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06.01.2022 Mitterberg (964m), Kalter Berg (1044m), Gaisstein (1011m) und Steinwand (886m), Gutensteiner Alpen

Eckdaten:

  • Wegführung: Ebeltal (9.50) - Amöd - Schindelbodengrat (11.40) - Atzsattel - Mitterberg (964m, 12.20) - Kalter Berg (1044m, 13.05) - Gaisstein (1011m, 13.30) - Berg - Steinwand (886m, 14.45) - Ebeltal (16.35)
  • Länge: 14,6 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 830 hm
  • Reine Gehzeit: ca. 6 Stunden

Vier Tage nach dem rekordwarmen zweiten Jänner mit 18 Grad auf der Hohen Wand (900m) zeigte sich am Dreikönigtag ein gänzlich anderes Bild: Stürmische Nordwestlage, Dauerfrost in mittleren Lagen und dazu durchziehende Schnee- und Graupelschauer. Eine nähere Betrachtung der Wetterlage kommt am Ende des Berichts.

Ich entschied mich mit Wolfgang gegen die exponierte Bucklige Welt bzw. Wechselregion und für eine Route mit längeren Waldabschnitten. Es war immer noch kalt und auch ein wenig böiger als erwartet. Bereits auf der Hinfahrt sah ich am tschechischen Wetterradar eine ausgeprägte Schauerlinie, von der ich schätzte, dass sie uns gegen Mittag erreichen könnte, sofern sie vorher nicht im Donauraum zerfiel.

Bild 1: Wir starteten bei sonnigen Auflockerungen im Ebeltal.

Bild 2: Immer neugierig.

Bild 3: Wegkapelle mit alten Linden.

Bild 4: Gehöft Amöd, links davon ein Neubau (Wohnhaus, nicht im Bild)

Bild 5: Schon etwas ältere Wandmalereien.

Bild 6: Beim weiteren Anstieg am markierten Weg blühten die ersten Schneerosen.

Bild 7: Gaisstein (974m) mit der felsigen Ostflanke.

Bei unserer Silvestertour 2015 stiegen wir über den Ostgrat zum Gipfel und über den Westgrat ab.

Bild 8: Durchzug eines kurzen Schneeschauers.

Bild 9: Gehöft Gaissteiner.

Links "Kalter Berg" (1044m), davor das verfallene Himmelsreith mit großer Weise (und Zaun), die wir später queren werden. Die Erhebung in Bildmitte trägt den Schindelbodengrat.

Bild 10: Tiefes Laub auf schmalem Steig erschwerte das Vorankommen ein wenig.

Die beiden Frauen vor uns überholten wir später, sie schauten öfters auf ihre Karte und drehten dann um.

Bild 11: Blick Richtung Schindelbodengrat, der vom markierten Weg über einfachen Waldboden erreichbar ist.

Oben am Grat wehte stark böiger Nordwestwind, geschätzte Böen mindestens 80 km/h.

Bonusbild von Wolfgang, das mich am Schindelbodengrat zeigt.

Bild 12: Araburg in einer Wolkenlücke.

Bild 13: Westgrat (I-II) des Gaissteins, dahinter links das Hocheck (1037m).

Bild 14: Zufällig erwischte ich einen überfliegenden A380er.

Bild 15: Reingupf (1065m), Hofgrabengupf (902m) und Geißgrabenhöhe (826m)

Leopold (Paulis Tourenbuch) hat die vorderen Gipfel schon einmal überschritten, aber wegen diverser Wildzäune ist von einer Nachahmung eher abzuraten. Über den Staffgraben links erfolgt die Mariazeller Wallfahrtsroute zum Kieneck (links, nicht im Bild), die wir damals 2013 gegangen sind.

Bild 16: Der Abschnitt bis zum Atzsattel ist überraschend felsig, sogar kurzzeitig etwas abschüssig mit Seilsicherung.

Ab dem Atzsattel verließen wir den markierten Steig und gingen scharf links weiter. Zunächst folgten wir Steigspuren, die auch von Wildwechsel stammen konnten.

Bild 17: Dann über Steilgras hinauf ...

Bild 18: ... zum aussichtslosen Mitterberg (964m).

Dort gab es entlang des Wildzauns wieder einen gut ausgetretenen Steig. Zum Schluss weglos in den Sattel vor dem Kalten Berg. Hier fanden wir nach kurzer Suche den aufgelassenen Ziehweg, im unteren Teil aufgeforstet mit Jungnadelwald, oben eine angenehme Wiesenrampe.

Bild 19: Aussicht zum Unterberg (1342m) mit dünner Neuschneeauflage.

Bild 20: Nach weiteren dreißig Höhenmetern Steilhang standen wir am Westgipfel des Kalten Bergs (1044m).

Bild 21: In einem Gurkenglas befand sich das Gipfelnotizbuch.

Der letzte Eintrag stammte vom 6. November 2021, daneben lagen lose Blätter mit dem Hinweis auf gestohlene Gipfelbücher auf weiteren Gipfeln in der Umgebung. Wer tut sowas?

Bild 22: Im Abstieg übersahen wir den Ostgipfel, dafür fanden wir dieses Rostglumpat.

Bild 23: Noch ein Gaisstein (1011m) laut OSM - die Miniaturausgabe seines großen Bruders gegenüber.

Die Bewölkung hatte sich inzwischen verdichtet, die wärmenden Sonnenstrahlen fehlten und ich fror ziemlich. Rechtzeitig fiel mir ein, dass ich neben meiner Winter-Softshell-Jacke noch eine Merinofleecejacke dabei hatte. Die Zwischenschicht wärmte ausreichend.

Bild 24: Zoom vom kleinen Gaisstein zum großen Gaisstein (13.30 MEZ)

Erst beim Sichten der Bilder zuhause fiel mir bei starker Vergrößerung auf, dass sich am Gipfel gerade ein Rettungseinsatz abspielte! Mehrere Personen befanden sich am Gipfel, darunter eine Trage, mit der ein offensichtlich verunfallter Berggeher abtransportiert wurde. Über die steile Südflanke führt ein unmarkierter Steig, der unterhalb des Gipfels einmündet. Möglicherweise ist die Person dort abgestürzt, eventuell durch eine heftige Böe des exponierten Gipfels. Wir hatten vorher noch geredet, dass wir heute nichts versäumen würden, den Gipfel bei diesen Bedingungen auszulassen.

Bild 25: Der höchste Punkt des Gaissteins (1011m).

Nach kurzer Pause stiegen wir zum Gehöft Berg ab, das wir vom Aufstieg zum Almesbrunnberg bei der Silvestertour 2016 schon kannten.

Bild 26: Kompakte Bewölkung Richtung Schneeberg.

Etwa zu dem Zeitpunkt kam eine Whatsappmeldung, dass bei St. Pölten Blitzentladungen registriert wurden.

Bild 27: In vier Tagen von Frühlingswärme zu gefrorenem Wasserlauf.

Bild 28: Die riesigen Weiden beim 'Berg', dahinter die Hohe Wand links und Geländ mittig.

Im Vordergrund Martersberg (918m) und Dürre Wand. Der Felsen im Wald rechts ist der Eich (808m), den ich bei meiner Umrundung des Schärftals 2016 bestiegen habe. Ach ja, Fallstreifen erster Graupelschauer am Horizont.

Bild 29: Und so erreichten wir just den höchsten Punkt der Steinwand (886m), als ein heftiger Graupelschauer mit Sturmböen einsetzte.

Bild 30: Wir warteten ein paar Minuten ab, bevor wir uns wieder an die Felskante wagten.

Im Radar sah ich ein längliches Schauerband mit scharfer Vorderkante und moderatem Niederschlag dahinter. Nicht sehr breit. Das sollte bald durchgezogen sein.

Bild 31: Bei nachlassendem Graupel gingen wir weiter auf einem wunderschönen Kammweg.

Bild 32: Dünne, aber nicht rutschige Graupel- und Schneeauflage.

Bild 33: Immer wieder schöne Felsabbrüche und Tiefblicke an der Steinwand.

Bild 34: Graben mit dem Steinwandbach.

Bild 35: Gaisstein, Sirnitzgupf und Hocheck.

Der Schauer ließ rasch nach, hinterm Hocheck bereits wolkenloser Himmel.

Bild 36: Ausrutscher verboten.

Bild 37: Kienberg (681m) und Peilstein (716m) mit Felswand nach Westen.

Im Hintergrund links der Wienerwald bei Wien, zu sehen ist der Sender am Kahlenberg.

Bild 38: Nachschlag: Nach unten gestülpte Fallstreifen über dem Sirnitzgupf.

Bild 39: Nahaufnahme:

In dem schleifenden Wolkenband verborgen war eine zweite Schauerzelle, die nochmal für Graupel und später großflockigen Schneefall sorgte. Das sprach für weitere Abkühlung in der Höhe, sodass der Gehalt unterkühlten Flüssigwassers (Voraussetzung für Graupel)) zugunsten von Eiskristallen abnahm.

Bild 40: Weiter am flachen Kamm.

Bild 41: Für mich der schönste Abschnitt und auch ohne Sonne mystisch schön.

Wir überlegten kurz, den Steig Richtung Pograbauer zu verlassen, aber steile Flanken und dünne Schneeauflage hätten das möglicherweise mühsamer gemacht. Zudem blieb der Steig durchgehend gut begehbar.

Bild 42: Blick zum Gehöft Amöd, dahinter Mittagskogel (862m) und Kienberg (791m).

Bild 43: Inzwischen große Schneeflocken, aber gute Sicht zum Gaisstein.

Bild 44: Teils knietiefes Laub, weiter oben verbargen sich darunter noch Reste von Schneewechten.

Bild 45: Im Ebeltal, gegenüber Amöd und Ruhberg (634m) rechts mit dem Steinbruch, gegenüber dem wir parkten.

Auf den letzten Metern überflog uns ein Hubschrauber des ÖAMTC, der über dem Tal kreiste und dann wieder zurückkam.

Bild 46: Er setzte sich auf die Wiese und wartete, bis eine Kolonne von Fahrzeugen ankam (16.20 MEZ):

Links die Bergrettung Triestingtal und ein Krankenwagen, von dem der Patient auf den Hubschrauber umgeladen wurde. Zu dem Zeitpunkt hatte der Wind deutlich nachgelassen. Vermutung: Für eine Seilbergung war es zum Rettungszeitpunkt (13.30 MEZ) zu stürmisch. Zwischen 14.30 und 15.45 MEZ zog das kräftige Schauerband mit schlechter Sicht und stürmischen Böen durch, da konnte der Hubschrauber nicht landen. Erst mit Abzug des letzten Schauers hatte er die Möglichkeit.

Das war spannend und zugleich betroffen zu beobachten. Bisher gibt es in den Nachrichten und auf der Facebookseite der Bergrettung Triestingtal noch keine Einträge, was geschehen ist. Für mich als Flugmeteorologe ein durchaus lehrreiches Erlebnis. Daher auch die kleine Wetteranalyse im Anschluss:

Bild 47: Großwetterlage:

Ein abziehender breiter Trog über Osteuropa mit Kern Russland und abgeschnürtem Höhentiefkern über Sardinien. In die breite Trogachse sind kleinere Trogachsen eingezeichnet - relevant ist die zweite über Tschechien bis Oberösterreich. Zudem sichtbar die Radarsignale des Schauerbands, das um 16 Uhr vom Innviertel bis zur Buckligen Welt reichte.

Bild 48: Wasserdampfbild:

Die Haupttrogachse war mit einem markanten Gradienten im Wasserdampf verbunden (hell = feucht und hochreichend, dunkel/gelb: trocken, niedrigere Wolkenobergrenzen), der Seitentrog zeigt sich nochmal als feiner Gradient, wenn man weiß, wo man schauen muss. Die Schauerlinie war hochreichend genug (ausgemessen: Flight Level 160, ca. 5km Höhe), um als etwas feuchteres Band zu erscheinen (blau im gelb).

Beide Bilder erklären den großräumigen Antrieb für die Schauerlinie (Hebung), dazu kam eine bodennah konvergente Windströmung mit Nordwestwinden nördlich der Donau und Westsüdwestwinden entlang der Donau, wodurch sich das zunächst zerfledderte Schauerband über Tschechien nochmal intensivieren konnte.

Bild 49: Zweite Zutat: Instabilität.

In 500 hPa (ca. 5,5km Höhe) zeigte sich ein sogenannter thermischer Trog, also nicht durch Luftdruckänderungen wie der "Geopotential-Trog" von Bild 47, sondern durch lokale Temperaturabnahme mit der Höhe. Die Achse mit der Höhenkaltluft reichte von Niederösterreich über Polen bis zum Baltikum. In Lokalmodellen lag sie teilweise etwas westlicher. Die Höhenkaltluft labilisierte die untere Atmosphäre, was für den Schauercharakter sorgte. Die Spitze der kältesten Luft streifte das Tullnerfeld und erklärt auch den Blitz bei St. Pölten. Weiter westlich und südlich war es in der Höhe nicht mehr kalt genug, um Gewitter zu erzeugen.

Bild 50: Schauerlinie im sichtbaren Satellitenbild:

Dahinter war es völlig wolkenlos, davor zu erkennen der typische flache Nordstau mit abnehmenden zyklonalen Einfluss (Luftdruckanstieg am Boden).

Bild 51: Vergleich Radarbild (links) und Prognose von ICOND2 (Lokalmodell mit 2km Gitterpunktsabstand).

Die Prognose von Dreikönig, 00z (abrufbar in der Früh) zeigte das Schauerband ziemlich exakt dort, wo es in der Realität dann lag. Die Prognose von 03z und 09z war ebenso recht gut, nur um 6z rechnete das Modell mehrere Schauerstaffeln statt eines längeren Bandes. In Summe aber hervorragend erwischt, also gut vorhergesagt (ich hab nicht drauf geschaut, weil das bisschen Schnee und Graupel nicht unangenehm war und uns nicht weiter beeinträchtigten sollte).

Der EZWMF-00z-Lauf hatte das Schauerband ebenfalls gut erfasst und dazu Tops von FL140 gerechnet, mit Overshooting auch FL150. Aus den Obergrenzenradarechos hab ich FL160 herausgemessen. Bei St. Pölten gab es um 13.55 Uhr MEZ einen Blitz.

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