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27.06.2021 Schober (1213m) und Öhler (1183m), Gutensteiner Alpen

Eckdaten:

  • Wegführung: Puchberg Bf. (9.05) - Haltbergtal - Öhlerhansl (9.50) - Schoberkapelle (11.00) - Schober (1213m, 11.40) - Öhler (1183m, 12.35) - Öhlerschutzhaus (12.55-14.10) - Haltbergtal - Puchberg (15.30)
  • Länge: 16,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 730
  • Reine Gehzeit: ca. 5 Std.
  • Viecher: Katze

Tour mit A. Danke für die Begleitung und Mitfahrgelegenheit!

Wetterlage: Bis Donnerstag sahen die Wettermodelle einen stabilen Sonntag mit geringer Quellwolkenentwicklung. Am Freitag dann der Schwenk zu Gewittern im Rax-Schneeberg-Gebiet. Sonntagmorgen prüfte ich nochmal die Lokal- und Globalmodelle und sah ein sehr unterschiedliches Bild, wobei das europäische EZWMF-Modell und das deutsche ICON am progressivsten Niederschlagssignale ab etwa 13 bis 14 Uhr über der Region zeigten. Andere Modelle mit keinen nennenswerten Signalen.

Egal, was die Modelle zeigen, der Himmel lügt nicht.

Bild 1: Bei der Anfahrt mit dem Zug bis Wiener Neustadt jedenfalls schon verdächtige Wolken: Altocumulus castellanus.

Das hieß, in mittleren Höhen (2 bis 8km) genügend Feuchte für Wolkenbildung und die cumuliformen vertikalen Auswüchse deuteten auf Labilität in dieser Höhenschicht hin.

Bild 2: Bei der Weiterfahrt nach Puchberg zeigt sich ein Bild, das man als Wanderer nicht sehen möchte, nicht so früh jedenfalls und schon gar nicht, wenn man etwas weiter hinaufgehen möchte:

Der Schneeberg bereits in Quellwolken. Keine Restwolken (Stratocumulus), sondern anständige vertikale Quellungen, die auf genügend Auftrieb in der Schicht zwischen ca. 1500m und 2500m hinweisen. Mit den Wolken von Bild 1 lässt sich also sagen, dass von den Bergen ausgehend bis in große Höhen genug Labilität und Feuchte vorhanden war, um Gewitterbildung zu initiieren und aufrechtzuerhalten.

Damit war klar, die gleich lange Runde ab Losenheim über Mamauwiese und unterhalb des Öhlers und Schobers zurück schied aus, denn dann hätten wir nach der Einkehr im Schutzhaus erst die Hälfte der Strecke geschafft. Günstiger war die ursprüngliche Variante, auch mit längerem Straßenanteil über das Haltbergtal, dafür nur kurzem Abstieg ab dem Schutzhaus und dann gleich bei den Häusern.

Bild 3: Unmittelbar vor Puchberg immer noch beachtliche Quellwolken und wie mit dem Lineal gezogene Wolkenuntergrenze.

Auch ein drittes verräterisches Anzeichen zeigt sich hier: Ein stark verbreiteter Kondensstreifen, der feuchte Luft auch in größeren Höhen (8-11km) andeutet. In Summe also hochreichend feucht und labil. Es sprach nicht wirklich etwas gegen Gewitter.

Bild 4: Am Weg ins Haltbergtal (Schoberbach), rechts der Haltberg (1114m).

Bild 5: Gaisbock beim Öhlerhansl

Bild 6: Zufallsfund am Wegesrand: Pyramidenhundswurz (Anacamptis pyramidalis)

Bisherige Sichtungen: Am Südhang des Hohen Hengstes und im Bereich der Roten Wand (Gahns).

Bild 7: Fuchs’ Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii)

Bild 8: Zwischendurch Abkühlung im Schoberbach.

Die Gegend ist zumindest mit ausreichend Niederschlag gesegnet, es gab auch mehrere Wasseraustritte rechts vom Forstweg, die normalerweise keine Quellen sind.

Bild 9: Baum mit Cumulus congestus.

Bild 10: Rast bei der Schoberkapelle.

Es sind zwar immer noch größere Quellwolken vorhanden, aber dazwischen mehr Wolkenlücken. Die Wolkenuntergrenze hat sich angehoben, nachdem die Luft im Puchberger Becken durchmischt wurde (das heißt, die sehr feuchte Luft in Bodennähe hat sich mit trockenerer Luft in der Höhe gemischt).

Bild 11: Teufelskralle.

Bild 12: Ausblick von der steilen Schoberwestflanke zum Donnerkogel (1617m) und Lahnberg (1594m) links und Perschkogel (1613m) und Schwarzauer Gippel (1605m) rechts.

Im Vordergrund der mehrgipfelige Kohlberg (1085m).

Nächste Lektion in Sachen Gewitterkunde: Einzelne freistehende Quellwolken sind oft nicht das Problem. Die Umgebung ist wolkenlos, also trockene Luft, die von allen Seiten in einzelne Quellwolke eindringt (Entrainment genannt) und sie schlank hält bzw. wieder auflöst. Anders, wenn es viele benachbarte Quellwolken gibt, die die Umgebung feucht halten und so vor Austrocknung schützen. Dann können manche von ihnen langlebig genug sein, um sich zum Gewitter weiterzuentwickeln.

Bild 13: Ausblick nach Nordwesten zum Hutberg (1170m).

Vor Ort fälschlicherweise als Nebelstein tituliert, aber der befindet sich weiter rechts.

Bild 14: Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis).

Diese Orchideenart ist ein Vollschmarotzer und produziert fast kein Chlorophyll. Von der Keimung bis zur Blühreife dauert es neun (!) Jahre.

Bild 15: Orchidee Nummer 3: Weiße Höswürz, auch Weiß-Züngel (Pseudorchis albida)

Ich bin die Strecke schon lang nicht mehr gegangen, zuletzt vor acht Jahren, da gleich zwei Mal hintereinander (März mit Schneeschuhen, April als Frühlingswanderung). Nette Felstürme bereits beim Schober, dann eine lange Querung an senkrechten Felswänden vorbei.

Bild 16: Überhängende Felsen beim Anstieg zum Schober.

Bild 17: Stein-Nelken.

Bild 18: Ausblick vom Schober nach Norden in die Gutensteiner Alpen

Die Quellungen sind zwar noch flach, aber in Bildmitte als auch ganz links gibt es immer wieder kleine Türmchen. Dennoch war es generell nach Norden zu stabiler.

Bild 19: Ausblick vom Öhler zum Schneeberg..

Im Vordergrund der Marecherkogel und Größenberg (1188m). Immer noch wohltuend viele Lücken bei den Quellwolken. Keine unmittelbare Gefahr.

Bild 20: Felsen am Anstieg zur Dürren Wand.

Bild 21: Einäugige Katze. Fast blind, das andere Auge blau.

Gar nicht scheu, eher unsicher, ließ sich gerne streicheln.

Bild 22: Öhler-Knödel mit Speck und Salat. Das Kraut war bissl zu stark gewürzt.

Bild 23: Unterhalb der Terrasse sonnt sich ein Kleiner Fuchs (Aglais urticae)

Bild 24: Wenn die Katzen tief liegen, kommt ein Gewitter.

Nach der Stärkung auf der Hütte, viel war nicht mehr los, stiegen wir über den Forstweg ab.

Bild 25: Zuvor noch ein Blick nach Norden. Hinter flachen Quellwolken verbirgt sich ein ausgewachsener Cumulonimbus (Gewitterwolke).

Bild 26: Der Vergleich mit dem Satellitenbild bestätigt den Anfangsverdacht:

Die Gewitterwolke befand sich in rund 100km Entfernung nordwestlich über dem Oberen Waldviertel. Wenn man die Tonwertkorrektur stark anpasst, sieht man deutlicher die flachen Quellwolken im Vordergrund und die hübsche vereiste Quellwolke (Cumulonimbus capillatus). Auch vom Mariazellerland bis Schneeberg größere Quellwolken.

Bild 27: Im 19. Jahrhundert erbaut und unter dem Namen "Zum guten Tropfen" geführt, heute ein Ferienhaus.

Bild 28: Dann ging es unmittelbar südlich von uns plötzlich schnell. Ein breiter und hoch hinaufschießender Cumulus congestus.

Bild 29: Innerhalb von Minuten erreicht er das Vereisungsstadium und bald hören wir den ersten Donner.

Zu dem Zeitpunkt waren wir schon im unteren Drittel des Grabens und erreichten mit den ersten Regentropfen den Parkplatz.

Bild 30: Das zugehörige Radarbild von 15.15 MESZ:

Die südliche rote Zelle zwischen Puchberg und Ternitz ist die Gewitterzelle von Bild 28 und 29. Von Rohr im Gebirge her näherte sich eine zweite Zelle, die, als wir am Parkplatz ankamen, bereits für Regen im Bereich des Öhlerschutzhauses sorgte. Auf der Rückfahrt hüllte sie die Berge vorübergehend düster ein mit Starkregen.

Bild 31: Nomen est omen, kräftiger Regenschauer mit Gewitter über dem südlichen Steinfeld.

Dabei gab es auf der Rückfahrt auch kräftige Böen. Wiener Neustadt meldete um 16.40 MESZ eine Windböe mit 63 km/h. Richtung Semmering muss es heftiger gewesen sein, hier stürzte ein Baum auf die Oberleitung, sodass der Zugverkehr vorübergehend blockiert war.

Bild 32: Bleibt die Frage nach dem Warum:

Links der beobachtete Aufstieg in Wien, darin eingezeichnet die gemessene Wolkenobergrenzentemperatur der Wiener Neustädter Zelle. Die Schichtung ist im mittleren Bereich etwas trocken, aber die Aufstiegskurve geht bis relativ weit hinauf, wenn man vom Bodentaupunkt aus startet. Die Windscherung ist eher schwach in den untersten 6km, mit schwachem Nordostwind am Boden und maximal 20kt in 5739m Höhe. Erst oberhalb von 9000m Höhe wird der Wind deutlich mehr, mit über 40kt Nordwestwind.

Rechts ein Vorhersage-Aufstieg vom 27. Juni 2021,12z-Lauf für 14z (16 Uhr) für Wiener Neustadt. Die Unterschiede sind gar nicht so groß. Die Inversion ist vielleicht ein wenig schwächer, die Aufstiegskurve geht jedenfalls genau zur gemessenen Obergrenze.

Übersetzt für den Laien: Die Atmosphäre war bodennah feucht genug und hochreichend labil. Dadurch konnten die Cumuli das Eisstadium erreichen und Gewitter sind entstanden. Der etwas stärkere Höhenwind im Bereich der Ambosswolke ("anvil layer") begünstigte, dass Auf- und Abwindbereiche der Gewitterwolke getrennt blieben, sodass sie etwas länger lebten, als sie ins stabiler geschichtete Flachland hinauszogen.

Bild 33: Wasserdampfbild von Sonntag, 27. Juni 2021, 15:45 MESZ:

Im Wasserdampfbild sieht man wenig....ein Höhentief über der Bisakya mit einer Warmfront über Deutschland und einer Kaltfront über Frankreich. Die Gewitter am Alpenostrand befinden sich in der Verlängerung der Warmfront. Besser sah man es in einer Höhenwetterkarte (300 hPa Geopotential). Da befand sich eine kleine Delle im Keil, geht auch nicht anders. Der Altocumulus muss einen äußernen, externen Antrieb haben.

Zugegeben, keine einfache Lage, jedenfalls auch für Fachleute nicht gut erkennbar, warum es ausgereicht hat. Für den Laien ist es letzendlich auch egal, entscheidend ist, dass die Wolkenentwicklung in der Früh die entscheidenden Anzeichen gegeben hat.

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