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19.06.2021 Krummbachstein (1602m) über Kuhsteig, Gahns/Schneeberg

Eckdaten:

  • Wegführung: Kaiserbrunn (526m, 8.15) - Kuhsteig - Krummbachsattel (1333m, 11.30) - Krummbachstein (1602m, 12.30) - Alpenfreundehütte (1568m, 12.35-13.00) - Krummbachstein (13.10-13.20) - Knofeleben (14.15-15.34) - Eng - Payerbach (17.45)
  • Länge: 15,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1180
  • Reine Gehzeit: ca. 7 Std.
  • Viecher: Schmetterlinge
  • Zeckenstatistik: 0

Tour mit Wolfgang und Günter und versetzten Autos. Dadurch konnten wir schon um 6.40 in Wien starten. Gute Stunde Fahrtzeit bis Payerbach-Reichenau Bf. Ausgangslage: Alle Lokalmodelle rechneten seit Tagen kaum nennenswerte Niederschlagssignale am Alpenostrand, und wenn, eher Richtung Steirisches Hügelland. Die Globalmodelle GFS und EZWMF seit Tagen zumindest geringe Signale, die aber schon recht zeitig bis 11 Uhr Lokalzeit. Nachmittags nicht unbedingt mehr werdend, aber auch nicht völlig niederschlagsfrei.

Normalerweise haben Lokalmodelle die Lage besser im Griff, aber die Wetterlage war nicht ganz einfach. Mehr dazu später.

Bild 1: Bei der Anfahrt jedenfalls schon verdächtige Wolken: Altocumulus floccus und castellanus.

Diese Wolken haben an einem stabilen Sommertag grundsätzlich nichts am Himmel verloren. Sie können um diese Uhrzeit, es war 7:20 Uhr, noch nicht durch die tageszeitliche Erwärmung entstanden sein, und mittelhohe Wolken brauchen immer einen externen Hebungsantrieb. Das hieß aber, dass je nach Stärke der Absinkinversion ein Gewitterrisiko vorhanden war. Später verschwanden die Wolken wieder und der frühe Vormittag verlief wolkenlos, bzw. sah man keine Wolken im Wald oder im engen Graben von Felswänden umgeben. Ein guter Wanderer oder Bergführer wird daher schon bei der Anfahrt aufmerksam auf den Himmel achten, um derartige Gewittervorboten zu entdecken.

Ein schlechter Wanderer wird später sagen "aber im Radio haben sie trocken angesagt" oder "meine App zeigte nichts."

Bild 2: Blick von Kaiserbrunn auf die Brettschacherspitze (925m).

Bild 3: Der Fahrweg im Krumbachgraben wurde durch schwere Unwetter am 12. Juni 2018 im Rax-Schneeberg-Gebiet an einigen Stellen gänzlich zerstört.

Damals fielen an einem Tag 116 Liter pro Quadratmeter (z.B. in Puchberg). Radarsummen lassen teilweise Mengen bis 150 Liter in 3 Stunden vermuten.

Bild 4: Links geht es weiter in den Krumbachgraben, rechts zum Kuhsteig.

Bild 5: Alpen-Steinquendel (Acinos alpinus)

Bild 6: Kugelige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare)

Bild 7: Schöner schattiger Anstieg durch eine auch im Sommer reizvolle Umgebung.

Bild 8: Saftiges Grün bei den Felswänden. Vor fünf Jahren war ich dort im Herbst, da war mehr Schatten und weniger Fotolicht.

Bild 9: Rückblick in den Graben.

Bild 10: "Schlüsselstelle": Das steilste Stück geht über eine allmählich zuwachsende Schotterreise.

Bild 11: Der Weg legt sich zurück und Reste einer Gams kommen zum Vorschein.

Bild 12: Der relativ ebene und weitläufige Waldboden gefiel mir schon damals gut.

Bild 13: Mit mächtigen Fichten, die schon standen, als die Kühe noch hier zur Schloßalpe heraufgetrieben wurden.

Bild 14: Ausblick am Fuß der Bretterbodenmauer (1170m) Richtung Rax-Bergstation und Gsolhirn (links).

Im Hintergrund durchaus mächtige Quellwolkenentwicklung (Cumulus congestus), vor allem in der Breite ein gewisses Alarmzeichen, weil so schirmen sich die Quellwolken gegenseitig von der Zufuhr trockener Luft ab und können weiter anwachsen. Das war um 10 Uhr 30, also eine halbe Stunde vor den von den Globalmodellen gezeigten ersten Niederschlagssignalen.

Bild 15: Günter klettert noch ein Stück weiter rauf.

Ich blieb wegen dem Gebrösel lieber unten. Vor fünf Jahren hatte ich mich nicht mal dahin getraut, wo ich das Foto gemacht habe, weil es doch ein wenig ausgesetzt ist.

Bild 16: Ausfluss des Saugrabens vom Schneeberg in den oberen Krummbachgraben, ganz rechts oben der -sattel.

Bild 17: Im Graben angekommen rächt sich die kurze Hose. In dem sonstigen Gewächs sind zahlreiche Brennnesselstauden versteckt (Bild von Günter)

Die Quellwolken über dem Raxplateau schauen noch harmlos aus.

Bild 18: Auch beim Wildtyp herrschte schon Maskenpflicht.

Bild 19: Beim letzten Mal hab ich sie übersehen samt Schild: Die Johannesquelle - dieses Mal eher Lacke denn Rinnsal.

Bild 20: Ein Greiskraut (Senecio spec.)

Bereits weiter unten im Graben hatte ich ein, zwei Tropfen gespürt. Als wir die letzten Meter zum Krummbachsattel hinaufgingen, fielen einzelne große Tropfen.

Bild 21: Blick zum Wiesenhang, wo der Emmysteig beginnt.

Am Fuß stand das Baumgartnerhaus (1447m), von dem nur noch die Grundmauern erhalten sind. Die erste Hütte aus Holz wurde 1839 errichtet und brannte 1850 ab. 1880 wurde der Wiederaufbau vergrößert und eingeweiht. 1884 übernahm das Ehepaar Kronich die Pacht und wohnte dort ganzjährig mit ihren fünf Kindern, darunter auch der "Raxkönig" Camillo Kronich. 1980 wurde das Haus wegen notwendiger Renovierungen und Umweltschutzauflagen dauerhaft geschlossen und im Jahr 1982 abgerissen.

Die Quellwolke im Hintergrund schaut schon ganz ordentlich aus. Die vertikale Ausdehnung ist aus dieser Perspektive schwer abschätzbar. Der leichte Regenschauer dauerte jedenfalls nur wenige Minuten. Ein weiteres Alarmsignal, denn die Atmosphäre war feucht und labil genug, um Regentropfen entstehen zu lassen. Von der Uhrzeit her passte es jedenfalls genau zu den ersten prognostizierten Niederschlagssignalen.

Bild 22: Rückblick in den Krummbachgraben, dahinter Wasserofensattel (1118m) und Brandschneide (1165m) sowie Stadelwandsattel (1124m) und Hochgang (1217m).

Bild 23: Am Fels unterhalb sonnte sich ein Kleiner Fuchs (Aglais urticae)

Bild 24: Zoom zur Fischerhütte mit ein paar Wanderern auf der Gipfelwächte. Bedrohlich dunkles Himmelsbild.

Bild 25: Auf der Wiese mit der Alpenfreundehütte (1569m).

Die hatte tatsächlich offen. Ich war seit zehn Jahren regelmäßig am Krummbachstein, aber offen war die Hütte noch nie. Allerdings war ich selten am Wochenende dort. Es gab kalte Getränke und einfache Jausen. Sogar übernachten kann man dort.

Der Cumulus congestus in Bildmitte hat nun schon ein anderes Kaliber. Insgesamt wirkte das Himmelsbild nun schon sehr labil.

Bild 26: Vermutlich Grünader-Weißling (Pieris napi) auf irgendwas schönem.

Bild 27: Über dem Schneeberg breitet sich eine immer dunklere Wolke aus.

Dann geht es sehr schnell. Innerhalb von Minuten, wir haben noch nicht mal das Gipfelkreuz erreicht, tauchen im Nordosten über der Station Baumgartner helle Fallstreifen auf, die immer dichter werden und sich in unsere Richtung ausdehnen. Ich sagte, wir haben jetzt zwei Möglichkeiten, entweder gehen wieder zur Hütte zurück, oder wir werden nass. Günter meinte noch, im Wald würde vielleicht ausreichen, um Schutz vor dem Regen zu haben. Günter war erst noch vor mir und dann war er weg. Ich ging weiter zur Hütte, zumal ein Gewitter auch nicht ausgeschlossen war und mir das Gelände zu exponiert. Dort empfingen uns die Wirtsleute. Wolfgang und ich stellten uns im Nebenraum unter, in der Stube wars ein bisschen laut, und es ist doch ungewohnt, so ohne Maske drinnen. Impfung hin oder her. Beide Wirtsleute, anscheinend in Wien wohnend, erkundigten sich bei uns wegen 3G-Nachweis und schwörten "Bei uns halten sich alle an die Regeln, die Gspritzten wohnen alle im Tal!"

Ich versuchte derweil Günter ein Whatsapp zu schicken, wo wir waren. Es donnerte dann auch ein paar Mal, entfernte sich aber deutlich vom Standort.

Bild 28: Nach zwanzig Minuten gelang mir dieser Schnappschuss von der Gewitterwolke.

Schmaler Aufwindbereich, bei dem man links und rechts durchsehen konnte und ein nicht scharf abgegrenzter Schirm. Das deutete auf Abschwächung hin. Tatsächlich hörte der Regen auf, Günter kam zum Vorschein. Wir tranken unser Radler leer und gingen abermals zum Gipfel

Bild 29: Vom Gipfel sah man weitere Gewitterwolken im Aufbau über den Fischbacher Alpen. Über uns der ausgedehnte Ambossschirm.

Anfangs wehte noch ein lebhafter Nordwestwind, angenehm kühl.

Bild 30: Normalerweise würde ich nicht ruhig unter einem Gewitterschirm an einem Gipfel sitzen, außer ...

...der Schirm hat sich schon von der Basis gelöst wie hier. Es gab keine Verbindung mehr zur Wasserwolke und damit keine Ladungstrennung bzw. Blitzenladungsgefahr mehr. Die Quellwolke im Vordergrund war eine Neubildung ohne Kontakt zur Ambosswolke. Weitere Quellwolken und beginnende Gewitterwolken befanden sich schon deutlich weiter südöstlich. Im Bereich der Eng stiegen Stratusfetzen auf, dort hatte es kräftig geregnet, was den Rückweg durch nasse Wurzeln und schmierige Steine etwas beschwerlicher machte als sonst.

Bild 31: Sonnenschein oberhalb der Erlwiese. Eindeutige Hauptwindrichtung.

Bild 32: Die größten Quellwolken blieben jetzt in komfortabler Entfernung südlich.

Bild 33: Knapp nördlich von uns hatte sich ein weiterer Schauer gebildet, der aber ebenfalls sehr schmal blieb und sich rasch wieder auflöste.

Bild 34: Falter auf vmtl. Kiesel-Stängellos-Leimkraut (Silene acaulis susp. exscapa)

Bild 35: Clusius-Enzian (Gentiana clusii)

Bild 36: Herzblättrige Kugelblume (Globularia cordifolia)

Bild 37: Mannskabenkraut

Bild 38: Mannsknabenkraut (sicher bin ich mir bei beiden nicht, Blütenform ist unterschiedlich)

Bild 39: Das ist hingegen eindeutig: Hirschbratwürstel mit Braterdäpfel und Sauerkraut.

Küche ausgezeichnet wie immer.

Bild 40: Von der Terrasse ließ es sich nun sehr entspannt beobachten, wie die Gewitterwolken in einiger Entfernung wuchsen und wieder zusammenfielen.

Bild 41: Akelei

Bild 42: Am Beginn des Lackabodengrabens werden neue Holzriesen gebaut.

Bild 43: Frische Abbruchkante.

Sehr stabil schaut das noch nicht aus.

Bild 44: Der Schutthaufen war im Jänner noch nicht da.

Bild 45: So a schas (mit Pantherspanner, Pseudopanthera macularia).

Bild 46: Sehr vorbildlich - man bereitet sich schon auf eine Vampirplage vor.

Bild 47: Auf den Körbchenhund war Verlass, ich hatte mit seiner Anwesenheit spekuliert.

Bild 48: Aus dem Schlafhund wurde ein Wach-Hund.

Bild 49: Selfie.

Bild 50: C-Falter.

Bild 51: Rückblick von Kaiserbrunn auf Krummbachstein (1602m), rechts der imposante Turmstein (812m).

Schöne, abwechslungsreiche Tour war das. Bleibt noch das Wetter. Warum hat es gewittert, warum ausgerechnet über uns und warum fielen sie schnell wieder in sich zusammen? Noch auf der Hinfahrt hörte ich im Radio, dass etwaige Gewitter wegen der Hitze kräftig ausfallen könnten.

Bild 52: Großwetterlage:

Ein Höhenrücken erstreckt sich von Italien bis Deutschland über den Alpenraum, der von einem flachen Trog über Benelux und einem ausgeprägteren Trog über Rumänien in die Zange genommen wird. Der Osten von Österreich ist dabei noch im Einflussbereich des östlichen Troges.

Das sieht man besser im Wasserdampfbild (dunkel und gelb: sehr trockene Luft in der Höhe, hell bis weiß: sehr feuchte Luft, abgegrenzte weiße und grüne Flecken: Gewitterwolken). Links das Wasserdampfbild von Samstag, 14 Uhr, rechts das Wasserdampfbild von EZWMF, prognostiziert am Freitagabend für Samstag, 14 Uhr.

Die groben Strukturen wurden in Summe herausragend gut getroffen. Man erkennt deutlich die dunkle Schliere von der Westslowkei über Westpolen bis zum Bottnischen Meerbusen. Der Osten von Österreich befindet sich genau im Übergangsbereich vom dunklen Streifen (trocken) zu helleren Bereichen. Genau hier sieht man Gewitter über dem Dreiländereck sowie über dem Randgebirge östlich der Mur.

Dieser Wasserdampfgradient (rot markiert) ist häufig eine potentielle Region für Gewitter. Wetter entsteht häufig an Gradienten, so wie auch Temperaturdifferenzen. Hier vor allem Feuchtedifferenzen. An solchen Orten kann Hebungsantrieb induziert werden. Der Gradient war sehr gut vorhergesagt. Niederschlagssignale wurden daher bevorzugt entlang dieses Gradienten simuliert.

Bild 53: Zum Zeitpunkt des Gewitterregens über dem Krummbachstein (12 Uhr 45) gab es nur drei Zellen auf österreichischem Gebiet, alle am Alpenostrand.

Auffallend ist, dass alle Gewitterzellen relativ schmal sind und die Ambosswolke weit nach Südosten ausgeweht ist. In der Höhe herrschte also eine Nordwestströmung. Die Zellen selbst verlagerten sich jedoch nur langsam mit der Ambosswolke südostwärts.

Bild 54: Radarbilder vom Gebiet zwischen Oberem Mürztal und Schneeberg-Rax bis Bucklige Welt.

Das mäßige Echo über dem Hohen Hengst verstärkte sich plötzlich innerhalb von fünf Minuten auf die zweithöchste Stufe. Das entsprach auch der Beobachtung mit den sich rasch verdichtenden Fallstreifen. Es verlagerte sich dann langsam südostwärts und schwächte sich ab (Bild 30). Dahinter entstand eine weitere Zelle (Bild 33). Weitgehend stationär dagegen die beiden kleinräumigen, aber starken Zellen über den Fischbacher Alpen (Bild 29 und 32).

Fehlt die Erklärung, warum sie sich so schnell wieder auflösten und schmal blieben:

Bild 55: Der Wetterballonaufstieg von Wien vom Mittag zeigt die Ursache:

Bodennah durchmischt bis etwa 800 hPa (ca. 2000m), darüber sehr trocken bis zur Tropopause. Am trockensten zwischen 3000 und 6000m, also in der mittleren Schicht, wo das Hauptwolkenwachstum und die Niederschlagsbildung stattfinden. Das ist sehr ungünstig und erklärt das schlanke Aussehen der Gewitterwolken. Von der Umgebung wird immer wieder trockene Luft eingemischt (Entrainment), das die Wolke verdunsten lässt. Im Satellitenbild hab ich als niedrigsten Wert für die Wolkenobergrenzentemperatur -43 Grad ausgemessen, die Obergrenze des Gewitters befand sich also etwas niedrige als die Labilitätsfläche (blau) hergab, in etwa bei der kleinen Temperaturinversion bei der Linie. Grund für die nicht ausgenutzte Labilitätsenergie ist ebenfalls das Entrainment.

Letzter Punkt: Man sieht oberhalb von 300 hPa (ca. 9500m Höhe) deutlich den stark zunehmenden Nordwestwind mit bis zu 50kt (90km/h) auf 11km Höhe. Die Gewitterzelle reichte nicht ganz so weit hinauf, bekam aber trotzdem noch einen lebhafteren Nordwestwind ab. Daher wehte es den Ambossschirm ab. In der Höhenschicht, wo sich aber der Großteil der Wolke befand, herrschte nur schwacher, umlaufender Wind. Daher verlagerte sich der Niederschlagsbereich nur langsam nach Südosten.

Bild 56: Wetterballonaufstieg von Linz in der Früh:

Ein wenig anders präsentiert sich das Bild bei den Gewittern über der Böhmischen Masse, die bis zu -60 Grad Wolkenobergrenzentemperatur erreichten. Die rekonstruierte Labilitätsfläche geht damit bis 200 hPa (12200m Höhe). Hier reicht der lebhaftere Nordwestwind deutlich weiter hinab, bis etwa 8000m Höhe und die Luftschichtung ist bis etwa 500 hPa (5800m) ein wenig feuchter. Mit der gemessenen Temperatur und Taupunkt aus der Umgebung ergibt sich eine breitere Labilitätsfläche und damit mehr Energie, die aufgrund des günstigeren Feuchte- und Windprofils effektiver genutzt werden konnte. Daher waren die Gewitter dort kräftiger als im Osten.

Danke für den schönen Tag meinen beiden Begleitern!

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