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Patscherkofel im Föhnorkan - eine grandiose Erfahrung

Servus,

heute startete ich mit zwei Studienkollegen, Helge und Flo, zum Patscherkofel, da ein Föhnorkan angekündigt war. Diesen wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Vorab - es gibt nur wenige Fotoaufnahmen, da die Witterungsbedingungen extrem waren - und beim Abstieg versagte meine Kamera dann völlig. Zu diesem Föhnereignis wird es eine gesonderte Analyse geben, die ich auf in der Rubrik Föhn noch einstellen werde. Ich möchte mich daher hier überwiegend auf das beschränken, was ich mit eigenen Augen gesehen bzw. mit meinem Handwindmesser (Windmaster 2) gemessen habe.

Zur Route :

Es handelt sich im Prinzip um dieselbe Route wie vor einem Jahr, als wir ebenfalls bei Föhnorkan auf dem Patscherkofel standen, wenn auch bei weitaus geringeren Windgeschwindigkeiten. Aufstieg ist die blaue Linie, Auf- und Abstieg dann pink und hellblau. Was die rot markierten Bereiche zu bedeuten haben erkläre ich später.

Wir starteten um 9.00 in Igls an der Patscherkofelbahn ca. 10km südöstlich von Innsbruck auf 879m. Das Wipptal befindet sich auf dieser Karte westlich von Patsch. In Innsbruck wehte noch der vorföhnige Westwind mit schwachen Windgeschwindigkeiten bei 3,4°C... In Igls angekommen war es schon einmal merklich wärmer. Ellbögen im Wipptal vermeldete bereits seit gestern mittag durchgehend um 10°C, liegt allerdings 200m höher, in Igls hatte es also ziemlich genau 8°C und natürlich schon mitten im Föhn. Über dem Inntal stand eine ziemlich zerfetzte, ausgedehnte Alto- bzw. Stratocumulus lenticularis-Wolke - über den Patscherkofel fegten Wolkenfetzen mit ungeheurer Geschwindigkeit hinweg und lösten sich im Lee des Berges unter hydraulisch erzwungenem Absinken auf. Die Föhnmauer stand etwa in Höhe der Serles gut 15km südlich von Innsbruck, was für Föhnlagen eher ungewöhnlich ist. Man bedenke, dass der Alpenhauptkamm noch ein gutes Stückchen weiter südlicher, nämlich 30km entfernt ist... dies sprach bereits für eine äußerst dynamische Föhnlage. Schnee lag natürlich keiner, dafür nieselte es beinahe ununterbrochen beim Aufstieg bis zum Gipfel. Das trockenadiabatische Absinken mit der Erwärmung war zwar durchaus vorhanden, aber die Wolken oberhalb etwa 2200m ließen immer wieder Niederschlag ab. Das ist schon ganz interessant, wenn es föhnt und gleichzeitig nieselt.

Dann - auf etwa 1500m - wurde uns die äußerst lokale Auswirkung des Wipptalföhns veranschaulicht:

Die Aufnahme zeigt das Oberinntal westlich von Innsbruck mit der markant hervorstechenden Martinswand rechts und die Mieminger Kette im Hintergrund.Die Wolkenuntergrenze der Stratocumulus lag hier bei ca. 2400m. Das Besondere waren aber die ausgedehnten Nebelfelder westlich der Martinswand, genauer gesagt, reichte der Nebel genau bis zum Westende des Innsbrucker Flughafens. Weiter östlich war die Luft bereits glasklar und in Innsbruck selbst kein Nebel oder Hochnebel. Wie kommt es zu derartigen Unterschieden? In der Nacht wird durch langwellige Ausstrahlung Kaltluft im Oberinntal produziert. Die Leewellen des Südföhns gehen in diesem Talbereich über den Leegrund hinweg und es kann sich thermisch bedingt relativ ungestört ein Talauswind ausbilden. Der Talauswind war in der Nacht vorübergehend schwächer ausgeprägt, was hier bereits zur Abkühlung bis zum Kondensationsniveau und Nebel führte. Ab der Martinswand etwa nahm der Westwind dann zu und wurde vorföhnig. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu weit vorgreifen, da dies noch Thema der ausführlichen Föhnanalyse sein wird. Merken wir uns, dass föhnbedingt knapp östlich von Innsbruck ein Leetief entsteht, dessen Druckabfall eine Ausgleichsbewegung - eben den vorföhnigen Westwind erzeugt. Dieser weht nur zwischen Zirl (knapp westlich der Martinswand) bis zu den östlichen Stadtteilen, weiter westlich bleibt es beim durch Kaltluftproduktion über Nacht erzeugtem Talauswind mit weitaus geringeren Windgeschwindigkeiten.

Im etwas größeren Ausschnitt sieht man über der Häuseransammlung im Wipptal einen weißen Nebelfetzen, der ziemlich genau bei Kranebitten am Westende Innsbrucks entlang zieht. Zwischen Martinswand und Flughafen Kranebitten löste sich der Nebel mit der zunehmenden Strömungsgeschwindigkeit und der durch Turbulenz und darüberliegender Föhnschicht ausgelöste Durchmischung rasch auf.

Das nächste Bild zeigt äußerst hartnäckige Bewölkung entlang der Nordkette, auf etwa 2200m, die sich den ganzen Tag hielt und auch kaum Lücken aufwies. Erschreckend für die Jahreszeit weiterhin die fehlende Schneedecke bis in die Kammregionen.

Diese Aufnahme wurde nach Osten hin aufgenommen und zeigt über dem spärlich schneebedecktem Bettelwurfmassiv eine zerfetzte, aber doch recht stationäre Wolkenfeld. Meine Vermutung ist, dass es sich hier um eine Art Leewolke handelt, die wegen der extrem hohen Strömungsgeschwindigkeiten aber kein laminares Aussehen zeigt.

Zum Vergleich - so sah es am 2. Dezember 2005 ebenfalls bei Föhnorkan aus :

Erneut nach Westen fotografiert - der Nebel im Oberinntal lichtete sich immer weiter, zwischen Martinswand und Flughafen war nurmehr feuchter Dunst zu sehen, das Himmelsbild noch durchaus freundlich mit einigen Stratocumulus und Altocumulusfeldern, die besonders über den Stubaitaler Alpen bis zu Altocumulus lenticularis duplicatus auswuchsen.

Noch einmal gezoomt, der Nebel verläuft an der Obergrenze nicht mehr so kompakt und laminar wie zuvor, sondern weist Quellungen auf, was auf konvektive Umlagerungen hindeutet. Im Hintergrund die Mieminger Kette, rechts hinten das Zugspitzmassiv.

Ebenfalls konnte ich östlich von Wattens, das ist etwa 15km östlich von Innsbruck, eine geschlossene Nebeldecke im Tal stromabwärts entdecken. Der Föhneinfluss erstreckte sich also im Inntal auf 25km von West nach Ost.

Das Bild vom Roßkogel (2642m) links und den Schlossköpfen dahinter zeigt das ganze Ausmaß des milden Herbst und Winters... lediglich in Kammlagen geschlossene Schneedecken, sonst immer wieder apere Wiesen am Hang.

Die Bildqualität ist nicht die Beste, demonstriert aber, dass es im Lee des Patscherkofels keineswegs klar und trocken war. Es nieselte immer wieder. Bei stürmischen Böen trieben einen die Tropfen unangenehm ins Gesicht....

Wir haben Föhnsturm - um diese Zeit bereits Föhndurchbruch in Innsbruck - und dennoch ist klar und deutlich ein Regenbogen zu sehen! . Dies zeigt, dass es die Fallstreifen von der Föhnmauer bis zum Ausgang des Wipptals getragen hat... und die Feuchtigkeit zur Brechung mit Regenbögen (es gab mehrere) führte.

Auf der Lanser Alm (1740m) angekommen machten wir unsere erste, richtige Rast mit heißem Tee und Würstln... dort brach der Föhn bereits mit Sturmböen durch und der Niesel verdichtete sich noch. Gemeinsam mit dem Lärchenwald und der felsigen Umgebung, durch die wir wanderten, erinnerte mich das irgendwie an Schottland. Von der Lanser Alm ging es dann über Schneeflecken bis zum Patscherkofelhaus auf 1964m. Über uns rauschte und knatterte der Föhnsturm, am Boden selbst....nichts... ab und zu eine starke Böe, aber eine extreme vertikale Windscherung, wenn man es so will. Bei Schneeunterlage mit Kaltluftproduktion wie vergangenes Jahr waren die Unterschiede noch größer, dort konnte sich die mikroskalige Schicht unterhalb der Baumkronen noch stärker von der Föhnschicht darüber entkoppeln als es heuer der Fall war.

Am Patscherkofelhaus (roter Kreis, siehe oben) holte ich dann erstmals meinen Windmesser hervor und maß gleich einmal 50 Knoten, nur fünf weniger als ich vergangenes Jahr auf dem Gipfel gemessen hatte. Das Nieseln ging in Grieseln bzw. Schneeflocken über und der Wind wehte unerbitterlich.

Folgende Aufnahme zeigt die letzten 270 Höhenmeter den Fahrweg entlang zum Gipfel. Im Hintergrund das Morgenköpfl mit 2216m, dort bereits verhältnismäßig dicke Schneebedeckung. Die niedrigen Kiefern zeigen durch ihre Schräglage bereits die hohen Windgeschwindigkeiten an, am Weg selbst spürte man dadurch nur wenig. Am Boden Wechsel zwischen Windstille und mäßigen Böen, etwa 2m höher bereits starker bis stürmischer Wind und rund 4m über Grund schon Orkanböen - unglaubliche Unterschiede in der Vertikale, aber auch in der Horizontale, da uns einzelne ,dichtere Fichtengruppen vom gröbsten Sturm fernhielten. Man muss sich das mal vorstellen, alles rauscht und pfeift und immer wieder biegen sich die Bäume im Wind, aber zwei Meter neben dran auf dem Weg GAR NICHTS.

Nun begann die finale Etappe und das Härteste an Wetter, was ich bisher jemals und noch dazu am Berg erlebt habe. Mit jeder Serpentine nahm der Wind an Stärke, ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Zudem war der Weg teilweise vom Schnee verweht und dieser zu Eis gefroren bzw. kompakt und rutschig geworden. Wenn man versehentlich bei einer schweren Sturmböe auf die rutschige Fläche geriet, musste man rasch in die Knie und zur Seite, um nicht davon geblasen zu werden. Die nächste Kurve - der Wind erreichte nun bereits um 62Knoten, volle Orkanstärke, ich lief nur noch seitlich zum Wind, da dieser meinen Rucksack ständig packte und mich umreißen wollte. Wenn es gar zu heftig wurde,blieb ich stehen, nahm meinen Wanderstecken und krallte mich in den Schnee, um die Böenphase zu überstehen. Das dauerte aber teilweise einige Sekunden - und es half alles nichts. Man musste da durch. Knapp 80m unterm Gipfel flog Helge dann der Handschuh davon und ich hatte Mühe, meine Mütze festzuhalten, woran der Wind ständig riss. Wieder eine Kurve herum... es ging nur noch im Schritttempo vorwärts. Jeder Schritt eine Qual, man sah gar nichts mehr. Meine Haare wehten mir vors Gesicht und die Eisnadeln zwickten auf der Haut. Noch wenige Meter zum Gipfel...ich konnte vor Erschöpfung fast nicht mehr, der Wind wollte uns keine Pause geben und unsere Vorwärtsbewegung glich dem Torkeln eines Besoffenen...das Heulen des Windes war so laut, dass ich nichts verstand, selbst wenn zwei Meter neben mir was zugerufen wurde. Dann endlich geschafft, um die letzte Kurve zwischen einem Hang und einer Almhütte vorbei - in dieser Düse maßen wir später mit dem Handwindmesser 130km/h ! - und auf die windabgewandte Seite. Erst einmal ausruhen!

Dann gingen wir zum Observer, der an diesem Tag auf dem patscherkofel dienst hatte und stündlich Metars und synops machen musste. dort wärmten wir uns mit kaffee und unserem mitgebrachten Tee auf, nahmen eine kurze Mahlzeit, ließen uns die Wetter"zentrale" zeigen - und brachen dann gegen 14.00 zum Rückweg auf. Die teilautomatische Wetterstation meldete um diese Zeit 148km/h Spitzenböen am Patscherkofel, das Maximum war um 11.00 bei 166km/h.

Gestärkt gestaltete sich der Rückweg trotz relativ gleichbleibenem Wind einfacher als der Hinweg... obwohl ich immer wieder über 100km/h gemessen hatte.
An einer Biegung, wo auch das letzte Foto entstanden ist, maß ich noch einmal 112km/h - Bft 11 (in der Karte oben der kleine rote Kreis unterhalb des großen Kreises, wo die stärksten Windböen mit 120-170km/h herrschten).

Unten ist das Patscherkofelhaus zu sehen - der Rest wurde bereits beschrieben.... danach zeigte meine Kamera ein blau-pinkes Flimmern und ich machte sie schleunigst aus.

Der Abstieg ging dann über die Skipiste, wo der Föhn überwiegend in Baumkronenniveau wehte, am Grund aber seltener durchbrach. Neben der Bobbahn am Busparkplatz Olympiaexpress maß ich allerdings noch einmal über 65km/h und auch in Igls selbst gab es immer wieder Sturmböen.

Zurück in Innsbruck dann ausgesprochen warm , aber keine kräftigen Windböen mehr.

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