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01.03.20 Zirbitzkogel (2376m), Seetaler Alpen

Eckdaten:

  • Wegführung: Sabathyhütte (8.10) - Lindersee (2051m) - Zirbitzkogel-Schutzhaus (2376m, 10.55-12.00) - retour (14.05)
  • Länge: 9,5 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 790 hm
  • Gehzeit Gesamt (inkl. Fotografierpausen): 4 Std. 40 min
  • Fußstatus: beschwerdefrei

Zweiter Tag. Die Wettermodelle waren sich bis zum Vorabend nicht einig, wie sich das Italientief bei uns auswirken würde. Tendenziell sah der Vormittag noch freundlicher als der Nachmittag und die Niederschlagsmengen waren bereits seit Donnerstag von Lauf zu Lauf abgeschwächt worden. Manche Lokalmodelle rechneten überhaupt wenig nennenswerten Niederschlag, aber am schwierigsten abzuschätzen war für mich, wie kompakt und tiefbasig die Bewölkung sein würde. In den ersten Modellläufen von der Wochenmitte sah es nach klassischem Aufgleiten aus mit Windkonvergenz genau an der Alpensüdseite und erst über Kammniveau mit schwachem Südwestwind. In den letzten Läufen, die ich Sonntagfrüh noch abrief, (z.b. GFS und COSMO) wurde in 3000m (700 hPa) wieder ein starker Südwestwind mit 25-30kt im Mittel gerechnet, selbst in 1500m Seehöhe (850 hPa) ein schwacher Süd. Das deutete auf stärkere Föhneffekte hin als ursprünglich erwartet und letzendlich war es dann auch so.

Großwetterlage am Sonntag, 01. März 2020,13 Uhr Lokalzeit: Luftmassen-Satellitenbild und Bodendruck (in hPa).

Orkantief CHARLOTTE vom Vortag hatte inzwischen riesige Ausmaße angenommen und einen zweiten Tiefdruckkern über dem Nordatlantik ausgebildet. Die Fronten sind mehr symbolisch zu verstehen, sie sind nicht exakt eingezeichnet (das wäre ein wenig aufwendiger). Für uns relevant ist eine Tiefdruckentwicklung über Oberitalien, dessen Warmfront bis an die Alpensüdseite reicht. Zwischen Süden und Norden bestand zu dem Zeitpunkt immer noch ein schwaches Druckgefälle, also Südföhn. Für Unterkärnten und die südwestliche Obersteiermark (weiß markiert) lässt sich anhand der groben Auflösung des Bodendrucks (2 hPa-Abstände) kein Gefälle ausmachen, aber es war vorhanden.

Interessant außerdem ein kleinräumiger, aber intensiver Sturmwirbel über Frankreich, DIANA genannt, das in der Nacht auf Montag in der Nordschweiz und über Süddeutschland eine kräftige Gewitterlinie mit Orkanböen selbst im Flachland hervorbrachte. In Frankreich gab es zuvor an der Kaltfront regional Spitzen zwischen 90 und 110 km/h. Nach den Stürmen PETRA (04.02.), SABINE (10.02.), SABINE II (10./11.02.), YULIA (23./24.02.) und BIANCA (27./28.02.) handelte es sich um das sechste Sturmtief innerhalb eines Monats in Mitteleuropa.

Genug Wetter, hinein in einen ebenso spannenden zweiten Tourentag! Dieser begann mit einer ausführlichen LVS-Set-Kontrolle, was vor allem für mich sehr wertvoll war, nachdem ich meine Wurfsonde seit dem Kauf vor zwei Jahren immer nur spazierentrug, aber noch nie zusammenstecken musste. Jetzt weiß ich, wie es geht und hoffe dennoch, sie nie zu gebrauchen.

Bild 1: Hochschwab-Blick von der Sabathyhütte:

Links Hochwart (2210m), Zagelkogel (2255m), Hochschwab-Hauptgipfel (2277m), rechts Ringkamp (2153m) und Karlhochkogel (2096m), alle knapp über 70km entfernt.

Bild 2: Im Vordergrund die bewaldete Gaaler Höhe, dahinter in Wolken Seckauer Zinken (2397m).

Bild 3: Stratocumulus-Bänke östlich der Seetaler Alpen, nach Aufgleitbewölkung (Schichtbewölkung) sah das überhaupt nicht aus.

Stattdessen sogar noch ganz passable Fernsicht, sogar besser als am Vortag. In der Höhe ein paar schüchterne Altocumulusfelder.

Bild 4: Anstieg zur Almrauschhütte, anfangs sogar noch im Sonnenschein.

Die Beine waren etwas schwer in der Früh, ich spürte die steilen Bergabpassagen vom Vortag in den Oberschenkeln. Vor allem die ersten 300 Höhenmeter ließ ich mich weit zurückfallen und musste mich selbst motivieren, um nicht vorzeitig umzudrehen. Auf der Forststraße merkte man die knappen Plusgrade, der Schnee stollte am Schuh auf.

Bild 5: Bei der Linderhütte (1760m) fing es leicht zu schneien an, es trübte deutlich ein.

Der Wind legte langsam wieder zu, wenn auch deutlich schwächer als am Vortag.

Bild 6: In den eingewehten Karen war die Schneelage ausreichend zum Stapfen.

Bild 7: Die letzten Meter zum Lindersee (2051m), von dem man wegen dem Nebel wenig sah.

Bild 8: Standhaft.

Bild 9: Wir folgen den Stangen entlang der Skitourenroute.

Dann war der Lindersee erreicht und Csaba ordnete an, dass wir in zehn Meter Abständen aufsteigen sollten. Das hat mehr oder weniger funktioniert. Tatsächlich waren es eher fünf Meter. Das hat wohl auch einen psychologischen Hintergrund, denn bei schlechter Sicht und starkem Wind neigt man eher dazu, sich am Vordermann orientieren zu wollen.

Bild 10: Finaler Aufstieg im dichten Nebel und zunehmendem Wind.

Bild 11: Rückblick.

Bild 12: Zwischendurch hieß es immer wieder warten, wenn die Mindestabstände unterschritten wurden, bis es weiterging.

Ich nutzte die Pausen wie mein Vordermann, um zu fotografieren und anhand des GPS-Standorts in der Karte abzuschätzen, wie weit es noch war.

Dann kam noch eine relativ steile Passage und der Wind erreichte schon wieder Sturmstärke. Dahinter wurde es flacher und laut GPS war die Hütte beinahe schon erreicht, eine scharfe Linksdrehung fehlte noch. Das war zugleich die Schlüsselstelle, links war das Gelände abschüssig, rechts befand sich eine riesige Wächte. Der Weg wurde schmal. Es kostete ein wenig Überwindung, vermeintlich Richtung Abgrund weiterzugehen, doch dahinter stand Csaba und dirigierte den Rest der Gruppe zu folgen, denn tatsächlich wurde das Gelände flach und ...

Bild 13: ...das Zirbitzkogel-Schutzhaus lag vor uns:

Bild 14: Es hat selbst an den Winterwochenenden geöffnet, mit dem Kettenfahrzeug fährt der Hüttenwirt in einer Stunde ins Tal.

Bild 15: Tatjana mit Zwergerl

Bild 16: Alex mit Skibrille und Zwergerl.

Bild 17: In der engen, aber gemütlichen Hütte.

Zum Essen gab es Gemüsesuppe mit und ohne Würstel, dazu einen picksüßen Zitronentee. Genau das Richtige zur Stärkung. Wir hielten uns gut eine Stunde in der Hütte auf, in dieser Zeit wurde der Nebel heller, die Sonne schien nicht fern, es lockerte aber nicht auf.

Als wir wieder aus der Hütte traten, hatte es bereits erneut zugezogen und der Sturm deutlich zugelegt. An einen Abstecher zum Gipfel war nicht zu denken, den hab ich mir für den Herbst vorgenommen. Die Sicht wurde immer schlechter und der Sturm verstärkte sich zum Orkan. Die Sicht betrug keine zehn Meter mehr. Wir gingen erst zu weit nach Norden in Richtung Scharfes Eck, doch Csaba bemerkte bald, dass das nicht der richtige Abstiegsweg war. Wir blieben stehen und so erlebten wir einen veritablen Orkan mit extrem schlechter Sicht: White-Out-Bedingungen. Orientierung ohne GPS nicht mehr möglich. Wir standen zu dem Zeitpunkt an der exponierten Nordwestflanke, wo der im Bericht vom Vortag angesprochene Prallhangeffekt zusätzlich wirksam war. Dann war der richtige Abstieg gefunden und die ersten Sichtstangen tauchten auf. Im Abstieg ließ der Wind rasch auf ein erträgliches Maß nach. Dennoch war erstaunlich, wie vollkommen anders die Umgebung jetzt aussah. Die Spuren vom Aufstieg waren völlig zugedeckt worden.

Bild 18: Vom Rücken in den Hang, ab da wurde das Stapfen leichter.

Bild 19: Die Sicht war immer noch schlecht.

Bild 20: Lindersee - stark kontrastverstärkt und in schwarzweiß, damit man noch was erkennt:

Bild 21: Reifbildung.

Bild 22: Hier machte das Stapfen dann mehr Spaß, der Schnee war weicher und gelenkschonender.

Bild 23: Bisserl Spaß muss sein!

Bild 24: Und dann reiten wir los!

Dann war der Forstweg bei der Linderhütte erreicht und die Pickerei vom Schnee fing wieder an, es war inzwischen spürbar milder geworden. Die Lawinenmessstationen auf 1600m Höhe meldeten +3 Grad C.

Bild 25: Föhnwolken und sonnige Auflockerungen.

Es mutete wie ein schlechter Scherz an, dass wir am Gipfel White-Out-Bedingungen hatten, während im Tal immer wieder die Sonne durchkam. Tatsächlich wehte auch am Sonntag weiterhin kräftiger Südföhn. Das kurze sonnige Fenster um die Mittagszeit hatte den Föhndurchbruch im Tal begünstigt. Die Stratocumulus-Bank im Vordergrund ist am Oberrand abgeschliffen, was auf starke Windzunahme mit der Höhe hindeutet. Darüber befand sich eine stehende Leewelle, was auf eine labile Schichtung in der Höhe hinwies, bzw. auf die immer noch vorherrschende föhnige Südwestströmung.

Kurz nach 14 Uhr erreichten wir die Sabathyhütte. Nach der Nachmittagsjause mit Saurer Wurst und einem Einkauf im Zirbenshop hieß es Heimreise antreten. Zuletzt noch ein paar Erläuterungen zum Wettergeschehen anhand der Satellitenbilder im sichtbaren Kanal.

Bild 26: Sonntag, 01.03.2020, 08 Uhr MEZ

Beim Weggehen ist östlich der Koralpe (bei Graz) immer noch Leebewölkung erkennbar (siehe Bericht vom Vortag), die auf eine hochreichende Gebirgswelle hindeutet. Richtung Gurktaler Alpen stauen sich die Wolken, in unserem Bereich war die Bewölkung scharf abgegrenzt, also auch hier Föhneffekte wirksam. Noch eindrücklicher das Bild über Slowenien, wo das gerippte Muster auf gefangene Leewellen (trapped lee waves) hinweist, die eine stabile Schicht in der Höhe benötigen und sich darunter horizontal ausbreiten. In Verlängerung kann man sich diesen Mechanismus bis zu den Seetaler Alpen denken.

Bild 27: 12 Uhr - der Zeitpunkt der Hütteneinkehr.

Die Leewellen sind immer noch vorhanden, sowohl über Slowenien, Unterkärnten (bei Klagenfurt) als auch östlich von Grebenzen und Zirbitzkogel, werden aber zunehmend vom Cirrus überdeckt. Dazwischen durchaus sonnige Abschnitte durch das föhnige Absinken, eine trügerische Wetterbesserung, wie wir am eigenen Leib erfahren haben. Kompakte Bewölkung mit Niederschlägen ist erst über Osttirol und Oberkärnten sichtbar.

Bild 28: 13 Uhr - während dem Abstieg

Das Wellenmuster wird verwaschener, ist aber immer noch erkennbar, die Bewölkung scheint etwas kompakter und hochreichender (hellgelb), weiterhin geripptes Wellenmuster südlich von Klagenfurt sowie bei Laibach. Stärkere Niederschläge hingegen von der Adria bis Osttirol und Oberkärnten.

Bild 29: 16 Uhr - vor der Rückfahrt

Erst am Nachmittag brach der Föhn zusammen und die Aufgleitbewölkung breitete sich endgültig nach Nordosten auf. Es begann zu regnen und hörte erst nördlich vom Semmering auf.

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