Föhnstudie - Innsbruck 02.12.2005 - hochreichender Föhn

Am 2.Dezember 2005 ereignete sich der erste schwere Föhnsturm im Wipptal und am Patscherkofel seit etwa einem Jahr. Es handelte sich nicht um eine klassische Südföhnlage, da die synoptische Anströmung eher Südwest war. Ferner brachte nicht das Zentraltief selbst den starken Druckgradienten in den Alpen zustande, sondern die Annäherung eines Randtiefs. Dieser und weitere Faktoren führten zu einer kurzlebigen, aber durchaus starken Föhnsituation in den West- und Zentralalpen.

1. Großräumige Wetterlage

Ein Sturmtief am Eingang des Ärmelkanals führt zu einer recht südlichen Lage der Frontalzone. Gleichzeitig blockiert ein ausgedehnter Langwellenkeil über dem Nordatlantik bis nach Neufundland die Westdrift. Damit gewinnt das Sturmtief zunehmend an Einfluss in West- und Mitteleuropa. Bracknell analysierte um 0z sogar ein Minimum von 964hPa. Besonders im Kernbereich treten Orkanböen auf, in 850hPa bis 75Kn Mittelwind. Ein in das Zentraltief eingebettes Randtief beginnt sich über Südfrankreich im Lee der Pyrenäen zu entwickeln und verschärft vorübergehend den Druckgradienten im Westalpenraum.

Die in der Poebene eingeflosse Kaltluft führt einerseits zur Ausprägung eines Luvkeiles südlich der Alpen und verschärft zum anderen hydrostatisch die Luftdruckgegensätze zwischen Alpennord- und südseite. Infolge der intensiven Südwestanströmung vor allem im mittleren Niveau entsteht eine markante Föhnströmung, die besonders in der Schweiz, im Vorarlberg und später auch im Zentralalpenraum und im Alpenvorland Föhn bis in die Täler verursacht.

Folgende IR-Satellitenbild aus der Wetterzentrale verdeutlichen den Ablauf des Wettergeschehens am 2. Dezember bis in den Vormittag des 3. Dezembers 2005:

Am 2.12., 12 UTC, befindet sich sich das mittlerweise weitgehend okkludierte Zentraltief am Eingang des Ärmelkanals. Während die Kaltfront kaum noch Wetteraktivität zeigt, wird im schmalen Warmsektor kräftig Warmluft nach Nordosten advehiert. Im Golf von Lyon zeichnet sich dabei eine Wellenentwicklung ab. Mit Annäherung des Frontensystems an die Alpen verschärft sich die Warmluftadvektion in allen Schichten weiter.

Um 18 UTC, etwa eine Stunde vor Föhndurchbruch in Innsbruck und bereits kräftigem Föhnorkan auf den Bergen, ist die kompakte Schichtbewölkung weiter nach Nordosten vorangekommen und bedeckt nun auch weite Teile des Alpenraums völlig. Die alte Kaltfront des Zentraltiefs löst sich auf, während über Südfrankreich weiterhin eine Wellenbildung stattfindet. Über der Biskaya entwickelt sich eine markante Troglinie, die ostwärts vorankommt.

Um 24 UTC, beim Ende des Föhndurchbruchs in Innsbruck und dem Maximum am Patscherkofel, kristallisiert sich langsam das Randtief heraus, das sich im Golf von Lyon gebildet hat und nun weiter ins Tyrrhenische Meer zieht. Die Kaltfront ist kaum aktiv, im Warmfrontbereich fällt kräftiger Regen oder Schneefall. Die mit dem Niederschlag verbundene Abkühlung sowie die einsetzende Kaltluftadvektion im Westalpenbereich führt zur Entschärfung des Gradienten.

Am Vormittag des 3. Dezembers liegt das Randtief als voll entwickltes Frontalsystem im Bereich von Genua, vorderseitig wird kräftig Warmluft in die Nordadria advehiert, die Kaltfront passiert das Tyrrhenische Meer, im Bereich der Balearen folgt eine Troglinie nach, ebenso über Westfrankreich. Die Föhnlage schwächt sich vorübergehend ab, im Laufe der Nacht auf Sonntag den 4.Dezember dreht der Wind in den Hochlagen aber erneut auf Süd mit der Annäherung eines weiteren , dieses Mal südlicher ziehenden Randtiefs.

2. Die Entwicklung im Alpenraum

Zur Veranschaulichung der Entwicklung im Alpenraum verwende ich die VERA-Analysekarten im 3h-Abstand. Wegen der Größe der Karten musste ich diese stark komprimieren.

Die Analyse vom 2. Dezember, 6 UTC zeigt ein mesoskaliges Kältehoch über dem zentralen Alpenraum, welches ein Maximum von 1019hPa in Südtirol aufweist. Das potentielle Temperaturminimum ist jedoch nach Osten hin verschoben. Zwischen Reschenpass und Bregenz existiert bereits ein horizontaler Druckunterschied von 11hPa auf 100km. Da der hydrostatische Gradient aber viel schwächer, gab es noch keine starken Windgeschwindigkeiten an den föhnbegünstigten Stationen im Vorarlberg.

Um 9 UTC baut sich das Kältehoch im Alpenraum einstrahlungsbedingt langsam ab. Unterdessen wird im Westalpenbereich massiv Warmluft nach Norden advehiert , der Druckgradient verschärft sich hier ebenfalls.In der Poebene lagert bei gradientschwacher Umgebung weiterhin potentiell kältere Luft als im Golf von Genua oder in der Ostschweiz. Der hydrostatische Gradient nimmt hier also ebenfalls zu.

Um 12 UTC liegt weiterhin kalte Luft in der Poebene mit Schwerpunkt in Südtirol. In der Zentralschweiz hat sich ein Leetief mit 1002hPa Kerndruck gebildet, das uns im weiteren Verlauf noch beschäftigen wird. Entlang des Alpenhauptkamms hat sich folglich sowohl dynamisch durch die Anströmung und Stau der Luftmassen als auch hydrostatisch durch die kältere Luft in der Poebene und der wärmeren auf der Leeseite ein Druckgradient aufgebaut.

Um 15 UTC hat sich das Leetief etwas nach Osten verlagert und liegt nun mit gleichbleibendem Kerndruck im Grenzbereich zwischen der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland. Das hydrostatische als auch das dynamische Druckgefälle hat sich nach Süden und Osten hin erheblich verstärkt.

Um 18 UTC erreicht der Druckgradient sein absolutes Maximum mit 15hPa auf 85km zwischen dem Arlbergpass und dem Timmelsjoch (Ötztaler Alpen). Das Leetief liegt mit 997hPa Kerndruck über dem Vorarlberg, das Luvhoch mit 1012hPa in der Poebene. Durch den enormen Druckgradienten herrscht nun eine intensive Südwestströmung im Bereich des Alpenhauptkamms bzw. südwestlich von Innsbruck. Der Druckgradient zwischen Innsbruck und Bozen liegt noch bei 4hPa.

Um 21 UTC jedoch , als sich allgemein die Druckgradienten entschärft haben und auch hydrostatisch eine Abschwächung der Luftmassenunterschiede erfolgt, drängen sich die Isobaren südlich von Innsbruck bei gleichbleibenden Druckunterschied stärker. In diesen Zeitraum fällt auch,wie später noch ersichtlich sein wird, der Föhndurchbruch in Innsbruck.

Um 0 UTC stellt sich eine interessante Sitation ein - während in den Hochlagen Föhnmaxima erreicht werden, bricht der Föhn in Innsbruck zusammen. Anhand des Isobarenverlaufs lässt sich aber weiterhin eine starke Nord-Süd-Drängung beobachten (5hPa), ebenso ein potentieller Temperaturgradient zwischem kalten Bozen und wärmeren Inntal. Ab 0 UTC ist jedoch eine deutliche Entschärfung aller dynamischen und hydrostatischen Gegensätze festzustellen - die Föhnströmung nahm ab diesem Zeitpunkt deutlich an Stärke ab und brach schließlich am frühen Morgen mit Frontdurchgang zusammen.

3. Entwicklung im Inntal und Umgebung

Zunächst die Radiosondenaufstiege Innsbrucks vom 2. bzw. 3. Dezember 2005 , jeweils 3 UTC (durch Anklicken vergrößerbar)

Der Radiosondenaufstieg von Innsbruck vom 2. Dezember (links) zeigt eine markante Temperaturinversion in den untersten Schichten, welche durch starke Auskühlung über Nacht im Inntal durch wolkenlosem Himmel ausgelöst wurde sowie Warmluftadvektion im Wipptal sowie in den Schichten darüber durch Föhn.

So zeigt sich bodennah Westwind , darüber Südwind mit 15Kn und oberhalb etwa 2700m der synoptische Westwind, auffallend ist ferner, dass die eigentliche Absinkinversion verbunden mit einem Feuchterückgang die Obergrenze der hochreichenden Föhnschicht markiert.Daraus ließe sich schlussfolgern, dass die untere Temperaturinversion strahlungsbedingt, und die obere Temperaturinversion bzw. isotherme Schicht föhnbedingt ist.

 

 

 

 

 

 

Der Aufstieg vom 3. Dezember (rechts) zeigt die Situation nach Abheben des Föhns in Innsbruck. Bodennah herrscht wieder vorföhniges Ausfließen mit Westwind sowie kräftiger Auskühlung nach dem Föhnzusammenbruch im Inntal. Darüber ein starker Temperaturanstieg mit Süd- bis Südostwind. In einer Höhe (1663m) wurde Ostwind gemeldet. Ich vermute, dass das mit der Verdriftung der Radiosonde durch den Südostwind in den Schichten darunter zusammenhängt, der sie weiter das Tal aufwärts geschoben hat. Zwischen Martinswand und Nockspitzmassiv wurde die Föhnströmung kanalisiert, daher hier der Ostwind mit immerhin 15Kn. Darüber dominiert wieder der Südostwind des Wipptalföhns, der in das Inntal einbiegt. Oberhalb etwa 3,1km dreht der Wind mit der synoptischen Anströmung auf Südwest. Eine markante Inversion ist jedoch nicht vorhanden und mit dem Aufgleiten der hereinkommenden Okklusion ist der Temp bis zum Abriss des Funkkontakts auch ziemlich gesättigt.

 

 

 

 

 

Nun zu den Datenblättern der charakteristischen Stationen Innsbruck ,Ellbögen, Sattelberg und Wolfendorn - hier ist Puzzlen angesagt.

Zunächst Innsbruck -als allgemeiner Hinweis sei gesagt, dass der Windmesser wegen Gebäudebeeinflussungen viel niedrigere Werte misst als etwa andere Stationen wie auch am Innsbrucker Flughafen - bis zum 2. Dezember, 6 UTC herrscht gewöhnliches Ausfließen über Nacht, erkennbar an den sehr schwachen Windgeschwindigkeiten (0-2m/s) sowie an dem eher unstetem Westwind, der bis zu 90° Schwankung in der Richtung aufweist.
Danach geht es in das vorföhnige Ausfließen über, der Wind stabilisiert sich um ca. 260°, nimmt jedoch stark an Stärke und Böigkeit zu. Gleichzeitig sinkt die Luftfeuchtigkeit stetig, ebenso der Luftdruck. Die Temperatur steigt an. Zuletzt genannte Veränderungen sind jedoch ausschließlich auf den Tagesgang zurückführbar. Der Tag startete immerhin mit klarem Himmel (bedingt durch den bereits in der Nacht wehenden Föhn in den höheren Luftschichten). Um 15 UTC brach der Föhn an der Universität erstmalig durch. Die Windrichtung dreht kurz auf 150°, der Mittelwind fällt auf nahe 0 m/s, die Böigkeit steigt jedoch auf fast 9m/s. Der Druck errreicht sein erstes Minimum, die Temperatur steigt von ca 3 auf 6°C an. Danach geht es erneut in das vorföhnige Ausfließen über, das jetzt aber mit der Zunahme der Föhnströmung deutlich böiger als vorher ist. Der zweite und viel markantere Föhndurchbruch findet kurz nach 18 UTC statt . Weniger sind hier Feuchterückgang (20%) und Luftdruckfall (3hPa) interessant als der Temperaturanstieg von knapp 1°C auf 8°C. Der Föhn hält bis 23 Uhr an, danach fällt die Temperatur wieder um 8K innerhalb kürzester Zeit, ebenso steigt die Luftfeuchte und der Luftdruck wieder an. Betrachtet man die Windrichtungen genauer, so fällt auf, dass beim zweiten Föhndurchbruch zunächst ein Umschlagen des Windes auf Nordwest bzw. Nordost passiert ist. Kurz vor 22 UTC wiederholt sich dieses Umschwenken bei sonst eher vorherrschenden Südwinden.
Wie kann man diese Windsprünge deuten ? Der Wipptalföhn begann ab 20 UTC bereits an Strömungsstabilität zu verlieren . Stellt man sich den Föhn als eine laminare Drängung der Isentropen (Linien gleicher potentieller Temperatur) über den Alpen vor, die nach dem Alpenhauptkamm abzusinken beginnen und über dem Inntal an Höhe verlieren, dann herrscht eine stabile Föhnströmung bei sehr geringem Isentropenabstand (= maximale Windgeschwindigkeit in dieser Schicht). Bei schwächelnder Föhnströmung beginnen die Isentropen jedoch, auseinanderzugehen . Der untere Ast der Föhnströmung prallt dabei an die Nordkette und erzeugt einen Rotoreffekt. Das führt zu kurzzeitigen Nordwinden an der Universität Innsbruck, die jedoch wegen der Bodenreibung an Intensität verlieren.
Tatsächlich hob der Föhn zwischen 23 und 0 UTC in Innsbruck ab und ging wieder in ein vorföhniges Ausfließen über, das sukzessive an Intensität verlor. In den Vormittagsstunden folgte der Frontdurchgang und das Ende des vorföhnigen Westwindes. Die Temperatur stagnierte bis dahin aufgrund der Bewölkungszunahme, die eine größere Auskühlung verhinderte.

In Ellbögen im unteren Wipptal nahe dem Fuß des Patscherkofels herrschte im gesamten Zeitraum Talauswind und Föhn.Wichtigstes Indiz dafür ist die relativ konstante Südostströmung sowie die im Vergleich zum Mittelwind um 3-4m/s , später auch bis 8m/s erhöhte Böigkeit. Bei den anderen Parametern gibt es längst nicht so sichtbare Sprünge wie in Innsbruck - das spricht für die Lage in der (stabilen) Föhnschicht. Es lässt sich aber ein Föhnmaximum zwischen 12 und 0 UTC konstatieren.
Was mir bei den Windrichtungen in Verbindung mit dem Beginn und Ende der stärksten Föhnströmung aufiel, sind zwei "konvexe" Phasen um 11-12 bzw. 22-0 UTC mit einer Stabilisierung der Windrichtung auf ziemlich genau 150°. Diese Phasen sind zugleich mit einer geringeren Böigkeit als innerhalb des Föhnmaximums als auch mit einer Stabilisierung des Mittelwinds verknüpft , jedoch nur im ersteren Fall auch mit konstanter Luftfeuchtigkeit. Vielleicht sollte man daher davon Abstand nehmen, zuviel in diese Phänomene hineinzuinterpretieren.

Am Sattelberg herrschte ebenfalls durchweg eine Föhnströmung mit konstanter Südkomponente vor. Hinsichtlich der Entwicklung der Windsituation erkennt man zwei wesentliche Unterschiede zu Ellbögen . Zum einen ist eine sukzessive Steigerung der Windgeschwindigkeit erkennbar, deren Maxima zwar mit denen von Ellbögen zusammenfallen, wobei das absolute Maximum in Ellbögen bereits zu Beginn erreicht wurde (bzw. während des Föhnmaximums und nicht am Ende).Zum anderen zeigt auch die Korrelation von Mittelwind und Böigkeit am Sattelberg eine stärkere Drängung als in Ellbögen, was ebenso wie der Temperaturverlauf für eine Lage in der stabilen Föhnschicht, wenn nicht sogar in dessen stabilster Ausprägung spricht. Abgesehen von externen Faktoren wie hydraulische Sprünge oder Einmischen von Kaltluft aus den Seitentälern kann man daher von einem laminaren (= stabilen ) Absteigen der Isentropen aus dem Niveau des Sattelbergs bis ins untere Wipptal ausgehen.
Ein recht chaotisches Bild ergibt sich hingegen beim Feuchte- und Druckverlauf. Ab 7 UTC mit zunehmender Föhnströmung setzt ein leichter Rückgang der Luftfeuchtigkeit ein, der um 11 UTC sein Minimum erreicht. Nach kurzer Stagnation auf niedrigerem Niveau steigt sie relativ rasch an und bleibt ab 16 UTC bei 100%. Zu diesem Zeitpunkt schiebt sich die Föhnmauer über das Kammniveau am Brenner , im weiteren Verlauf verstärkt sich dann die Aufgleitbewölkung von Südwesten.

Die Frage hinsichtlich der Herkunft der Föhnluft in Innsbruck lässt sich bereits hier beantworten - der erste Föhndurchbruch in Innsbruck um 15 UTC korreliert mit einem Maximum am Sattelberg sowie mit einem deutlichen Geopotentialfall der 700hPa-Fläche. Der Vergleich der Temperaturen ergibt eine überadiabatische Durchmischung mit Innsbruck um 15 UTC. Die Föhnluft stammte also aus noch höheren Niveaus als vom Sattelberg, etwa 2200m, aber nicht vom Patscherkofel, wie später noch zu sehen ist. Sattelberg und Ellbögen waren ab dem ersten Föhnmaximum um 11 UTC am Sattelberg (leicht verzögert in Ellbögen weiter nördlich) annähernd durchmischt, ab 2 UTC waren beide Stationen nicht mehr durchmischt, in Ellbögen fiel ab dato auch die Temperatur langsam ab. Hier wäre bis zum Frontendurchgang eine seichte Föhnströmung durch den tiefen Einschnitt am Brenner denkbar. Immerhin deutet der gleichmäßige Temperaturfall auf eine weiterhin stabile Schichtung hin (im Gegensatz etwa zu dem abrupten Temperatursturz in Innsbruck).

Der Wolfendorn lag bis etwa 12 UTC noch in der synoptischen Westströmung.Erst bei dem ersten Maximum um 14.30 lag er in einer stärkeren Südwestströmung, die sich bis zum Frontdurchgang hielt und dabei immer mehr auf Süd drehte, sich ab 0 UTC jedoch kontinuierlich abschwächte.

Im Folgenden möchte ich auf die Situation am Patscherkofel und Innsbruck-Flughafen eingehen, zu denen ich leider keine frei verfügbaren Datenblätter präsentieren kann.
Am Flughafen wurde um 3 UTC bereits das Temperaturminimum mit -10,9°C erreicht, in den Vormittagsstunden kletterte das Thermometer bis auf 1,7°C um 13 UTC. Als in der Innenstadt um 15 UTCan der Universität der Föhn kurz durchbrach registrierte der Flughafen eine Böe mit 25km/h aus Nordosten bei weiterhin wehendem Westwind im Mittel, der zuvor bis 40km/h in Böen erreicht hatte. Die Temperatur stieg kurz von +1,5 auf +4,8 und fiel wieder auf +0,6°C.
Von 18 bis 19 UTC brach der Föhn auch am Flughafen durch, der Wind drehte von Westsüdwest auf Nord bis Nordost , eine Böe dabei bis 47km/h und ein Temperaturanstieg von -1,2 auf +7,9°C. Die Temperatur stagnierte bis 22 UTC auf hohem Niveau mit einem Maximum von +8,4°C um 20 UTC, dabei wehte der Wind im Mittel aus Nordnordwest bis Nordost, in Böen aus Nordost bis 58km/h. Die Windrichtung erscheint mir etwas seltsam, da der Flughafen sonst bei Föhndurchbruch immer Südostwind oder Ostwind hatte. Eine mögliche Erklärung, die sich aber auf eine reine Vermutung stützt, wäre , dass die Föhnströmung im Wipptal so kräftig war, dass ein Herumführen der Strömung am Wipptalausgang von Süd auf Ost nicht mehr gegeben war,sondern der Strom von der Nordkette abprallte und daher die Nordkomponente am Flughafen aufwies.
Zwischen 22 und 23 UTC brach der Föhn am Flughafen, verbunden mit einem Temperatursturz von +8,3°C auf +0,7°C sowie einem Windsprung von Nordost auf Südwest zusammen. Bis etwa 7 UTC hielt sich der vorföhnige Westwind, teils mit Mittelwinden bis 22km/h und Böen bis 32km/h. Danach drehten die Winde variabel mit Ankunft von Schneeschauern auf östliche bis nördliche Richtungen. Die Temperatur schwankte stärker , stieg am Vormittag dann aber an.

Fazit: Das Föhnmaximum in Innsbruck-Flughafen lag etwa zwischen 18.30 und 23 UTC und korreliert damit direkt zum Föhnmaximum an der Universität. Auch der kurze Föhndurchbruch um 15 UTC an der Universität ist am Flughafen in Gestalt einer Nordostböe wiederzufinden. Die starke Nordkomponente am Flughafen hängt möglicherweise mit der intensiveren Föhnströmung im Wipptal zusammen, die das dem Relief am Wipptalausgang folgende Strömen erschwerte.

Am Patscherkofel (2246m) herrschte bereits vor dem eigentlichen Föhnmaximum eine stundenlang andauernde Südostströmung vor, die in Böen Süitzen bis 61km/h erreichte. Auffallend am Patscherkofel sind die oft geringen Absolutabweichungen von Mittelwind und Böen, sodass gerade bei hochreichenden Föhnströmungen eine Lage in der stabilsten Föhnschicht anzunehmen sein könnte.
Als Helge Tuschy und ich den Gipfel erreichten, wurde dort um 14 UTC eine Temperatur von -3,8°C erreicht - um mit dem Wolfendorn durchmischt zu sein, hätte eine Temperatur von -6,0°C herrschen müssen. Da der Patscherkofel um über 2K wärmer war, kann man von einer hochreichenden Föhnströmung bis über 3km ausgehen, was sich auch mit den Radiosondenaufstiegen und synoptischen Karten deckt.
Das Föhnmaximum ereignete sich am Patscherkofel zwischen 20 und 2 UTC mit Spitzenböen bis 151km/h (23 UTC) und gleichzeitigem Mittelwind von 108km/h. Es sollte betont werden, dass dies keine besonders außergewöhnlichen Werte für den Patscherkofel sind, da er bei markanten oder extremen Föhnlagen auch höhere Windgeschwindigkeiten erreicht.Vergleicht man jedoch die Maxima von Patscherkofel und Innsbruck (Inntal), so stellt man einige , interessante Aspekte fest:

Während dem ersten Föhndurchbruch in Innsbruck um 15 UTC, lag zwischen Innsbruck und Patscherkofel nicht einmal annäherend Durchmischung vor - die Föhnluft stammte hier also eindeutig aus dem Wipptal.
Als der Föhn in Innsbruck gegen 18.30 UTC ein zweites Mal durchbrach, ist erneut keine Durchmischung mit dem Patscherkofel vorhanden - zudem hob der Föhn in Innsbruck bis 23 UTC ab, während er am Patscherkofel dort sein absolutes Maximum in der Windgeschwindigkeit erreichte. Es ergibt sich also - im Gegensatz zum Sattelberg - weder eine Korrelation der Föhnmaxima , was die Windgeschwindigkeiten betrifft, noch eine jemals herrschende Durchmischung der besagten Tal- und Bergstationen. Die Föhnluft vom Patscherkofel erreicht demnach die westlichen und zentralen Stadtteile Innsbrucks nicht, sondern ist höchstens weiter östlich für den Föhn verantwortlich (diesen Sachverhalt gilt es noch zu klären!). Aufgrunddessen sollte der Patscherkofel nicht als Referenzstation für Durchmischung im Tal und Prognose eines Maximums hergenommen werden, sondern der viel weiter südlicher liegende Sattelberg, dessen Leewellen das untere Wipptal sowie Innsbruck erreichen.

Die Betrachtung der unterschiedlichen Entfernungen zeigt aber, dass Entrainments von Kaltluft aus den Seitentälern zwischen Patscherkofel und Innsbruck eher unwahrscheinlich ist, wohingegen die potentielle Temperatur als Tracer zwischen Sattelberg und Innsbruck schon stark verfälscht sein kann.
Gegen das Entrainment von Kaltluft vom Oberland spricht die Beobachtung, dass der Föhn bis etwa zum Sellraintal durchgebrochen ist,vgl. hierzu die Aufnahme von ca. 15.30 UTC vom Patscherkofel aus :

4. Ergebnisse

Zum Abschluss möchte ich die besondere Föhnsituation anhand der folgenden Skizze betrachten und die lokale Entwicklung dieser zusammenfassen:

Wie bereits in dem Foto oben abgebildet, wehte im Oberland bis etwa zu einer Grenze Martinswand -- Sellraintalausgang weiterhin ein kalter Westwind , der durch die starke Kaltluftproduktion eine seichte Dunstschicht erzeugte.
Am Innsbrucker Flughafen kam es zu den angesprochenen Nordwinden bei Föhndurchbruch ,wozu mir wenigstens zwei mögliche Ursachen einfall, einmal Rotoreffekte durch den Aufprall der Föhnströmung in höheren Schichten auf die Nordkette, zum Anderen, was mir persönlich wahrscheinlicher vorkommt, die Ablenkung an der Nordkette durch die bodennah durchbrechende Föhnströmung. Ich weiß nicht,ob die herabströmenden Winde im ersteren Fall für die hohen Windgeschwindigkeiten und eher konstanten Nordkomponenten ausreichend wären (Stichwort: Energieverlust durch Reibung und Turbulenz), wohingegen bei einem horizontalen Ablenkung der Strömung eher eine Beschleunigung durch Kanalisierung auftritt. In diesem Themenbereich fehlen mir aber noch die theoretischen Grundlagen (Hydrodynamik) , sodass das hier Spekulation bleiben wird. Betrachtet man den Winkel zwischen der Föhnströmung am Wipptalausgang (langer,roter Pfeil) mit annähernd 160° und verlängert diese gedanklich, so erscheint die Nordostkomponente am Flughafen durchaus plausibel, ebenso die Südostkomponente an der Universität. Die zeitweiligen Nordwest- bzw. Nordostwinde erklären sich jedoch eindeutig aus Rotoreffekten durch Ablösen der Föhnströmung an der Nordkette, wobei an dieser Stelle ungeklärt ist, ob es sich um die Leewellen des Patscherkofels (Südostwind!) oder um die hochreichende Föhnströmung im Wipptal bzw. Allgemein handelt.
Ellbögen (der kurze,rote Pfeil im Wipptal) wird von der NW-SE-Talachse beeinflusst und meldet nahezu ausschließlich zwischen 110 und 150° bei Föhn, so auch in diesem Fall. Was Helge und ich bestätigen können, ist ein starker Südföhn im unmittelbaren Lee des Patscherkofels, der beim Aufstieg bis etwa 1750m reichte, beim Abstieg teils bis auf den Mittelgebirgszug hinab. In Igls (roter Pfeil am Wipptalausgang) sowie in den östlich gelegenen Dörfern Sistrans, Rinn und Tulfs dominiert aber nicht Südföhn,sondern Westföhn - nämlich Wipptalföhn (der natürlich Südföhn ist, aber in das östliche Inntal strömt). Daher stellt sich die Frage, ob die Leewellen des Patscherkofels überhaupt den Mittelgebirgszug bzw. das Inntal und die gegenüberliegenden Dörfer erreichen oder hier ausschließlich Westföhn herrscht. Weiter östlich im Inntal Richtung Vomp ,Pill und Schwaz machte sich der Föhn jedenfalls durch Westwind bemerkbar (Wolfgang Gurgiser, Vomp).
Igls (Wolfgang Gösweiner, s. Wetterzentrale) meldete abends zwischen 17 und 19 Uhr bis 100km/h Böen sowie Schäden (umgestürzter Christbaum, 10kg schwere Glaslaterne beschädigt), jedoch bei stärkeren Südkomponenten , da noch nahe am Wipptal gelegen - die entsprechenden Beiträge in der Wetterzentrale sind hier nachzulesen.
Demnach ist der Föhn vom Patscherkofel (Südostwind) nur im unmittelbaren Lee, aber nicht weiter südlicher spürbar. Auch für den im Inntal gelegenen Ort Mils (in der Skizze blau markiert der Standort der Wetterstation von Alex Radlherr) ,wovon die folgenden Daten stammen, scheint der Föhn vom Patscherkofel keine Rolle zu spielen. Wind wird auf dem Dach gemessen, die Temperatur in einer Wetterhütte im Garten , 15m Abstand vom Haus.

Die Winddaten (blau die Windrichtung, schwarz die Windgeschwindigkeit, rot Datenausfälle) zeigen zunächst variable Nordwinde mit schwachen Windstärken, gegen 16.15 UTC den ersten Föhndurchbruch, etwa eine stunde später als in Innsbruck, mit Westwind und von 20 bis 4 UTC eine andauernde Westföhnperiode. Die zwischen dem ersten Föhndurchbruch und der Westföhnperiode aufgetretenden Nordwinde bei gleichzeitiger Abkühlung der Lufttemperatur (nicht in der Skizze) könnten möglicherweise auf den Talauswind vom nördlich ins Inntal mündenden Halltal zurückzuführen sein, das eine klare Nord-Süd-Achse aufweist.

Der Abgleich der Temperaturdaten mit denen des Patscherkofels und vom Sattelberg führt zu folgenden Ergebnissen :

Als Fazit entnehme ich den vorliegenden Daten, dass die Leewellen des Patscherkofels zumindest in dieser Föhnsituation über Innsbruck und das Unterland weitgehend hinweggehen und hier der Wipptalföhn dominant ist. Jedoch fehlen zwischen Jenbach und Innsbruck zuviele Messtationen, als dass diese These derzeit verifiziert werden könnte.

Der Patscherkofelföhn scheint nur für die unmittelbaren Nordhänge der Patscherkofelkette von Bedeutung, bereits in den Mittelgebirgen herrscht bei Süd(west)föhn Westwind und nicht Südwind.

Innsbruck war im gesamten Zeitraum mit dem Sattelberg bzw. höheren Niveaus durchmischt, bekommt also die Föhnluft als Resultat des "gap flows" . Westlich der Martinswand ist der Föhn nicht durchgebrochen, da hier die Kaltluftproduktion zu mächtig war.

Fehler in der Interpretation können durch externe Faktoren wie unbekannte Entrainments von Kaltluft aus den Seitentälern, hydraulische Sprünge, lokale Unterschiede auf engsten Raum ,etc. auftreten.Ferner ist jeder Föhnfall anders als ein anderer - es handelt sich bei den oben gezogenen Schlüssen bzw. Interpretationen also nicht um dogmatische Lehren, sondern sind nur auf den spezifischen Fall zugeschnitten. Wohl aber kann es zu Überschneidungen in anderen Fällen kommen. Letzlich ist eine umfassende Verifikation aller Föhnsituationen in Innsbruck notwendig, um mehrere Rückschlüsse zu ziehen. Auch kann es sein, dass ich etwas übersehen habe, was in anderen Föhnstudien bereits gesagt wurde. Schließlich darf der besondere Fall des doppelten gap flows im Wipptal mit Föhndurchbruch im Inntal nicht auf andere Föhnsituationen in den Alpen übertragen werden. Am Alpennordrand sowie in diversen Alpentälern werden in jenem Zeitraum vom 2-3.12. 2005 wieder andere Faktoren ausschlaggebend gewesen sein. Ich möchte hier auch nicht negieren, dass es dort ebenfalls zu interessanten Entwicklungen gekommen ist, habe aber vor Ort letzendlich die meisten Daten zur Verfügung, weswegen ich meine Anstrengungen hauptsächlich auf die lokale Entwicklung konzentriert habe.

In diesem Sinne möchte ich diese Föhnstudie abschließen und hoffe darauf, dass es noch andere Thesen hinsichtlich der lokalen Föhnsituation in Innsbruck und Umgebung gibt.

5. Quellen
  • Wetterzentrale und Forum
  • Wyoming Soundings
  • VERA - Uni Vienna
  • Universität Innsbruck - Stationsdaten
  • Luftbildatlas Tirol für die Kartenskizzen
  • Wanderung am Patscherkofel
  • Wetterdaten von Alexander Radlherr, Mils - herzliches Dankeschön an dieser Stelle
  • © wetteran.de , 11.12.2005