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5. a) Gap flows

1. Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem MAP-Programm zur Untersuchung von Gap Flows

Der am 26. Juni 2007 im "Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society" erschienene Artikel "Gap Flows: results from the Mesoscale Alpine Programme" mit den Autoren Mayr, Armi, Gohm, Zängl, Durran, Flamant, Gabersek, Mobbs, Ross, Weissmann soll an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden. Der Artikel kann beispielsweise hier heruntergeladen werden.

Die Definition eines gap lautet: " lateral topographical constriction with a level bottom or combined with a vertical constriction into a pass", übersetzt heißt das, dass es sich um eine horizontale topographische Verengung mit einem ebenen Untergrund handelt, oder gemeinsam mit einer vertikalen Verengung um einen Pass. Allgemein dominiert der Effekt einer steigenden Topographie über rein horizontale Verengungen.

Gängig ist hierbei die Erklärung der hohen Windgeschwindigkeiten im engsten Bereich des gap durch den Venturi-Effekt, d.h. eine Verringerung des Querschnitts führt zu einer Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit. Dies erklärt jedoch nicht, dass bei größeren Gebirgslücken das Maximum erst nach der Verengung auftritt.

Der gap flow zeichnet sich durch stratiforme Wolken an der Obergrenze der gap flow Schicht aus, die im Luvbereich des Passes bzw. stromaufwärts zu sehen sind und sich dann im Bereich der Verengung auflösen. Der gap flow ist stromaufwärts eine dicke, sich langsam bewegende Schicht, die stromabwärts schneller und dünner wird. Sie wird stromaufwärts als ein hochreichendes Kaltluftreservoir angenommen, deren Isentropen von einer größeren Höhe absteigen (und damit potentiell wärmere Luft herabbefördern). Beispiele für gap flows sind z.B. der Brennerpass und das Wipptal, der Furka- und St. Gotthardspass und das Reusstal, das Rheintal sowie der Vratnikpass (kroatische Bora).

Wenn das stromaufwärtige Reservoir hochreichend genug ist, um den Gebirgskamm zu überströmen, spricht man von hochreichenden Föhn. Wird die Kaltluft dagegen völlig blockiert, so handelt es sich um seichten Föhn.

Idealisierte Studien verwenden die "reduzierte Schwere- Flachwassertheorie" oder vereinfacht : Hydraulische Theorie. Der Schlüsselparameter ist dabei die Form der unterlegten Topographie. Die Reibung entkoppelt dabei die untere Strömung von der oberen Strömung durch eine schwache stabile Schicht. Die Beschleunigung des gap flow ist höher, wenn das Reservoir stromaufwärts geblockt wird. Als Hauptantriebskraft wird der Druckgradient über die Lücke hinweg genannt.

Reibung entlang der Seitenwände des Tals erzeugt ein Paar potentieller Vorticity. Weitere Entstehungsmechanismen sind Strömungsteilungen (z.B. ein quer zur Strömung liegendes Hindernis) oder Schwerewellenbrechen. Die erzeugten Werte um 10 PVU werden stromabwärts advehiert und werden durch einen hydraulischen Sprung oder Strömungsteilung von der Oberfläche wegtransportiert.

Tatsächliche Umgebungen werden im Folgenden durch Studien im Wipptal beschrieben. Das Eisacktal stromaufwärts des Brennerpasses ist 220km lang, das Wipptal stromabwärts nur 30km und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 500m. An der Mündung des Wipptals ins Inntal kommt es nochmals zu einem abrupten Abstieg um 200m.

Am Brenner existieren drei Lücken:

Der mittlere und obere Teil umfasst eine Höhendifferenz von 900m und transportiert 15mal mehr Volumen als die untere Lücke, weshalb der sogenannte upper gap flow (mittlerer und oberer Teil) dominiert. Da die horizontale und vertikale Ausdehnung von Brennerpass und Wipptal viel kleiner als die Rossby-Deformationslänge L sind, kann der Einfluss der Corioliskraft vernachlässigt werden. Es handelt sich also um eine ageostrophische Strömung.

Es werden nun drei Möglichkeiten von gap flows unterschieden:

1. Seichter Föhn

Es handelt sich um eine einzelne Schicht mit blockierter Schicht auf der Leeseite und einer neutralen Schicht, die stark gedeckelt ist.

2. Die Woods-Lösung

Seichte stabile Schichtung, die zu einer einzelnen Schicht durch turbulenter Mischung (hydraulische Sprünge) wird.

3. Hochreichender Föhn

Eine hochreichend stabil geschichtete gap flow, deren Geschwindigkeitszunahme auf stärkere Deckelung und den weiteren Abstiegen stromabwärts zurückzuführen ist.

Orte im Bereich der gap flow, wo ein Übergang von unter- zu überkritischer Strömung stattfindet (Froude-Zahl ist eins), werden "Control" oder Kontrollpunkte genannt. Hier fungiert der Brenner als Kontrollpunkt. Die Obergrenze der Geschwindigkeit der absteigenden Strömung kann durch die Dicke und Intensität der deckelnden Inversion bestimmt werden. Eine Gleichung hierfür lautet....

(vd/ vu)² = 1 - 2 Δp/ρvu² , mit Δp = g ρ ΔΘ/Θ Δh

Dabei ist vd die Geschwindigkeit stromabwärts, vu stromaufwärts. In der Gleichung wird die turbulente Reibung vernachlässigt, die jedoch eine wichtige Rolle spielt.

Eine Klimatologie der gap flows zeigt, dass im Wipptal an 20% des gesamten Jahres eine Föhnströmung herrscht, in Innsbruck nur an 5%. In den Monaten Juni bis August liegt die Frontalzone zu weit nördlich, um durch Kaltluftvorstöße in die Poebene oder Trogvorderseiten eine Südföhnströmung zu erzeugen. Von Dezember bis Februar ist der untere Teil der Atmosphäre dagegen zu stabil geschichtet (nächtliche Ausstrahlung erzeugt Kaltluftsee im Tal). Daher herrschen nur in März,April sowie September bis November Maxima für gap flows. Die Diskrepanz zwischen Wipptal und Innsbruck entsteht durch die nächtliche Ausstrahlung und der Abfluss von Kaltluft aus den Seitentälern bei Innsbruck, die das Level des neutralen Auftriebs bei Innsbruck unter das der gap flow senkt. Zumindest neutrale oder labile Verhältnisse sind aber für eine Durchmischung mit der Föhnschicht bzw. der gap flow layer notwendig.

Gap flow-Ereignisse beginnen allgemein mittags und erreichen am Nachmittag ihr Maximum. In Innsbruck treten nur 1% nachts auf, dagegen 14% nachmittags. Im Wipptal ist dieser Unterschied mit 20 bis 25% geringer. 40% aller gap flows verkörpern seichte Föhnfälle, welche durch eine stark gescherte Obergrenzenschicht begrenzt werden. Im hochreichenden Fall ist das Starkwindband innerhalb des gap flow näher an die Ostkante des Wipptals versetzt.

Es gibt verschiedene Auslösemechanismen von gap flows, z.B. über verschieden temperierte Luftmassen jenseits der Gebirgsbarriere, über Druckfall auf der Leeseite durch eine Tiefdruckentwicklung sowie durch die Bildung von Wolken stromabwärts, welche die Einstrahlung behindern.

Kleinräumige Eigenschaften der Topographie besitzen einen großen Einfluss auf gap flows. So sind im Fall des seichten Föhns, wenn die Topographie viel stärker "gespürt" wird, Orte mit überkritischer Strömung stark Hangneigungen und horizontale Verengungen geknüpft. Beispielsweise führt das erste, in das Tal vorstoßende Hindernis stromabwärts des Brennerpass, der Nösslachkamm zu zwei Maxima der überkritischen Strömung, einmal auf der hangabwärts gerichteten Seite und einmal im Tal selbst. Dabei wurde eine östliche, d.h. quer zur Tachse herrschende Windkomponente beobachtet.

Ein hydraulischer Sprung befindet sich stromabwärts des Patscherkofels. Vor dem Sprung wird potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt (Stromliniendrängung). Während dem Sprung wird kinetische Energie turbulent vernichtet. Ein Teil wird dabei wieder in potentielle Energie umgewandelt, wodurch die Isentropen (Stromlinien) steigen und der Druck zunimmt.


Im Folgenden soll der gap flow im Wipptal und bei Innsbruck näher erörtert werden:

Der Sattelberg (2108m) am Brennerpass befindet sich am Oberrand des unteren gap flow (2,3km), während der gegenüberliegende Wolfendorn (2777m) in der Mitte des oberen gap flows (2,3km bis 3,2km) liegt.

Obige Abbildung skizziert die horizontale Ausdehnung des lower gap flows (rot) und des upper gap flows (blau).

Bei lower gap flow tritt bei Südanströmung eine Kanalisierung im gesamten Wipptal auf, die zu südseitig des Brenners zu Südwestwind, nördlich des Brenners zu Südostwinden führt. Am Brenner selbst dominiert je nach Beschleunigung ab Passhöhe eine von beiden Windrichtungen.

Bei upper gap flow ist das transportierte Luftvolumen im Wipptal entsprechend der größeren vertikalen Mächtigkeit der Föhnschicht gegenüber dem lower gap flow deutlich erhöht. Daher ist bei upper gap flow bzw. hochreichendem Föhn wegen der höheren potentiellen Temperatur auch eine merklich wärmere Föhnluft im Tal zu erwarten. Zudem ist bei hochreichendem Föhn der Eintrag kälterer Luft aus den Seitentälern vermindert, da ein Großteil des transportierten Luftvolumens oberhalb der Täler liegt.

Die Komplexität der Talstruktur abwärts des Brenners mit zahlreichen Seitentälern und in das Wipptal vorstoßenden Gebirgskämmen führt bei beiden gap flows zu vielen hydraulischen Sprüngen und starken Turbulenzen u.a. durch Reibung. Diese Tatsache erschwert es , die Herkunft der Föhnluft in Innsbruck eindeutig zu bestimmen.

Seichter und hochreichender Föhn im Wipptal

Während seichter Föhn nur über verhältnismäßig niedrige Gebirgslücken strömen kann,wovon der Brennerpass die Niedrigste, wenn auch nicht die Einzige darstellt, ist hochreichender Föhn auch in anderen Alpentälern möglich, z.B. im Rheintal bis zum Bodensee, im Brandnertal (Vorarlberg), im Zillertal (Mayrhofen) und in vielen anderen. Im speziellen Fall des Fall des Wipptal mit seiner Doppellücke unterscheidet man....

a) Seichter Föhn

Dieser Föhntyp basiert in der Regel auf rein hydrostatische Druckgefälle bedingt durch unterschiedlich temperierte Luftmassen nördlich und südlich der Alpen. Der synoptische Wind weht schwach aus Süd, reicht aber nicht aus, um Föhn hervorzurufen oder weht aus westlichen oder nördlichen Richtungen. Daraus resultiert eine von der quer oder entgegengesetzt verlaufenden Höhenströmung entkoppelte seichte Föhnströmung über den Brennerpass. Eine starke Windzunahme tritt dann auf,wenn sich das Tal verengt oder die vertikale Erstreckung der Föhnschicht abnimmt. Studien (Gohm, Mayr 2003) ergaben, dass bei einer Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit die vertikale Schichtdickenabnahme der horizontalen Verengung überwiegt.

Der Kaltluftsee in der Poebene, auch Totluft genannt, bleibt - wie der Name bereits sagt - dort stationär und gelangt in der Regel nicht in die Föhnströmung. Allerdings werden bei seichtem Föhn im Gegensatz zu hochreichendem Föhn niedrigere, potentielle Temperaturen advehiert, da die Luft nur aus maximal 2300m herabströmt. Daher fällt die Erwärmung auf der Leeseite auch entsprechend schwächer aus. Gerade im Sommer kann der seichte Föhn boraartig erscheinen, vor allem, wenn durch die Einstrahlung am Tage überadiabatische Temperaturerwärmung in Bodennähe stattfindet. Der seichte Föhn spielt bei der Entstehung von Schwergewittern mit Starkwindereignissen eine tragende Rolle, siehe hierzu unter Konvektion.

Die Unterscheidung zwischen seichten und hochreichendem Föhn kann über den Vergleich der potentiellen Temperaturen zwischen Berg- und Talstation erfolgen. Hier bieten sich sinnigerweise Sattelberg am Brenner sowie die Brennerstation im Tal und Ellbögen im unteren Wipptal an - für Innsbruck die Universitätsstation bzw. der Flughafen. Herrscht seichter Föhn, so ist die potentielle Temperatur des Sattelberges höher als die der Talstationen. Die vom Brenner hingegen identisch mit ihnen. Geringe, negative Abweichungen bis 1K vom Idealwert könnten etwa aus dem Einführen von Kaltluft aus den Seitentälern in die Föhnströmung stammen.

b) Hochreichender Föhn

Der hochreichende Föhntypus umfasst nicht nur das Wipptal als Kombination von lower und upper gap flow, sondern auch viele andere Alpentäler. Bereits eine schwache Südkomponente in der mittleren Troposphäre (700hPa) genügt für hochreichenden Föhn, der durch Staubewölkung auf der Alpensüdseite und wolkenfreiem Föhnfenster auf der Nordseite auch hydrostatisch unterstützt sein kann. Bei besonders heftiger Anströmung von Süden kann die Föhnmauer bis ins untere Wipptal reichen, sodass sich im Lee des Alpenhauptkamms Dimmerföhn einstellt, d.h. Bewölkung und Niederschläge trotz föhnigen Winden überwiegen, vgl. z.B. den Föhnfall vom 08. Dezember 2006.

Je nach Intensität der Anströmung variieren auch die Höchstgeschwindigkeiten an den Bergstationen, wobei der Patscherkofel aufgrund seiner besonderen topographischen Lage die höchsten Maxima der umliegenden Bergstationen (, von denen es nicht allzuviele gibt) aufweist, die meist zwischen 150km/h und 180km/h liegen, das absolute Maximum waren bisher 220km/h (Quelle: Erna Killinger, Der Patscherkofel). Dies hängt ab von...

Im Wipptal herrschen bei beiden Föhntypen meist stabile Verhältnisse mit dichter Stromliniendrängung, sodass bei konstantem Mittelwind selten extreme Böen auftreten (am Häufigsten konnte man in den vergangenen zwei Jahren Föhnmaxima von 72km/h bis 90km/h beobachten). Je mächtiger die Föhnströmung, desto rascher der Abbau des Kaltluftsees im Inntal bei Innsbruck und desto wahrscheinlicher der Föhndurchbruch. Jedoch kann es auch bei kräftigem Föhn im Wipptal und am Patscherkofel bei vorföhnigem Westwind in Innsbruck bleiben.

Besonders im Sommerhalbjahr kann sich die Föhnströmung im unteren Wipptal an einer Abrisskante ablösen und über die vom Taleinwind dominierte Inntalatmosphäre hinweggehen. Reicht die tageszeitliche Erwärmung durch Einstrahlung aus, so geht der Taleinwind direkt in den Südföhn über, jedoch meist bei schwächeren Windgeschwindigkeiten als mit Föhndurchbruch nach "vorföhnigem Westwind".

Zusammenfassung

Gegenüberstellung von seichtem und hochreichendem Föhn in Abb.4b


Kriterium seichter Föhn hochreichender Föhn
Voraussetzung Hydrostatik/ schwache Dynamik Hydrostatik/ starke Dynamik
Mächtigkeit lower gap flow lower + upper gap flow
Windrichtung im Wipptal Südost (120-150°) Südost (120-150°)
Windrichtung am Patscherkofel West bis Nord Südost (150°)
Föhn in Innsbruck durch... vorföhniger Westwind + Einstrahlung vorföhniger Westwind + Einstrahlung/ Abkühlung in der Höhe
Föhnluft in Innsbruck bei... ΘSattelberg > ΘInnsbruck ΘSattelberg < ΘInnsbruck
Föhnende durch... Druckfall Poebene und/oder Druckanstieg Alpenvorland Kaltfrontdurchgang aus Westen
Rotor(föhn)bildung an der Nordkette wahrscheinlich,da Föhnströmung unter Kammniveau zu Föhnende wahrscheinlich, wenn Föhnströmung instabil

Spezialfälle

Sandwichföhn

Einen Sonderfall stellt der Sandwichföhn dar, bei dem eine Südströmung am Sattelberg von einer Nordanströmung im unteren Wipptal und einer Nordströmung darüber eingeschlossen wird. Diese Konstellation entsteht durch die Advektion von Kaltluft vom Alpenvorland über Kufstein bis nach Innsbruck und ins untere Wipptal. Wenn gleichzeitig aber auch in der Poebene von Osten her Kaltluft advehiert wird und im Inntal noch relativ gesehen wärmere Luft liegt, entwickelt sich nach Norden hin ein hydrostatisches Druckgefälle. Liegt aber der Höhentrog östlich der Alpen, so dreht die Strömung auf dessen Rückseite auf nördliche Richtungen und die Südströmung beschränkt sich auf wenige hundert Meter Mächtigkeit und reicht auch nur wenige Kilometer in das untere Wipptal (etwa Steinach) hinein.

Rotorföhn

Ein weiterer Spezialfall ist der Rotorföhn, der dann entsteht, wenn eine instabile oder seichte Föhnströmung beständig an der Nordkette geblockt wird und der Hauptrotor ins Tal gelangt. Die Stationen Universität und Flughafen melden dabei häufig Nordnordwest- bis Nordostwinde. Wegen dem Einfluss der Reibung und Turbulenzen ist die Rotorströmung deutlich schwächer als die reine Föhnströmung. Signifikante Geschwindigkeiten (>40km/h) sind daher bisher eher selten beobachtet worden.

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