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Bergtour zur Wilden Kreuzspitze (3132m), Südtirol,11/12.8.2011

Disclaimer: Es gibt Leser, die keine langen Texte mögen und lieber nur die Bilder anschauen. Es sei niemand verboten. Wen die Begleitumstände nicht interessieren, kann gleich zu den Bildern springen. Ich schreibe halt gerne. Jeder Bericht ist ein ganz persönliches Erlebnis.
Vorab: der Bericht wird riesig und ist in drei Teile aufgeteilt. Er besteht einerseits aus der Weg- und Gipfelbeschreibung, andererseits auch aus einer detaillierten Beschreibung der Bewölkung und daraus abgeleitet das Gewitterpotential. Ich mache das deswegen so ausführlich, weil es sich hier um einen Lehrbuchfall handelt, wie man durch bloßes Beobachten des Himmels das Gefährdungspotential, während einer Bergtour von einem Gewitter überrascht zu werden, abschätzen kann. Etwa 150 hm unterhalb des Gipfels kam eine Woche zuvor ein deutsches Ehepaar durch einen Blitzschlag ums Leben, weshalb der Aufstieg zusätzliche Brisanz enthielt - auch angesichts der Wettermodelle, die geringe Gewittersignale für das Gebiet rechneten.

Ursprünglich war die Besteigung der Kreuzspitze (3457m) im Venter Tal geplant, die sich wegen der Überfüllung der Martin-Busch-Hütte leider nicht ausging. Als Ersatzziel wählten wir - eine siebenköpfige Gruppe bestehend u.a. aus einem Meteorologen (mir), einem baldigen Meteorologiestudenten, 2 Geologie-Studenten und 2 Geographiestudenten und einem Landschaftsplanung-Studenten - die Wilde Kreuzspitze mit Übernachtung auf der Brixner Hütte. Ausgerüstet mit Spiegelreflexkamera und Kompaktkamera versprach das ein gut dokumentiertes Unternehmen zu werden. Für zwei Bergkameraden war es der erste 3000er, für mich der zweite 3000er nach dem (wesentlich schwierigeren) Habicht (3277m) am 24. September 2009.

Anreise und Eckdaten:

Für mich und meinen Kollegen begann alles am Donnerstag, 11. August, am Wiener Westbahnhof um 7.36. Von dort gings mit dem IC bis wels (9.28) und von dort weiter zu fünft mit dem Auto über Innsbruck und Brenner bis Mühlbach im Pustertal, von wo das Valser Tal nach Norden abzweigt. Um 14.40 erreichten wir nach Boxenstop an der Autobahnraststätte weer unseren Zielort am Parkplatz (1396 m) beim Talschluss, von wo es mit dem Hüttentaxi (9:00 bis 17:30) für 2,50 € den sausteilen Fahrweg mit engen Serpentinen nochmals rund 400 hm bis knapp unterhalb der Fane-Alm (1739 m), ein uraltes Almdorf, ging. Zu Fuß erreichten wir die Fane-Alm um 16.40 (nach längerer Wartezeit auf unsere deutschen Kollegen, die von Füssen her anreisten), und das Tagesziel, die Brixner Hütte (2270 m) gegen 18.00.

Am Freitag, 12. August, starteten wir um 7.30 und erreichten um 9.30 das Rauhjoch (2807m), schließlich um 10.30 den Gipfel, wo wir bis ca. 11.10 rasteten. Um 12.50 befanden wir uns bereits wieder knapp unterhalb des Wilden Sees (2538m) und um 14.20 auf der Fane-Alm. Die Rückfahrt vom Parkplatz begannen wir um ca. 16.00, um 21.00 erreichten wir nach Boxenstop an einer Autobahnraststätte nahe Kufstein Wels, und den Westbahnhof um 23.20.

  • Tag 1: 7 Std. Anreise, Aufstieg ca. 2 Std., 531 hm
  • Tag 2: Aufstieg 3 Std., 862 hm; Abstieg 3 Std. 10 min, 1393 hm + ca. 200 hm Zwischenstiegen; 7 Std. Rückreise
  • Gesamt: 14 Std. Anreise, 1400 hm Aufstieg (5 Std.) , 1600 hm Abstieg (3 Std. 10 min)

Tag 1: Aufstieg zur Brixner Hütte

Wolkenentwicklung:

Bei der Herfahrt waren vor allem über den Nordalpen mehrfach wunderschöne Cirrostratus spissatus vorhanden, die wie die ausgewehten Ambossreste (Eisschirm) eines Gewitters aussahen und sogar geringe vertikale Quellungen aufwiesen. Gewitter gab es zuvor jedoch keine, sie deuteten stattdessen auf markante Warmluftzufuhr in der Höhe hin. Immerhin stiegen die Temperaturen in 1500 m um 6 bis 8 Grad innerhalb 24 Stunden. Gleichzeitig war es auch feucht genug für Wolkenbildung und die Hebung durch die Warmluftzufuhr begünstigte die geringfügigen Quellungen selbst in hohen Atmosphärenschichten, was in Abwesenheit von Gewittern relativ selten ist.

Eine Vorhersager-Regel lautet: Eine schnelle Erwärmung geht meist mit Labilisierung, also erhöhter Gewitterbereitschaft einher. Wenn es also innerhalb nur eines Tages rasch wärmer wird, muss man auf Überentwicklungen gefasst sein.

Zudem zeigten viele Eiswolken Fallstreifen (virgae), die entstehen, wenn die Eiskristalle nach unten sinken und dabei verdunsten. Dies war auch im mittelhohen Niveau (Altocumulus floccus virgae, Ac flo vir) beobachtbar. Virgae stehen in Zusammenhang mit Hebungsprozessen, sie können in jedem Wolkenstockwerk entstehen und treten am häufigsten bei Schauer/Gewitterniederschlag auf. Die Hebung entstand hier, wie bereits gesagt, durch die Warmluftzufuhr (wärmere Luft ist leichter als kältere Luft und steigt daher auf).

In den Abendstunden verschwanden die Cs spi und machten ausgedehnten Ac -Feldern Platz, die ebenso geringfügig in die Vertikale wuchsen (castellanus), was ein Gewittervorbote sein kann. In der Höhe gab es weiterhin noch Cirrocumulus (Cc) sowie über den Bergen letzte flache Quellwolken oder Wolkenfetzen (Cumulus humilis bzw. fractus).

Fazit:

Tagsüber kräftige Erwärmung in allen Höhen und abends in allen Stockwerken der Atmosphäre genügend Feuchte vorhanden, um Wolken entstehen zu lassen. Die Feuchte im unteren Stockwerk begünstigt tageszeitbedingte Quellwolkenbildung, die Feuchte im mittleren und oberen Stockwerk ermöglicht, dass die Quellwolken selbst bei schwacher Instabilität weit in die Vertikale wachsen können (geringere Austrocknung) und das Eisstadium (Cumulonimbus capillatus, calvus und incus) erreichen können, was letzendlich Voraussetzung für Gewitterbildung (nicht aber für Schauerbildung) ist. Mit diesem Wissen ließ sich die Gewitterbildung am nächsten Tag, Freitag, gut prognostizieren

Bild 1: Am gut mit Tagestouristen gefüllten Parkplatz am Talschluss mit Blick zum Südgipfel der Rotwand (2939m) östlich der Fane-Alm.

Bild 2: Nach wenigen Gehminuten nach dem Stop des Hüttentaxis erreichten wir die Fane-Alm (1739m), malerisch eingebettet in steile Golfwiesen und einem rauschenden Bach. Rechts erheben sich die steilen Wiesenhänge der Rotwand, hinten teilt der Stilon (2416m) den Talschluss auf: Rechts entspringt der Stilonbach, links geht es durch die 'Schramme' (Klamm) entlang eines breiten Fahrwegs weiter zur Brixner Hütte. Für die meisten Tagestouristen war aber bei der gut gefüllten Fane-Alm Schluss. Ganz hinten lugt entweder Sand- (2755m) oder Rübespitz (2787m) hervor.

Bild 3: Rückblick entlang der Fane-Alm nach Süden, links die Gaisjochspitz (2641m), rechts die Kofelspitze (2261m), im Hintergrund Rosengarten.

Der Fahrweg verläuft zunächst sanft, später mäßig ansteigend durch die Klamm. Rechts neben dem Geländer geht es steil hinab zum rauschenden Bach, links begrenzt eine Felswand den Weg, von der immer wieder Quellen heruntersprudeln. Verdursten kann man hier also nicht, bei kräftigen Regengüssen ist der Aufenthalt hier aber auch nicht ratsam.

Bild 4: In der Klamm - Über den Wiesenrücken des Stilon hinweg geht der Blick zur Rotwand.

Bild 5: Ein Einblick in die Klamm

Bild 6: Rückblick durch die Klamm, markant hinten die Gaisjochspitz

Bild 7: Am Ausgang der Klamm öffnet sich das Tal, im Hintergrund thront über der "Pfann" die Rübespitze (2766m), links davon befindet sich mit dem Sandjöchl (2642 m) ein Übergang zum Großbergbach und weiter ins Pfitscher Tal, bzw. direkt nördlich der Sandspitze mit dem Pfundersjoch (2568 m) ein Übergang zur Weitenbergalm und weiter ins Pfunderer Tal.

Bild 8: Valser Bach

Bild 9: An der Abzweigung zur Labeseben-Alm (2138 m) ein Wasserfall auf 1972 m.

Von hier ab wird der Weg allmählich schmaler, aber bleibt relativ flach, erst beim letzten Aufstieg zur Hütte wird er etwas steiler.

Bild 10: Rechts die steilen, felsdurchsetzten Wiesenhänge der breiten Wurmaulspitze (3022m), , weiter hinten gabelt sich das Tal bei der Brixner Hütte (2270 m) auf.

Bild 11: An der Hütte angekommen präsentiert sich eine bizarre Hochgebirgslandschaft mit einer sanft ansteigenden Hochebene ("In der Pfann"). Der Weg zur Wilden Kreuzspitze führt ans Ende der Hochebene und dann links unterhalb des vorstehenden Felsens steil das Rauhtal hinauf. Das ist jedoch für heute kein Thema mehr. Um 18.30 ist offenbar Schluss für warme Mahlzeiten, weswegen wir noch rasch bestellen.

Bild 12: Danach genieße ich das Panorama Richtung Rosengartengruppe

Bild 13: Unterdessen zeigen sich am Himmel diverse Vorboten einer Wetterverschlechterung, z.B. dieser Altocumulus mit den feinen Schäfchenwolkengrüppchen im rechten Bildteil.

Bild 14 Oder dieser hohe Altocumulus bzw. Cirrocumulus, die auf unablässige Feuchtezufuhr in größeren Höhen hindeuten.

Bild 15 Oder diese flockigen, relativ niedrigen Altocumulusbänke, mit leichten Quellungen an der Oberseite wie im rechten oberen Bildbereich. Viel Feuchte also auch in der mittleren Atmosphäre (4-5 km).

Bild 16 Dolomiten-Panorama , mit wenigen Cirrus virgae (Fallstreifen an der Unterseite des Cirrus) sowie ein paar verstreuten Altocumulus. Man sieht (v.l.n.r:):

links rot angeleuchtet ein Teil der Langkofelgruppe mit dem Plattkofel (2969m), daneben rechts wahrscheinlich der westliche Ausläufer der Marmoladagruppe (Punta della Vallaccia und Monzoni), weiter rechts sind zwei weitere Spitzen erkennbar, die noch südlicher stehen. Hier könnte es sich um die Lagorai-Kette in den Fleimstaler Alpen handeln (ca. 90 km entfernt), weiters zentral der Rosengarten, mit dem Kesselkogel links (3004 m) und der Rosengartenspitze rechts (2981m). Dann folgt ein langgezogener, sattelartiger Kamm, der mit dem Schlern (2563m) endet. Dainter schaut mit einer Einmuldung der Latemarstock heraus mit dem Diamantiditurm (2842m).

Bild 17 Zoom auf Langkofel, Plattkofel mit Cumulus fractus

Bild 18 Weitere Altocumulus floccus, sowie netzartige Strukturen, rechts übrigens die Blickenspitze (2988m)

Bild 19 Ac flo mit castellanus-artigen Auswüchsen

Insgesamt zeigen die Wolken keine Wetterverschlechterung in den kommenden Stunden, dafür ist die vertikale Ausdehnung zu gering, die langgezogenen Bänke deuten sogar auf das Vorhandensein von Sperrschichten (Temperaturinversion) hin, die einen weiteren Aufstieg von Luftpaketen unterbinden.

Allerdings ist so viel Feuchte in der Atmosphäre verbunden mit Warmluftzufuhr und am nächsten Tag auch starker Sonneneinstrahlung und entsprechender Erhitzung der bodennahen Luftschichten unweigerlich mit einem großen Potential für Schauer und Gewitter verbunden.

Wann immer man als Wanderer abends derartige Wolken beobachtet, sollte man für die Gipfeltour am nächsten Tag rechtzeitig aufbrechen, und sich vor allem in der zweiten Tageshälfte einen Alternativplan ausarbeiten bzw. einen Unterschlupf in der Nähe haben, der blitzschlaggeschützt ist.

Weiter geht's in Teil 2:

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