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3. Nordföhn

Während es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bereits zahlreiche Arbeiten und Studien zu Südföhn in Innsbruck gibt (z.B. Föst F., 2006), so ist der Nordföhn in Innsbruck ein verhältnismäßig neues Phänomen. Nordföhn südlich des Alpenhauptkamms ist hingegen bekannt und beschrieben (z.B. Verant W., 2006).
Die Idee, dass es auch in Innsbruck zu Nordföhn kommen kann, ist nicht neu (Hann 1891, Trabert 1903) und beruht auf der Sonderstellung der orographischen Lage Innsbrucks im Inntal, welches durch das Karwendelgebirge im Norden eine Abschirmung des klassischen Nordstaus erfährt. Luftmassen aus Norden können entweder durch das Unterinntal bei Kufstein nach Innsbruck advehiert werden oder gelangen über eine Gebirgslücke ("gap") westlich von Innsbruck ins Inntal.

3.1 Herkunft - verschiedene Varianten

Hinsichtlich der genauen Herkunft des Nordföhns bestehen immer noch Unklarheiten, die auch durch Georg Haas' Diplomarbeit (s.unten) nicht ausgeräumt werden konnten. Hauptproblem sind fehlende Referenzstationen bei den vermuteten Nordföhnrouten, mit Hilfe derer die Trajektorien bei Nordföhn eindeutig bestimmt werden könnten. Die Station Seefeld steht in einem abgelegenen Seitental und ist nicht repräsentativ für Seefeld selbst bzw. den Seefelder Sattel.

Folgende Skizze aus dem Luftbildatlas soll die wahrscheinlichsten Trajektorien des Nordföhns veranschaulichen, wie er bei Anströmung der Alpen aus dem ersten Quadranten (270-360°) zu erwarten wäre:

Die offiziellen Messtationen der ZAMG bzw. der Universität Innsbruck sind rot markiert - die Universität Innsbruck in der Stadtmitte, der Flughafen Kranebitten am Westrand Innsbrucks sowie Seefeld auf 1180m nordwestlich von Innsbruck. Pink gekennzeichnet außerdem die Dörfer Zirl im Inntal sowie Oberperfuss (860m) am Ausgang des Sellraintals auf dem Mittelgebirgsplateau.

  1. Variante 1: Die Luft strömt direkt über die Nordkette nach Innsbruck und führt vorwiegend in den nördlichen Stadtteilen zu Nordföhn. Der Flughafen selbst ist nie betroffen. Diese Konstellation ist jedoch nach den Beobachtungen der letzten Jahre sehr selten, da die Talatmosphäre meist zu stabil geschichtet ist und die Leewellen der Nordkette über Innsbruck hinweggehen. Wankmüller (1995) hat sich in seiner Diplomarbeit an der Universität Innsbruck näher mit dem Nordföhn über die Nordkette befasst.
  2. Variante 2: Die Luft strömt vom Alpenvorland über den Seefelder Sattel ins Inntal und erreicht als Nordwestwind, manchmal auch durch das südliche Mittelgebirge als Südwestwind umgelenkt den Flughafen, im weiteren Verlauf als westsüdwestlicher Wind die Universität. Gegen eine Herkunft über den Scharnitzpaß spricht allerdings der dortige sehr enge Gebirgseinschnitt. Jedoch könnte die Luft über die Tallücke im Leutascher Achental hindurchkommen. Wäre jedoch nur bei reiner Nordkomponente eine plausible Variante, da der Wind sonst stark umgelenkt und gebremst würde.
  3. Variante 3: Die Luft strömt über Ehrwald südwestlich der Zugspitze und über das breite Gaistal südlich des Wettersteinmassives ostwärts und stürzt dann - wie in Variante 2 - über den Seefelder Sattel ins Inntal. Dies wäre insofern plausibler, da die Gebirgseinschnitte breit genug für ein Durchströmen bei Nordwestwind erscheinen. Dieser erhält durch die "barrier jet"-Strömung tendenziell eine höhere Westkomponente, sodass das Durchströmen des Gaistals sogar noch begünstigt wäre. Jedoch würde bei zuviel Westkomponente die Strömung an der Reiterspitze bei Seefeld vorbei ins Karwendelgebirge abgelenkt werden.
  4. Variante 4: Die vierte Möglichkeit könnte das Überströmen der Lechtaler Alpen bei Nassereith bzw. des Holzleitensattels (1119m) darstellen. Dagegen sprechen jedoch die zeitweilig ausgeprägte Rotorbildung im Inntal mit Südwind am Flughafen, welche beim einfachen Strömen entlang der Talachse eher auszuschließen wäre. Zusätzlich spricht der frühzeitige Nordföhn in Ellbögen dagegen, wenn Innsbruck noch keinen Nordföhn meldet. Dafür spricht der Nordwestwind in Innsbruck als Folge der Umlenkung im Inntal.

Fazit:

Die numerischen Simulationen von Günther Zängl (Link zum Seminarvortrag, siehe unter Fallbeispiele) umfassen neben dem Herabströmen über den Arlberg (bei reiner Westkomponente) auch die genannten Varianten 2 und 4. Der Querschnitt des Gaistals reicht eventuell für den Nordföhn nicht aus. Die Mittenwalder Lücke erscheint bei West- bis Nordwestströmung nicht begünstigt für ein Durchströmen. Jedoch sprechen diverse Beobachtungen eher gegen einen gap flow von Mieminger Plateau und weiter westlich. Letzendlich ist der Nordföhn in Innsbruck also noch ein Rätsel.

 

Linksstehendes Bild wurde vom Patscherkofel aufgenommen und zeigt das Oberinntal westlich von Innsbruck.Markiert ist die Wetterstation am Flughafen Kranebitten sowie die Orte Oberperfuss auf dem Mittelgebirgsplateau, Kematen am Ausgang des Sellraintals und Zirl am Fuß des Seefelder Sattels.

Das Herabströmen vom Gaistal ist mittels Pfeilen illustriert.. Der Hauptast der Nordföhnströmung biegt oberhalb der Talsohle über das Mittelgebirgsplateau ins Wipptal ab (links), ein Nebenast zieht das Inntal weiter bis nach Innsbruck und wenige Kilometer weiter talauswärts.

In Einzelfällen ist es auch denkbar, dass der Nordföhnast vom westlichen Mittelgebirgsplateau zum östlichen Plateau weiterströmt, ohne in das Inntal hinabzugreifen (am 11.11.2007 vormittags Schneedecke im Tal, schneefrei auf dem Mittelgebirgsplateau bei Tulfes).

Bei Kaltluftadvektion von Norden - ob mit oder ohne Föhn - fließt immer Kaltluft von Kufstein über Jenbach weiter taleinwärts, sodass im Inntal prinzipiell zwei Kaltluftzweige aufeinander treffen können - via "Einfließen" und "Nordföhn".

3.2 Voraussetzungen

3.2.1 Synoptische Faktoren

Nordföhn in Innsbruck kann wie Föhn i.A. auf zwei verschiedenen Voraussetzungen beruhen:

Nordföhndurchbruch im Inntal ist dann begünstigt, wenn.... Im letzten Fall ist Nordföhn auch bei Warmfronten bzw. in Warmsektoren möglich (z.B. 19.1.2007, 11.11.2007), sonst meist bei Kaltfronten oder im nachfolgenden Trogsektor.

Nordföhnreiche Monate wie Februar und März (Haas 2006) sind auf das vermehrte Auftreten von Nordwest- und Nordlagen in diesen Monaten zurückzuführen, also auf starke Dynamik in Zusammenhang mit die Alpen passierenden Frontensystemen. Bei klassischen Warmfronten mit vorherigem Kaltluftsee im Inntal ist die Schichtung der Talatmosphäre oft zu stabil, um Nordföhn hervorzurufen und es gibt stattdessen kräftige Niederschläge in Innsbruck.

Bei seicht einfließender Kaltluft, wenn die Bodenkaltfront dem Höhentrog weit vorauseilt bzw. letzterer gar nicht zu den Alpen vordringt, ist die Schichtung ebenfalls zu stabil und der Taleinwind übernimmt das Windregime im Inntal. Erst ab einer gewissen vertikalen Mächtigkeit der heranströmenden Kaltluft, die die Höhe des Seefelder Sattels (höchste Punkte Brunschkopf [1510m] und Gschwandtkopf [1495m]) überströmen, kann Nordföhn einsetzen. Deshalb sind die 850hPa-Winde [Sattelniveau] bzw. 700hPa-Winde [Kammniveau] ein guter Anhaltspunkt, um die Wahrscheinlichkeit für Nordföhn abzuschätzen. Eigene Fallstudien aus den letzten Jahren zeigen, dass nicht immer eine Durchmischung mit 700hPa bzw. Zugspitzniveau vorliegt, meist aber dann mit 850hPa. Dies unterstreicht den Nordföhn als "gap flow", da die westlich und nördlich vom Inntal vorgelagerten Gebirge Höhen um 700hPa bis 750hPa erreichen, also bereits oberhalb der stabilen Schichtung liegen können.

Eine Westkomponente bei Nordanströmung begünstigt Nordföhn, da hierbei das Einfließen der Kaltluft über das Unterinntal verzögert wird, wohingegen selbst bei hochreichender Kaltluft bei reiner Nord- bis Nordostanströmung die Kaltluft zuerst in der Inntalatmosphäre ankommen kann.

Neben der Anströmung hilft auch die Betrachtung der Front- und Niederschlagssignale bei der Vorhersage von Nordföhn weiter. Ein markanter Windsprung und Druckgradient an der Kaltfront mit potentiell viel kälterer Luft im Alpenvorland und noch entkoppelter Warmluft im Inntal verschärft das Druckgefälle zusätzlich. Starke konvektive Niederschlagssignale weisen auf hochreichende Labilität und kräftigen Nordstau hin, welche den Nordföhndurchbruch im Inntal begünstigen.

Der Föhn bricht tageszeitunabhängig zunächst in Kematen südlich des Seefelder Sattels durch und erzeugt dort ein lokales Leetief. Mit zunehmender Anströmung arbeitet sich der Föhn langsam talabwärts weiter. Die Mehrheit der Nordföhndurchbrüche fallen mit dem klimatologischen Temperaturmaximum am Nachmittag zusammen. Die durch Einstrahlung hervorgerufene thermische Durchmischung löst die Entkopplung des Kaltluftsees im Inntal von der durchmischten Föhnschicht darüber auf. In den Wintermonaten erfolgt der Nordföhndurchbruch fast ausschließlich dann, wenn die Dynamik zunimmt. Auch hier ist jedoch ein Maximum um oder nach der Mittagszeit feststellbar.

3.2.2 Nordföhn und Niederschläge

In 20% aller untersuchten Nordföhnfälle fiel zusätzlich Niederschlag am Innsbrucker Flughafen, weshalb sich der Nordföhn häufig als Dimmerföhn (Kuhn 1989) bemerkbar macht. Dimmerföhn kann durch folgende Faktoren entstehen:

  1. Der Stauniederschlag auf der Luvseite wird durch die kräftige Anströmung zur Leeseite hin abgeweht (besonders Kaltfronten)
  2. Der Föhn ist in der mittleren Talatmosphäre durchgebrochen, während sich die Wolkenschicht mit dem Niederschlag darüber befindet (besonders Warmfronten)
  3. Der Föhn ist nur in der unteren Talatmosphäre durchgebrochen, während darüber hochreichende Feuchtkonvektion für schauerartige Niederschläge sorgt.
Häufig bildet sich als Folge des erwähnten Leetiefs eine markante Konvergenz zwischen Nordföhn und Talwindsystem aus, die anfangs westlich von Innsbruck liegt und mit zunehmender Anströmung und/oder hydrostatischem Gefälle talauswärts wandert. Die Konvergenz verstärkt die Hebung durch den Taleinwind vom Unterinntal kommend zusätzlich, sodass ergiebige Niederschläge die Folge sind. Nach Westen hin nehmen die Niederschläge rasch ab.

Im klassischen Fall bei hochreichender Kaltluft und Stauniederschlag am Alpennordrand ist die Nordkette tagsüber von dicken Schauerwolken eingehüllt und zeitweise regnet oder schneit es an der Nordkette und in den nördlichen Stadtteilen. Flughafen und Universität melden bei geringen oder keinen Niederschlägen mäßig bis starken Westwind. Besonders am Flughafen können dabei - kanalisierungsbedingt - Böen bis 100km/h auftreten, bei Orkantief Jeanett am 28. Oktober 2002 wurden sogar 140km/h registriert. Die Böenintensität liegt in der Mehrzahl der Fälle bei 65-80km/h. An der Universität oft deutlich schwächer.

Im weniger klassischen, aber nicht ungewöhnlichen Fall von Nordföhn mit Niederschlägen fällt am Flughafen nur selten Niederschlag bei stürmischen Westwind, während die Innenstadt schwachen Ostwind und ergiebige Niederschläge meldet (vgl. 2. Februar 2005). Mehr zu den Windverhältnissen im Kapitel 3.3 und 3.4.

Wegen den mit Nordföhn gleichzeitig auftretenden Niederschlägen eignet sich die potentielle Temperatur hier im Gegensatz zu Südföhn nicht als Tracer, um die Herkunft der Föhnluft zu bestimmen. Die subjektiven Föhnkriterien erfahren hier eine praktischere Anwendung.

3.2.3 Nordföhn und Temperaturen

Da Nordföhn zumeist an hochreichende Kaltluftadvektion gekoppelt ist, sind die Temperaturen in der Regel viel niedriger als bei Südföhn. Eine Ausnahme bildete der Nordföhn vom 19. Januar 2007, bei dem die advehierte Luftmasse so warm war, dass die Temperaturmaxima bei Nordföhndurchbruch viel höher als beim Südföhn wenige Stunden vorher waren. Durchmischung in der Talsohle wird dann erreicht, wenn die Auskühlung vor dem Nordföhn durch Wolkenabschattung und/oder fehlendem Niederschlag vermindert wurde und sich damit kein stabiler Kaltluftsee ausbilden konnte. Ist der Föhn jedoch bereits in mittleren Tallagen durchgebrochen, so wird die Föhnschicht durch turbulente Absinkbewegungen in den Kaltluftsee eingemischt und erodiert diesen zunehmend. Die Wahrscheinlichkeit auf einen baldigen Föhndurchbruch steigt, wenn sich an den Voraussetzungen nichts ändert bzw. verschlechtert.

Nordföhn mit Warmsektordurchgang bringt höhere potentielle und reale Temperaturen als bei Kaltfront- oder Trogdurchgang.

3.3 Windsituation vor, während und nach Nordföhndurchbruch

Nordföhn in Innsbruck lässt sich in drei Phasen einteilen:

3.3.1 Phase 1: Vorföhniger Ostwind

Die Satellitenaufnahme aus dem Luftbildatlas Tirol wurde mit den für Nordföhn relevanten Orten versehen, in den Karten wird der Nordföhn als gap flow durch das Gaistal angenommen, auch wenn es zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen faktischen Beweis für diese Variante gibt.

Vor dem Nordföhndurchbruch in Innsbruck strömt die von Nordwesten kommende Luftmasse über den Seefelder Sattel ins Inntal. Die stromaufwärts gelegene Ortschaft Telfes sollte - vorausgesetzt Variante 3 wird realisiert - vom Nordföhn entkoppelt bleiben. Die Kaltluftproduktion im Oberinntal sorgt hier dann für deutlich niedrigere Temperaturen und viel schwächeren Westwind. Die Wetterstation in Seefeld befindet sich in einem abgelegenen Seitental und kann daher für die Nordföhnklassifikation nicht herangezogen werden.

Zirl liegt unmittelbar am Fuß des Seefelder Sattels und damit eigentlich im Einflussbereich des Nordföhns. Im Winter 2005/2006 trat jedoch ein Fall auf, wo es in Zirl ergiebig schneite und in Oberperfuss der Nordföhn mit Regen durchbrach. Angenommen, diese Konstellation existiert häufiger, so wäre dies nicht nur ein Hinweis auf die Herkunft der Föhnluft (untermauert Variante 3), sondern auch darauf, dass die Leewellen über Zirl hinweggehen. Diese These muss noch verifiziert werden.

Durch die quasi-trockenadiabatische Erwärmung (nicht vollkommen adiabatisch wegen Niederschlägen) bildet sich um den Ort Kematen ein kleines, aber kräftiges Leetief. Der Druckfall lässt die Winde weiter stromabwärts auf Ost drehen, selbst wenn das synoptisch-mesoskalige Druckgefälle talauswärts gerichtet ist, z.B. bei Durchgang eines Tiefdruckgebiets über dem östlichen Mitteleuropa. Wenn Jenbach und Kufstein also stets Westwind melden, die Unversität Innsbruck und/oder Flughafen aber Ostwind, dann ist das ein sicheres Indiz auf einen bereits durchgebrochenen Nordföhn in Kematen und dem damit verbundenen Leetief in der Sohle des Inntals.

Einen weiteren Hinweis liefert die Station Ellbögen im unteren Wipptal. Sie meldet bei Nordföhndurchbruch eine langsam zunehmende Temperatur und deutlich erhöhte Mittelwinde und Böigkeit, die meist schwächer als bei Südföhn sind, aber sich doch deutlich von thermisch induzierten Taleinwinden unterscheiden. Da in der Nacht gewöhnlich Talauswind im Wipptal mit schwachem Südostwind herrscht, ist ein stark böiger, anhaltender Nordwind ebenfalls ein sicheres Indiz für Nordföhn, sofern keine konvektiven Prozesse beteiligt sind.

Die Föhnluft im Wipptal fließt dabei über das Mittelgebirgsplateau von Westen herein, während im Inntal noch Ostwind vorherrscht. Ist das Einfließen infolge des Leetiefs noch synoptisch durch Kaltluftadvektion von Kufstein her gestützt, so bleibt Innsbruck von West nach Ost zunehmend von der Föhnschicht entkoppelt und erfährt nach Osten hin zusätzlich teilweise ergiebige Niederschläge.

Der Radiosondenaufstieg vom 19. Januar 2007, 3 UTC, zeigt die Situation vor Nordföhndurchbruch in Innsbruck bei Annäherung einer Warmfront aus Nordwesten:

Erkennbar ist eine seichte, gesättigte Bodenschicht mit Ostwind und eine gut durchmischte Schicht zwischen 1100m und 1900m mit Nordwestwind. Darüber nimmt die Feuchte wieder deutlich zu und die Schicht verläuft bis zum Ausfall der Sonde annäherend feuchtadiabatisch. Der Nordwestwind nimmt dabei kräftig zu und erreicht Windstärke 11 in 700hPa.

Die Sondierung zeigt eine Föhnschicht in der mittleren Tatatmosphäre mit vorföhnigem Ostwind in Innsbruck und einer fast gesättigten, oberen Schicht mit Altostratus im Warmfrontbereich, aus dem es immer wieder leicht regnete. Da sich die Föhnschicht nicht bis zum Boden durchsetzen konnte, blieb die Bodenschicht entkoppelt im Ostwind. In Ellbögen wurden zeitgleich bereits kräftige Nordwinde registriert.

3.3.2 Phase 2: Nordföhndurchbruch

Mit Föhndurchbruch im Inntal verlagert sich die Bodenkonvergenz weiter ostwärts. Der Nordföhn erreicht zunächst den Flughafen, dort dreht der Wind auf 270 bis 300°, bei kräftigem Nordföhn auch mit Südkomponente (Rotoreffekte am Nockspitzmassiv). Dann bricht der Nordföhn auch an der Universität durch, meist aus 250-270°.

Weiter östlich weht schwacher Ostwind, zeitweise auch Windstille und es regnet oder schneit weiter. Nach Westen zu wird der Niederschlag hingegen sporadischer oder hört ganz auf.

Die Windkonvergenz ist dabei zugleich auch die Grenze zwischen stratiformen Niederschlag im Osten und konvektivem Niederschlag im Westen. Am Deutlichsten vor Augen geführt wurde mir das am 2. Feber 2005, als es in der Stadt starken Dauerschneefall bei 0°C gab und im Westen Schneeregenschauer und Graupelschauer fielen, die von stürmischem Westwind und +2°C begleitet waren.

Aufgrund der verengten Talsohle im Bereich des Flughafens treten hier die stärksten Windspitzen auf. An der Universität ist der Wind meist viel schwächer.

Die Nordföhnluft wird in das Wipptal Richtung Brenner abgeführt, erreicht aber denselbigen nicht zwingend.

3.3.3 Phase 3: Nordföhnende

Das Nordföhnende wird erzwungen durch...

Mit Abheben des Föhns ins Innsbruck dreht der Wind meist wieder auf Ost zurück, da sich das Leetief mit der Windkonvergenz wieder westwärts verlagert.

Zusammenfassung möglicher Windrichtungen bei Nordföhndurchbruch

Die Konstellation mit Nordföhn im Inntal und Talwindsystem lässt verschiedene Windrichtungen zu, die mit unterschiedlichen Wettererscheinungen einhergehen und in folgender Tabelle tabellarisch zusammengefasst sind:

Föhndurchbruch und Windrichtungen
Föhndurchbruch bis... Kematen Flughafen Uni Auswirkungen
Kematen West bis Nordwest Ost Ost Niederschläge in Innsbruck
Flughafen West bis Nordwest Südwest bis Nordwest Ost Schwache Konvektion im Westteil Innsbrucks, stratiform ergiebige Niederschläge im Ostteil
Uni West bis Nordwest Südwest bis Nordwest West überwiegend niederschlagsfrei, leichte Schauer oder abgewehte Fallstreifen

3.4 Nordföhn bei Warmfronten

Gewöhnlich führt Warmluftadvektion aus Nordwesten zu Aufgleiten auf einem Kaltluftsee im Inntal und damit zu stabiler Schichtung mit ergiebigen Niederschlägen. Gerade in den Wintermonaten erfreut sich das Schlagwort "Warmfront aus Nordwest" bei den Skisportlern großer Beliebtheit, da große Schneemengen bis in Tallagen garantiert sind.

Wenigstens zwei Fälle sind jedoch bekannt, wo mit Warmluftadvektion aus nördlichen Richtungen der Föhn in Innsbruck duchgebrochen ist. Den jüngsten Fall vom 19. Januar 2007 habe ich in einer sehr akribischen Föhnstudie dargelegt und zeigt eindrucksvoll, dass der Föhndurchbruch durch diese vier Faktoren begünstigt wurde:

Der zweite Fall stammt vom 02. Februar 2005 und ist insofern grenzwertig, da die Warmluftadvektion zwar mit Nordföhndurchbruch abgeschlossen war, aber kein Kaltfrontdurchgang erfolgte. Die Analyse erfolgt mit Hilfe der 500hPa + 850hPa Geopotential/ Temperaturkarten von Wetter3.

Nordföhn am 02.Februar 2005
Die Wetterlage vom 02.Februar 2005 zeigt einen Kurzwellenkeil von den Britischen Inseln bis nach Skandinavien mit einem stromabwärts sehr südlich ausgedehnten Kurzwellentrog. Der Kern des abgeschnürten Höhentiefs befindet sich über dem Baltikum. An der Westflanke des Troges ist ein schwacher Kurzwellentrog eingebettet, welcher zum gezeigten Termin gerade die Alpen überquert. Die Höhenströmung dreht dabei auf Nordwest und nimmt stark zu.

Im 850hPa-Temperaturfeld ist ein schwacher Randtrog über Westpolen erkennbar, in dem selbst kurzwellige Störungen integriert sind. Die Anströmung ist auch in dieser Höhe (rund 1500m) stärker. Gleichzeitig werden aber von Nordwesten etwas wärmere Luftmassen südostwärts advehiert, die zu einem Aufgleiten der Warmluft auf dem Kaltluftreservoir im Inntal geführt haben. Resultat waren intensive und andauernde Niederschläge im Stadtzentrum und weiter östlich mit Ostwinden, während im Westen am Flughafen und beim Stadtteil Mentlberg der Nordföhn durchbrach. Dabei gab es stürmische Böen und Graupel/Regen bei +2°C, während es im Osten bei 0°C bis Mitternacht weiterschneite - mit bis zu 50cm Neuschnee innerhalb 24h.

Weitere Fälle sind in den eigenen Fallstudien in Kapitel 7 dokumentiert.

3.5 Nordföhn bei Kaltfronten

Häufiger und klassischer ist Nordföhn in Zusammenhang mit Kaltfrontdurchgängen, da neben der starken Anströmung, den sich verschärfenden Druck- und Temperaturgegensätzen vor Frontdurchgang auch die notwendige Labilität vorhanden ist, die den Höhenwind hydraulisch absteigen lässt und die Kaltluft im Tal ausräumt.

Ein Grenzfall für Nordföhn stellt der Badewanneneffekt dar, bei dem sehr seichte Kaltluft von Norden advehiert wird und sich zunächst nördlich der Nordkette im Karwendelgebirge ansammelt. Ab einer gewissen vertikalen Mächtigkeit schwappt die Kaltluft über die Nordkette und bildet regelrechte Wolkenwalzen, ähnlich einer Föhnmauer aus, die besonders in den Karrinnen abwärts strömen. Infolge der turbulenten Abwärtsbewegung erwärmt sich die Luft trockenadiabatisch und die Wolken lösen sich auf.

Mit der im weiteren Verlauf auch über Kufstein und Jenbach einströmenden Kaltluft im Inntal bricht der Badewannenföhn dann zusammen und die Wolkenuntergrenze sinkt sukzessive bis weit unter Kammniveau ab, je nach vorhandenen Schneeflächen geschieht das recht schnell. Die Aufnahme vom 27. April 2005 zeigt einen derartigen Fall.

Zurück zum "klassischen" Nordföhn - ein Beispiel vom 16.Dezember 2005 in Zusammenhang mit Sturmtief "Dorian" über Westpolen sowie vom 09. Februar 2006 mit einer Luftmassengrenze entlang der Alpen.

Nordföhn am 16.Dezember 2005
Die großräumige Lage besteht aus einem ausgedehnten und hochreichenden Langwellenkeil auf dem Ostatlantik und einem ebenso ausgedehnten Langwellentrog über Mittel-, Nord- und Osteuropa. Zwischen beiden Druckgebieten herrscht eine sehr lebhafte Nordwestströmung in der mittleren Troposphäre. Im linken Jetauszug entwickelt sich ein kleinräumiges, aber intensives Randtief über Westpolen. Die nordwestliche Anströmung der Alpen bleibt dabei weiter sehr intensiv und kurzwellige Störungen sorgen immer wieder für Hebungsantrieb.
In der niederen Troposphäre zeigt sich ein vollausgeprägtes Sturmtief mit markantem Drucksignal an Warm- und Kaltfront. Die Nordalpen liegen dabei auch in niederen Schichten in einer starken Nordwestanströmung. Südlich der Alpen hält sich viel wärmere Luft, sodass sich entlang der Alpen ein starker hydrostatischer Druckgradient aufbauen kann.

Um 16 UTC meldet der Flughafen +6,9°C und 47km/h aus Südwest, an der Universität +5,8°C und ebenfalls Südwestwind - was auf eine relativ kräftige Strömung hindeutet, die vom Seefelder Sattel kommend auf das südlich vorgelagerte Mittelgebirge prallte und umgelenkt wurde. Nach Osten hin im föhnfreien Bereich regnete es stärker, nach Westen hin schwächer. Wegen dem zuvor vorherrschenden Kaltluftsee im Inntal brach der Nordföhn im unteren Wipptal früher als in Innsbruck durch.

Nordföhn am 09.Februar 2006
Im Seegebiet westlich von Irland bis nach Island erstreckt sich ein Höhenkeil, über Nordostdeutschland ein hochreichendes Tief mit starker Krümmung über Benelux und Nordfrankreich. Mit einer sehr lebhaften Nordwestströmung wird Höhenkaltluft nach Südosten advehiert. Aus dem Temperaturfeld in 850hPa ist ersichtlich, dass südlich der Alpen noch wärmere Luftmassen liegen und die Luftmassengrenze genau entlang der Alpen verläuft (mit niedertroposphärischer Zyklogenese).

Zwar liegen mir keine fein aufgelösten Modellanalysen vor, jedoch kann man vermuten, dass sich im Inntal selbst ebenfalls noch wärmere Luftmassen als im Alpenvorland hielten und dadurch trotz der eher schwachen Nordwestanströmung ein hydrostatisch bedingtes Druckgefälle entstanden ist. Innsbruck-Flughafen meldete um 12 UTC +3,0°C und Nordföhn.

3.6 Weitere Nordföhnereignisse

Nordföhn ist auch ohne Beteiligung einer Front möglich, nämlich dann, wenn die Anströmung zum Nordstau im Alpenvorland führt und zugehörige Höhenkaltluft die Schichtung labilisiert.

Nordföhn am 27.Januar 2007 nach einer abziehenden Okklusionsfront
Ein ausgedehntes Omegahoch über dem Ostatlantik lenkt die Frontalzone weit nordwärts über Grönland ab. Ein breiter Langwellentrog überdeckt weite Teile Nord- und Osteuropas. Zwischen beiden Druckgebieten hat sich meridional gerichteter Jetstream entwickelt, die Haupttrogachse reicht bis ins Tyrrhenische Meer. Trogrückseitig sind mehrere Kurzwellenstörungen eingebettet, die in rascher Abfolge über Mitteleuropa südwärts ziehen. Innsbruck befindet sich dabei um 12 UTC trogvorderseitig einer heranziehenden Kurzwelle über Mitteldeutschland.

Im zugehörigen Temperaturfeld ist eine Okklusionsfront erkennbar, die vom Bottnischen Meerbusen bis ins südliche Österreich reicht. Die der Okklusion zugehörige Warmluftinsel in der Höhe ("trowal") brachte zunächst stratiforme Niederschläge, mit dem kaltaktiven Teil wurden die Niederschläge dann zunehmend schauerartig. Selbst im niedertroposphärischen Druckfeld ist die zuvor genannte Kurzwelle anhand einer zyklonalen Krümmung erkennbar. Sie sorgt folglich für eine Zunahme der nördlichen Höhenströmung und für erneuten Hebungsantrieb, der sich in kräftigen Schneeschauern über Süddeutschland äußerte, die dann in weiterer Folge für Stau am Alpennordrand verantwortlich waren.

Kurz nach 12 UTC brach der Nordföhn erstmals an der Universität durch. Zuvor schneite es teilweise kräftig bei leichtem Dauerfrost. Mit dem Nordföhndurchbruch stieg die Temperatur auf +1,4°C an, die relative Feuchte fiel auf 60% ab, der Wind drehte vom vorföhnigen Einfließen auf West und nahm dabei leicht zu. Wenige Minuten später siegte jedoch wieder das Einfließen und die Schneefälle nahmen wieder an Intensität zu. Kurz nach 14 UTC brach der Nordföhn erneut und dieses Mal anhaltend bis ca. 19.40 UTC durch. Die höchsten 1min-Mittel im 10min-Intervall erreichten 11m/s und der Wind wehte recht beständig aus West. Die Temperatur stieg bis auf +2,5°C und die relative Feuchte sank auf 40% ab. Der Niederschlag hörte völlig auf.

Am Flughafen war der Nordföhn mit Spitzen bis zu über 70km/h noch eine Spur kräftiger. Mit dem Abheben des Nordföhns drehte der Wind wieder auf vorföhniges Einfließen.

Nordföhn am 26.November 2007 mit Randtrog
Ein ausgedehnter Höhenkeil erstreckt sich vom Ostatlantik bis nach Grönland. Stromabwärts lenkt ein stark amplifizierter Höhentrog feuchtkalte Luftmassen in einer kräftigen nordwestlichen Strömung nach Mitteleuropa. Innsbruck befindet sich dabei im linken Jetauszug in einer starken Nordwestströmung auch in der unteren Troposphäre. In 850hPa herrschen zu diesem Zeitpunkt Mittelwinde von 40 bis 50 Knoten am Alpennordrand. Im Temperaturfeld rechts ist ersichtlich, dass das Inntal von den bodennah kälteren Luftmassen noch nicht erreicht wurde, während der Trog in der Höhe schon schneller ist. 850hPa-Temperaturen von -6°C bzw. -17°C in 700hPa reichten für den Nordföhndurchbruch aus. Mit dem Randtrog verbunden waren zahlreiche Schneesschauer, vereinzelt auch Gewitter, die sich am Alpennordrand stauten.

In Ellbögen brach der Nordföhn um 01 UTC durch, an Flughafen und Uni jeweils um 3 UTC. Die Uni vermeldete dabei einen Feuchterückgang von 100% auf 59% und einen Temperaturanstieg von 2K auf etwa 5,2°C. Der Wind wehte aus Nord. Der Nordföhn hielt an der Uni und weiter östlich jedoch nur kurzzeitig an. Am Flughafen wurde mit dem Nordföhn ein Maximum von +5,4 um 3 UTC verzeichnet, die stärksten Böen erreichten 65km/h in der Spitze. Der Nordföhn hielt ohne Unterbrechung von 3 UTC bis 11 UTC an und schlug dann mit Einfließen der kälteren Luft vom Unterland her auf Nordost um. Ergiebige Schneemengen gab es jedoch nicht mehr.

3.7 Literaturhinweis

In seiner Diplomarbeit am Institut für Meteorologie und Geophysik in Innsbruck (IMGI) hat sich Georg Haas intensiv mit dem Thema "Nordföhn und Niederschlag in Innsbruck" auseinandergesetzt [ pdf; 2,7mb].

© Felix Welzenbach