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28.06.2020 Kleine Burgwand (1787m) und Windberg (1903m), Schneealpe

Eckdaten:

  • Wegführung: Ghf. Leitner (8.00) - Kalte Quelle (9.35) - Kleine Burgwand (1787m, 11.30) - Michlbauerhütte (1731m, 12.15-13.05) - Windberg (1903m, 13.30) - Kleinbodental - Leitner (16.50)
  • Länge: 21,0 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1060 hm
  • Reine Gehzeit: 6 Std. 15min
  • Viecher: Gämse
  • Fußstatus: im Abstieg vorübergehend Belastungsschmerz

Zweiter Tag der Schneealpen-Gruppenwanderung mit Martin. Ausgiebiges Frühstück im Freinerhof. Gut: Hygienespender im Frühstücksraum. Verbesserungswürdig: Gemeinsames Geschirr am Buffet und geschlossene Fenster. Als sich der Raum langsam füllte, waren wir zum Glück schon fertig. Aufbruch um 7.45. In der Nacht hatte es übrigens geregnet, gegen halb vier zog von Westen ein Regengebiet durch und löste sich über den Mürzsteger Alpen auf.

Bild 1: Über der Proles Altocumulus-Bänke, Restbewölkung des nächtlichen Regens.

Bild 2: Der alte Hund hielt die Stellung, Dackel Ludwig war nicht da.

Vor dem Weggehen hatte ich mich nach dem eigenwilligen Dackel, inzwischen neun Jahre alt, noch erkundigt. Er war mir von meiner Übernachtung im Juli 2015 noch in Erinnerung "Ludwig! Aus!" Wirt David lachte, als ich nachfragte. Vor zwei Jahren hatte eine Gruppe Arbeiter übernachtet, als einer vor kurzem wieder da war, brachte er einen Geschenkkorb für den Gasthof mit, darunter eine ganze Packung Kaustangen für den Dackel. Er blieb offenbar nicht nur mir in Erinnerung.

Wir starten vom Gasthof Leitner im Tal der Kalten Mürz, einer der spektakulärsten Täler der Wiener Hausberge, tief eingeschnitten, glasklares Wasser, Nadelwald. Ich fühlte mich ans Karwendelgebirge erinnert.

Bild 3: Altocumulus castellanus - Gewitter-Vorboten aus dem Lehrbuch, 28. Juni 2020, 08 Uhr MESZ

Bereits in der Früh gab es untrügliche Wolkenanzeichen für Gewitter, z.b. Altocumulus castellanus (Ac cas, von castell = zinnen/türmchenförmig), das sind mittelhohe Wolken, die oft als langgestreckte Bänke erscheinen, mit vertikalen Auswüchsen. Die Wolkenart bedeutet dreierlei: Es ist genug Feuchte in dem Niveau vorhanden, das für Gewitterbildung wichtig ist (sonst trocknet diese rasch wieder aus), es ist Labilität vorhanden, sonst würde sie nicht in die Vertikale wachsen. Und es ist Hebung vorhanden, sonst wäre die Wolke in erster Linie gar nicht vorhanden. Im Gegensatz zu Quellwolken brauchen mittelhohe Wolken einen äußeren Antrieb (Höhentief, Kaltfront) zur Entwicklung. Gemeinerweise ist diese Wolkenart häufig nur am frühen Morgen zu sehen und verschwindet am Vormittag wieder. Wer dieses Zeitfenster verpasst, übersieht also einen wichtigen Indikator für spätere Gewitter. Die Zeitspanne vom Auftreten von Ac cas bis zum Gewitter beträgt zwei bis acht Stunden, also relativ unmittelbar vor dem Ereignis.

Bild 4: Die Brücke über die Kalte Mürz.

Im Talgrund wachsen unzählige Orchideen neben dem Forstweg, ich sichtete vor allem Mücken-Händelwurz und Fuchs-Fingerwurz. Im Hintergrund Altocumulus in verschiedenen Höhen.

Bild 5: Eine knappe Stunde bleiben wir am Forstweg, ideal zum Aufwärmen.

Bild 6: Eine kurze enge Schlucht wird durchquert.

Bild 7: Größere Felsgrotten.

Bild 8: Dann zweigen wir in den Burggraben ab, links die Große Burgwand 1612m), rechts die Kleine Mitterbergwand (1863m).

Bild 9: Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha)

Bild 10: Höhlenforscher vor dem Gamsstall unterhalb des Mitterbergwalds.

Bild 11: Das fast ausgetrocknete Bachbett wird überquert.

Der sehr gut angelegte Steig zieht in steilen Serpentinen hinauf.

Bild 12: Hier befindet sich die "Kalte Quelle".

Bild 13: Dann ist der Sattel erreicht, hinter den Bäumen die Große Burgwand.

Hier ist eine kurze Rast verdient.

Bild 14: Die Große Burgwand ist nur durch ausgesetzte Kletterei im II. Schwierigkeitsgrad erreichbar, die Schlüsselstelle (Verschneidung) befindet sich beim Einstieg.

Bild 15: Formschöner Gipfel.

Bild 16: Eine herrliche Wiese, hier hätte man länger verweilen können.

Der weitere Aufstiegsweg durch die Latschen gut sichtbar, durchaus schweißtreibend in der prallen Sonne. Oben befindet sich die Kleine Burgwand (1787m).

Bild 17: Quirlblättriges Läusekraut, Alpen-Hornkraut

Bild 18: Zweifarben-Kohlröschen (Nigritella bicolor) und Rundbogige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare)

Bild 19: Ostalpen-Nelke (Dianthus alpinus)

Bild 20: Rückblick beim Durchqueren einer Trollblumenwiese.

Über dem Göller entsteht die erste flache Quellwolke (Cumulus humilis).

Bild 21: Gute Sicht von Gemeindealpe und Ötscher über Göller bis Gippel.

Am Horizont ist sogar das Waldviertel zu erkennen.

Bild 22: Kalk-Enzian (Gentiana clusii)

Bild 23: Etwas bröselige Hangquerung unterhalb der Kleinen Burgwand.

Mit Altschneefeldern gefährlich, sonst mit konzentriertem Gehen einfach.

Bild 24: Kalk-Gamswurz, Wimpern-Mannsschild, Zwei-Blüten-Veilchen

Bild 25: Alpen-Vergissmeinnicht (Myosotis alpestris) und Alpen-Wundklee

In der Hangquerung entdeckte ich auch Alpen-Leinkraut.

Bild 26: Steiler Trichter.

Bild 27: Rückblick auf die Querung, die Fliege hat sich unbemerkt ins Bild geschlichen.

Die Quellwolken bilden weiterhin eher Bänke als in die Vertikale zu steigen. Dieses längliche Ausbreiten deutet auf einen frontalen Charakter der Hebung hin, also die Beteiligung eines großräumigen Hebungsantriebs an einer Luftmassengrenze (Front). Das sollte heißen, es dauerte länger, bis die Konvektion in Gang kam, dafür konnte sie auch länger anhalten.

Bild 28: Abwärts.

Bild 29: Nach knapp dreieinhalb Stunden hatten wir den ersten Gipfel erreicht, die Kleine Burgwand.

Die Abzweigung durch eine anfangs verwachsene Latschengasse ist durch einen Steinmann und ein Holzpfeil gekennzeichnet.

Bild 30: Panorama Süd

Im Hintergrund Wechsel-Stuhleck-Stanglalpe-Kamm. Insgesamt noch viel Ausbreitungsschichten durch Altocumulus, kaum größere Quellungen.

Bild 31: Rückblick zur Kleinen Burgwand (mit Doppelgipfel)

Bild 32: Am markierten Weg entlang geht es über die Hochfläche weiter, mittig das Tagesziel, der Windberg. Ganz rechts Schusterstuhl.

Die Quellwolken hinterm Windberg sind jetzt deutlich mächtiger.

Bild 33: Größere Altschneereste in den Dolinen.

Um 12 Uhr erreichen wir die gut besuchte Michlbauerhütte (1731m), die Kaspressknödelsuppe war vorzüglich.

Bild 34: Cumulus congestus über der Wechselregion um 12.15 MESZ, ganz rechts das Eisstadium (Cumulonimbus) erreichend

Mächtige Quellwolken türmten sich da bereits auf, sie standen nicht isoliert, sondern es breiteten sich auch in der Nachbarschaft Quellwolken aus. Das begünstigt eine Weiterentwicklung zur Gewitterwolke deutlich, denn so können die Quellwolken nicht von den Flanken her austrocknen.

Bild 35: Wenige Minuten später erreicht auch diese Quellwolke ihr Eisstadium.

Im Vordergrund das Schneealpenhaus.

Bild 36: Schließlich ist die Ambosswolke fertig (Cumulonimbus incus).

Weiter südlich (im Bild ganz rechts) entstand bereits das nächste Gewitter. Im Wetterradar waren beide Zellen deutlich sichtbar.

Die dunkle Quellwolke über dem Windberg lockert wieder auf, wir bleiben dieses Mal trocken. Wir brechen dennoch nach einer knappen Stunde wieder auf. Der Abstieg sollte noch über drei Stunden dauern.

Bild 37: Heukuppe, Schneealpenhaus, ganz rechts Grünkogel (1813m)

Die Quellwolken werden insgesamt mehr, die Gewitterwolke (Bildmitte) wird davon teilweise verdeckt. Zudem sollte man sich nicht in Sicherheit wähnen, nur weil das Gewitter weit entfernt ist oder sich vom Standort wegbewegt. Gewitter neigen je nach Windverhältnissen dazu, rückseitig Tochterzellen anzubauen. Es verlagert sich dann scheinbar rückwärts und die Blitze kommen immer näher. Wenn das erste Gewitter genug Energie entwickelt hat, um die Sperrschicht (Temperaturinversion) zu durchbrechen, hat das oft den Effekt, dass in der Umgebung die Sperrschicht ebenfalls durchbrochen wird. Die Quellwolkenentwicklung nimmt dann in der ganzen Umgebung des ersten Gewitters weiter zu und deutet an, dass weitere Zellen in der Nachbarschaft entstehen.

Bild 38: Wir nähern uns dem Windberg.

Ich spürte den Nervenkitzel bis in die Zechen, denn ich war gespannt, wie die Untergrenze der Quellwolke beschaffen sein würde. Daraus konnte ich schließen, ob sich über uns ein weiteres Gewitter entwickeln würde.

Bild 39: Alpen-Anemone, Gebirgs-Hahnenfuß

Bild 40: Der Gipfel ist erreicht. Aufatmen, sieht alles nicht unmittelbar bedrohlich aus.

Dennoch begann nun jede Quellwolke in die Höhe zu wachsen. Und ein weiteres Anzeichen gab es: Es war für den höchsten Punkt der Schneealpe ungewöhnlich windschwach, nahezu windstill. Das deutete auf Störungen im Druckfeld hin, kräftige Aufwindbewegungen. Martin und ich waren uns einig: Lang sollte die Gipfelpause nicht ausfallen.

Bild 41: Hochschwabgipfel, Planspitze im Gesäuse und Riegerin.

Rechts schaut schwach der Buchstein-Stock mit Kleinem Buchstein durch.

Bild 42: Gipfelpanorama

Bild 43: Hochstadl und Fadenkamp sind noch gut erkennbar, doch was verbirgt sich dahinter?

Die stark kontrastverstärkte Aufnahme zeigt die Haller Mauern und das Tote Gebirge.

Bild 44: Letzter Blick auf die Hochfläche und in die Fischbacher Alpen.

Überm Hochwechsel stehen bereits Gewitterwolken, am linken Bildrand sieht man den Eisschirm hervorlugen. Darunter fallen auch Fallstreifen (Niederschlagsvorhang) zu erkennen.

Bild 45: Im Nordwesten zahlreiche flache Erhebungen des Waldviertels.

In Bildmitte eine weitere Gewitterwolke im Anfangsstadium (Cumulonimbus calvus), laut Wetterradar stand sie bei Budweis in 100km Entfernung.

Bild 46: Vor uns das Kleinbodental, in das wir absteigen werden.

Die eindrucksvolle Donnerwand wird uns noch länger im Abstieg begleiten.

Bild 47: Schmetterling auf Seifenkraut?

Bild 48: Die erste Viertelstunde geht es steil auf Schotter hinab.

Manche Rinnenquerungen sind relativ frisch ausgewaschen worden, der Steig teilweise schmal und abschüssig geworden. Solange kein Altschnee drin liegt, kein Problem.

Bild 49: Donnerwand und Göller.

Bild 50: Fotoshooting.

Bild 51: Am Gegenhang eine junge Gams.

Gegen 14.45 streift uns ein erster Regenschauer, der rasch von West nach Ost durchzieht. Regengewand an und nach einer Viertelstunde wieder ausziehen. Die Kamera ließ ich im Plastiksackerl eingepackt im Rucksack, die restlichen Bilder sind alle mit dem Smartphone gemacht.

Bild 52: Eine von mehreren Bachquerungen.

Bild 53: Gewaltiges Tal.

Es ist Punkt 15 Uhr. Im Hintergrund taucht bereits die nächste mächtige Quellwolke auf. Links hinter den Bäumen der Eisschirm des abziehenden Regenschauers. Ich rechnete ab dem Zeitpunkt damit, dass es nicht mehr lang dauern würde, bis das nächste Gewitter im Anmarsch ist. Die Sonne strahlte wieder ein, alles dampfte.

Bild 54: Rutschige Bachüberquerung.

Bild 55: Gamskircherl, eine imposante Höhle.

Dahinter der abziehende Regenschauer. Vom Mürztal näherte sich zu dem Zeitpunkt bereits eine Gewitterzelle. Wir hörten die nächste halbe Stunde immer wieder Donnergrollen, Richtung Windberg wurde der Himmel schwarz. Unser Abstieg war genau zur richtigen Zeit.

Der Wegverlauf im unteren Teil ist abwechslungsreich, mal direkt im Graben über den Bach, dann wieder an Höhe gewinnend über der Schlucht.

Bild 56: Vorbei an einem gewaltigen Felssturzgebiet.

Bild 57: Schlangenknöterich (leider nur verschwommen).

Mit dem Donnergrollen im Nacken ein ungünstiger Zeitpunkt, wenn das Smartphone plötzlich eine Belichtungsreihe machen will. Es half später nur, die Kameraeinstellungen zurückzusetzen.

Wir hatten Glück, der Schwerpunkt des Gewitters blieb südlich, außer ein paar Regentropfen bekamen wir nichts ab. Wie knapp es war, zeigt der Blick aufs Wetterradar um 15.45 Uhr, unser Standort mit schwarzem Stern:

Der Gewitterkern lag zu dem Zeitpunkt wenige Kilometer südöstlich zwischen Schneealpe und Rax, nördlich entstanden schwache Ausläufer. Am Semmering am Sonnwendstein ereignete sich rund 15-20min vorher ein tödlicher Unfall, als ein Blitz in den Wanderstock einer Wanderin einschlug und sie zwanzig Meter über schroffes Gelände schleuderte. Sie befand sich allerdings in Gipfelnähe.

Bild 58: Die letzten Kilometer konnten wir entspannt zurückwandern.

Bild 59: Die Quellwolken vor uns stellten keine unmittelbare Bedrohung mehr dar.

Bild 60: Rückblick ins obere Tal der Kalten Mürz.

Dann erreichten wir trocken den Gasthof Leitner, nette, familiäre Bewirtung. Danke Martin für die gute Führung. Diesen Teil der Schneealpe kannte ich noch überhaupt nicht, wird nicht das letzte Mal gewesen sein.

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