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5. Südföhn

Südföhn ist die am Häufigsten in Innsbruck auftretende Föhnart. Wegen dem nach Süden geöffneten Wipptal bricht der Föhn hier immer zuerst als Gap flow durch, weswegen man auch vom Wipptalföhn spricht. Es wird zwischen seichtem und hochreichenden Südföhn unterschieden, der durch zwei verschiedene Konstellationen entstehen kann.
  1. Dynamik (Anströmung)
  2. Hydrostatik (Luftmassenunterschiede)

Variante 1 -- Mit der Annäherung eines Troges von Westeuropa verschärft sich die Süd- oder Südwestanströmung in allen Höhenschichten. Durch die Anströmung entsteht auf der Alpensüdseite ein Staukeil, das Luvhoch. Es geht oftmals mit Bewölkung in der Poebene einher, bei zyklonaler Anströmung auch mit Niederschlägen. Diese sind jedoch keine Voraussetzung für die Föhnentwicklung auf der Alpennordseite. Föhn mit antizyklonaler Anströmung ist sogar eher häufiger.
Während sich in der Poebene trotz Warmluftadvektion aus Südwesten die kalte Luft halten kann und durch die Wolkenbedeckung auch kaum oder gar nicht durch die Sonne erwärmt werden kann, steigt die Luftströmung im Lee der Alpen ab und führt zur trockenadiabatischen Erwärmung und damit zur Wolkenauflösung. Durch das Auffächern der Stromlinien im Lee wird ein Leetief induziert - zwischen Luvhoch und Leetief entsteht dynamisch eine Ausgleichsbewegung, der sich als Südföhn bemerkbar macht. Dieser kann hydrostatisch unterstützt werden, wenn die Sonneneinstrahlung auf der Alpennordseite den Luftdruck relativ gesehen stärker fallen lässt als im Bereich der geschlossenen Wolkendecke in der Poebene.

Mit dem Ausfließen der Kaltluft im Inntal durch das Leetief östlich von Innsbruck oder im Alpenvorland wird die Durchmischung mit der Föhnschicht erreicht. Das (vorföhnige) Ausfließen wird besonders im Sommer durch die starke, tageszeitliche Erwärmung verstärkt, sodass hier der Föhn schon am frühen Mittag durchbrechen kann. Aber auch im Winter sind Föhndurchbrüche am frühen Vormittag oder gar in der Nacht keine Seltenheit, dann aber an die Abkühlung in der Höhe gekoppelt, wodurch ebenfalls die hochreichende Durchmischung erfolgen kann. Die langwellige Ausstrahlung und Kaltluftproduktion steuern dem Föhndurchbruch entgegen.

Der Höhepunkt der Föhnströmung herrscht meist unmittelbar vor dem Durchgang der Kaltfront von Westen her, wenn sich die Druckgegensätze verstärken und die Höhenströmung ihr Maximum erreicht. Bei Föhnende erfolgt das Einfließen kälterer Luft entweder über den Seefelder Sattel oder über Kufstein - je nachdem, wie hochreichend sie ist. Wenn die Kaltluft vor dem Föhnbeginn das Inntal und Innsbruck erreicht, dann bleibt der Föhn aus und es können sich stattdessen ergiebige Aufgleitniederschläge entwickeln, z.B. bei Vb-Lagen. Eine weitere Möglichkeit ist eine starke nächtliche Auskühlung vor der Frontpassage, durch die der vorföhnige Westwind wieder das Regime übernimmt. Im Wipptal, durch das die vom Inntal hereinkommende Kaltluft erst hinauffließen muss, erfolgt das Föhnende oft stark zeitverzögert (vgl. viele Föhnstudien).

Folgende Karten zeigen jeweils links die 500hPa-Karten mit der Angabe der 500hPa-Druckfläche in [gpdm, schwarze Isolinien], dem Bodendruck in [hPa, weiße Isolinien] sowie der relativen Topographie (Schichtdicke zwischen 500 und 1000hPa) in [gpdm, farbig], je geringer die Schichtdicke, umso kälter die Luftmasse; rechts sind die 850hPa-Karten dargestellt, welche die Höhe der 850hPa-Druckfläche in [gpdm, schwarze Isolinien] sowie die Temperatur in dieser Höhe [°C, farbig] enthalten.

Beispiel 1) Südföhnlage mit Zentraltief über Westeuropa - 02.Dezember 2005

Die Wetterlage in Europa zeigt ein kräftiges Sturmtief am Eingang des Ärmelkanals mit einem Kerndruck von 970hPa und einem Höhentief , das direkt über dem Bodentief liegt. Dies weist auf eine recht stationäre Lage hin. Die Alpen werden dabei von einer besonders in tieferen Schichten recht kräftigen Südwestanströmung beeinflusst, wobei der stärkste Bodendruckgradient in den Westalpen vorzufinden ist. Ein nördlich der Pyrenäen entstandenes, schwaches Leetief sorgt zusätzlich für eine Gradientverschärfung im Alpenraum, ist aber nicht sehr ausgeprägt. Die zyklonale Isobarendelle über Süddeutschland sowie die antizyklonale Isobarendelle über der Poebene deuten die Entwicklung von Leetief und Luvhoch an.
Die Temperaturverteilung in 850hPa unterstützt diese Annahme mit leicht negativen Temperaturen in der Poebene und bis zu +5°C im Südwesten Deutschlands. Die dynamische Anströmung ist hier also klar auch hydrostatisch verstärkt. Die Kaltfront reicht hier von den Orkney-Inseln über Benelux, Frankreich bis nach Nordspanien und näherte sich erst in den Abendstunden dem zentralen Alpenraum an; der Föhndurchbruch in Innsbruck geschah in den Nachmittagsstunden, hielt aber nicht sehr lange an, um abends erneut für ganze vier Stunden zu wehen; mehr zu diesem Föhnfall hier.

Beispiel 2) Südföhnlage mit Randtief über Westeuropa - 08.Dezember 2006

Eine weitere Möglichkeit ist eine ausgeprägte Randtiefentwicklung über Westeuropa, die zu einer kurzen, aber sehr heftigen Föhnperiode wie am 08. Dezember 2006 führen kann. Diese Wetterlage ist durch ein ausgedehntes Zentraltief über der Nordsee gekennzeichnet, dessen zugehöriger Höhentrog von den Britischen Inseln über die Biskaya bis nach Portugal reicht. Bereits die starke Isohypsendrängung auf der Trogvorderseite spricht für eine kräftige Südanströmung der Alpen. Hinzu kommt hier jedoch außerdem eine starke Randtiefbildung über dem Ärmelkanal, die zuvor als Welle auf dem Ostatlantik sichtbar war. Sowohl die Verlagerung (räumlicher Druckfall) als auch die rasche Ostwärtsbewegung (zeitlicher Druckfall) führten zu einem hohen Druckgradienten über den West- und Zentralalpen. Dieser wirkte eine weitere Randtiefentwicklung über dem Golf von Lyon entgegen, die mit dem allmählichen Druckfall südlich der Alpen den Gradient zwischen Alpennord- und südseite wieder entzerrte.
Im Temperaturfeld ist die Wärmeinsel über Südostdeutschland viel intensiver als im Beispiel davor ausgeprägt, die Kaltluft in der Poebene dagegen schwächer. Die Kaltfront des Randtiefs erstreckte sich hier von Nordfrankreich bis nach Spanien und ging über dem Zentralmassiv in das zweite Randtief über. Der Föhndurchbruch in Innsbruck ereignete sich bereits um 8 UTC an der Universität und hielt bis 20 UTC durchgehend an, um anschließend bis 0 UTC noch als Rotorföhn wehend direkt in das Einfließen der Kaltluft von Kufstein her überzugehen, am Flughafen brach er erst um 9 UTC durch, hielt dann aber bis 23 UTC an und ging erst später mit kurzem Rotorföhn in das Einfließen über. Wie man diese Unterschiede zu deuten hat und mehr zur Hintergrund dieser Föhnlage, dazu demnächst mehr.


Variante 2 -- Wenn ein Gebirge als Barriere zwei unterschiedlich temperierte Luftmassen voneinander trennt, dann bildet sich ebenfalls ein Luftdruckgegensatz zwischen Luv- und Leeseite heraus. (Relativ) wärmere Luft besitzt eine geringere Luftdichte und damit einen geringeren Luftdruck als (relativ) kältere Luft. Kaltluftadvektion in der Poebene von Osten her und gleichzeitig Warmluftadvektion im Alpenvorland kombiniert mit synoptischen (großräumigen) Druckfall erzeugen das Druckgefälle nach Norden hin. Darüber weht hingegen meist eine westliche oder nördliche Luftströmung. Als Folge ist die Südföhnströmung durch den tiefen Brennereinschnitt bis nach Innsbruck von den Atmosphärenschichten darüber entkoppelt, es herrscht seichter Föhn oder lower gap flow. Hochnebel in der Poebene kann den Abbau des Kaltluftsees durch Einstrahlung verhindern, wohingegen das Leetief alpennordseitig dadurch verstärkt und ggf. den Föhndurchbruch in Innsbruck hervorruft.

Das Föhnende geht entweder mit einer kontinuierlichen Erwärmung des Kaltluftsees in der Poebene einher oder mit Kaltluftadvektion im Alpenvorland. Einmal also ein Druckfall auf der Alpensüdseite - das andere Mal ein Druckanstieg auf der Alpennordseite, welche den Druckausgleich herbeiführen. Ein außergewöhnlicher Fall mit seichtem Föhn ereignete sich vom 08. auf den 09. März 2006 in Zusammenhang mit ergiebigen Schneefällen in Innsbruck, aber auch enormen Schneegradienten entlang des Inntals, siehe hierzu die folgenden Karten:

Beispiel 3) Seichter Föhn im Wipptal mit starken Schneefällen in Innsbruck am 08./09. März 2006

Die großräumige Wetterlage besteht aus einem ausgedehnten Trog von Skandinavien über Osteuropa bis in den östlichen Mittelmeerraum. Über dem Nordatlantik und weiten Teilen West- und Mitteleuropas sind in der nordwestlichen Höhenströmung Kurzwellentröge eingelagert, welche immer wieder mildere Atlantikluft hereinadvehieren. Zum besagten Zeitpunkt um Mitternacht befindet sich ein Bodentief mit 995hPa Kerndruck über Benelux, was nördlich der Alpen zu deutlichem Druckfall führt. Die steigende Schichtdicke nördlich der Alpen weist auf Warmluftadvektion hin - in der Poebene ist die Schichtdicke niedriger, weshalb hier noch Kaltluft ausgehend vom Tage zuvor erfolgten Kaltluftvorstoß rückseitig des Osteuropatroges lagert. Die nordwestliche Höhenströmung über die Alpen lässt zunächst keinen Südföhn vermuten.

Im Temperaturfeld zeigt sich jedoch ein vollkommen anderes Bild. Infolge der Tiefdruckentwicklung über Benelux wird über weiten Teilen Deutschlands Warmluft mit einer westlich bis südwestlichen Strömung advehiert. Südlich der Alpen in der Poebene lagert hingegen weiterhin sehr kalte Luft mit bis zu -5°C in 850hPa. Hydrostatisch gesehen ist der Luftdruck in der Poebene also höher als im Alpenvorland und da sich der synoptische Druckfall auf die Alpennordseite beschränkt, fällt der Luftdruck auf der Alpensüdseite relativ auch viel geringer. Aus den Luftmassen- und Druckunterschieden resultierte in der Folge eine seichte Südföhnströmung im Wipptal, welche kontinuierlich niedrige äquivalentpotentielle Temperaturen und damit sehr trockene Luft ins Inntal advehierte.

Nachts kühlte es im Inntal stark aus (Flughafen meldete ein tmin von -10,9°C), tagsüber ging es nur kurz über Null und anschließend wieder darunter. Der Taupunkt lag deutlich tiefer, die Talatmosphäre im Inntal also sehr trocken. Mit der Ankunft der Warmfront aus Westen und der hohen Niederschlagsintensität kühlte sich die Talatmosphäre durch Verdunstungskälte weiter ab und es blieb sofort bei Schneefall. Im weiteren Verlauf ging im Alpenvorland sowie in Vorarlberg bis 1400m der Niederschlag in Regen über, während es in Innsbruck weiterschneite. Ursache war der anhaltend seichte Föhn, welcher die Talatmosphäre immer wieder abtrocknete und dadurch die Verdunstungskälte effektiv aufrechterhielt. Erst nach Frontpassage und Druckanstieg brach der seichte Föhn zusammen.

Bilanz: 38cm Neuschnee in Kranebitten (600m), 50cm Neuschnee am Bahnhof Kranebitten (700m), in den östlichen Stadtteilen 20-30cm weniger, westlich von Innsbruck hingegen bis zu 40cm in Zirl, Telfs, Landeck - in Mieming über 50cm. Ursache für die Schneeverteilung war der seichte Föhn, welcher in den östlichen Stadtteilen ständig für hohe Verdunstung von Niederschlag sorgte, nach Westen hin hingegen die Hebung und der Kaltluftsee überwogen.

Bemerkung: --- Seichter und hochreichender Föhn sind bei beiden Varianten möglich und oftmals gekoppelt. Hydrostatik und schwache Dynamik ermöglichen hochreichenden Föhn - Dynamik und schwache Hydrostatik seichten Föhn. Sofern die Bergstationen oberhalb der seichten Föhnströmung nicht eindeutig West- oder Nordkomponenten melden, ist eine Unterscheidung beider Föhnunterarten eher schwierig.


© Felix Welzenbach