südföhns liegt. Er räumt die Kaltluft und die Feuchte im Inntal aus und grenzt sich - wie oben im Diagramm gesehen - durch höhere Mittelwinde und starke Böigkeit vom thermisch getriebenen Talauswind ab. Die damit einhergehende Turbulenz fördert die Durchmischung und Auflösung des Kältereservoirs. Bemerkenswert ist oft, wie rasch der vorföhnige Westwind Nebel oder Hochnebel im Tal ausräumt, der sich westlich der Martinswand selbst bei Föhndurchbruch noch hält, aber östlich dann aufgelöst wird, siehe hierzu den Erlebnisbericht vom 08.12.2006 oder die Nebelstudie zum vorföhnigen Westwind vom 18. Februar 2006.

Kurz vor dem Föhndurchbruch am Mittag oder frühen Nachmittag verstärkt sich der vorföhnige Westwind weiter, da durch die stärkste tageszeitliche Einstrahlung die Kaltluftschicht rascher abgebaut wird und entsprechend auch die Ausgleichsströmung sich intensivieren muss. Bei günstigen Bedingungen mit Hochnebel südlich des Alpenhauptkamms und maximaler Einstrahlung im Inntal verschärft sich der hydrostatische Druckgradient deutlich und der Föhn bricht nach Ausräumung der Kaltluftschicht in Innsbruck durch. In den späten Abendstunden kehrt sich die Strahlungsbilanz im Oberland um und es setzt wieder Kaltluftproduktion ein, die zum Abheben des Föhns führt. Bei unveränderten synoptischen und mesoskaligen Verhältnissen weht nachts wieder der vorföhnige Westwind.

Nicht jeder vorföhnige Westwind ist allerdings ein sicheres Indiz für einen Durchbruch des Föhns am nächsten Tag. Besonders in den Wintermonaten ist die Kaltluftschicht im Inntal oft sehr zäh und die Talatmosphäre kann für Föhndurchbruch nicht hochreichend durchmischt werden. Auch eine Abschwächung der Südströmung, die Winddrehung auf westlichere Richtungen und die Auflösung der Bewölkung auf der Alpensüdseite kann zu einer Entschärfung des Druckgradienten zwischen Inntal und Alpenhauptkamm führen und somit zu schwächerem Südföhn. Geschieht dies untertags, so übernimmt der Taleinwind wieder das Regime und der Wind springt von West auf Nordost.

Fallbeispiel - 25. Oktober 2006

Der 25. November wird der Bevölkerung in der Alpenregion noch lange in Erinnerung bleiben. An jenem Tag wurden reihenweise Rekorde durch starken Südföhn gebrochen. Die Temperatur stieg in den Föhntalern, voran im Rheintal auf über 20°C, z.T. gab es eine Tropennacht zu verzeichnen - und das Ende November! Die Ursache lag aber nicht in der Klimaerwärmung - höchstens indirekt -, sondern in den sehr warmen Luftmassen begründet, welche mit einer steilen Südströmung nach Mitteleuropa advehiert wurden. Der Föhn holte sich eine der warmen Stromlinien herunter und bescherte vielfach ungewöhnlich hohe Temperaturen in den Tälern.

Davon ausgenommen zeigte sich Innsbruck - eigentlich als Föhnhochburg Tirols bekannt - , wo der Föhn nicht durchbrechen konnte. Mit Hilfe einer Seite mit privaten Wetterstationen in Tirol erstellte ich folgende Auswertung der Stationsmeldungen, die die Situation um 03 UTC zeigt:

Station Windrichtung Temperatur (°C) Föhndurchbruch
Innsbruck-Flughafen West 4 nein
Universität Innsbruck Südwest 5 nein
Rum [4,5km östlich] West 6 nein
Hall [9km östlich] West 8 nein
Wattens [15km östlich] West 10 nein
Schwaz [25km östlich] West 14 ja
Jenbach [32km östlich] Westsüdwest 15 ja

Das Kriterium für Föhndurchbruch war die Durchmischung der Stationen mit den Referenzstationen Ellbögen im Wipptal bzw. Sattelberg am Brenner. Daraus lässt sich folgende Karte konstruieren:

Innsbruck-Flughafen und das Oberinntal werden vom vorföhnigen Westwind beeinflusst, der die Kaltluft wegen der nächtlichen Kaltluftproduktion nicht ausräumen kann. Der Südföhn weht im Wipptal, sinkt aber wegen der stabilen Kaltlufthaut nicht ins Inntal ab. Stattdessen biegt er nach Osten über die Mittelgebirgshöhen ab. Durch die ab Innsbruck-Mitte advehierte Föhnschicht oberhalb etwa 800m wird in den vorföhnigen Westwind aber immer wärmere Luft eingemischt, sodass die Temperaturen stromabwärts sukzessive ansteigen. Hinter Wattens steigt die Föhnströmung schließlich ins Inntal ab und führt zum Föhndurchbruch in Schwaz und Jenbach. Der Temperaturunterschied beträgt damit auf 32km beachtliche 11°C.

Praktischerweise hatte ich meinen Stationsmeldungenvergleich genau zum Zeitpunkt des Radiosondenaufstiegs am Innsbrucker Flughafen vorgenommen, sodass die Vertikalsondierung die zuvor getroffenen Annahmen sehr schön untermauert. Sie zeigt eine starke Temperaturinversion in den untersten 300m von +4 auf 12°C, welche vom vorföhnigen Westwind dominiert ist. Die trockenere Föhnschicht erstreckt sich von etwa 1100m bis knapp 2850m und zeigt im Text-File des Soundings überwiegend Südostwind mit bis zu 25Kn Stärke an. Darüber nimmt die Temperatur mit der kräftigen synoptischen Warmluftadvektion nochmals leicht zu und der Wind dreht auf Südwest bis Westsüdwest.

© Felix Welzenbach