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17.12.2019 Anninger (675m), Wienerwald

Eckdaten:

  • Wegführung: Mödling Bf. (11.10) - Breite Föhre (12.10) - Krauste Linde (12.35) - Anninger (675m, Wilhelmswarte, 13.20-13.40) - Südostrücken - Kreuzweg (14.25) - Gumpoldskirchen Bf. (14.50)
  • Länge: 11,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 550 hm
  • Gehzeit: ca. 3 Std.
  • Tiersichtungen: 1 Bergfink
  • Fußstatus: Keine Beschwerden

Denkwürdiger Tag in Mitteleuropa. Markante Südföhnlage, verbreitet neue Stationsrekorde. Die höchsten Werte wurden mit Föhnunterstützung im Nordalpenbereich registriert, z.B. 20,1 Grad am Flughafen Salzburg und 21,3 Grad in Feldkirch. Schon zuvor war es im Rheintal die wärmste Dezembernacht seit Aufzeichnungsbeginn. Am Alpenostrand entstanden extreme Temperaturgegensätze. Im Wiener Becken und entlang der Donau hielt sich die feuchte Kaltluft mit Dunst und Nebelschwaden, dort wurde es nicht wärmer als 5 Grad. Auf der Rax (1550m) hingegen 15,6 Grad. Auf der Hohen Wand (937m) 16,6 Grad. Gar nicht markant wärmer war es im südlichen Steinfeld, in Pottschach (419m) brach der Föhn schon nach Mitternacht durch, innerhalb einer halben Stunde schnellte das Thermometer von Null auf 15 Grad nach oben. Das Maximum lag um 16 Grad. Der Grund dafür lag in der Herkunft der Föhnluft. Die stammt dort nämlich vom Semmeringpass, und da wurde es auf knapp 1000m Seehöhe nicht wärmer als 9 Grad. Das passt genau: 600m Fallhöhe entspricht bei trockenadiabatischer Durchmischung 6 Grad Erwärmung.

Interessant auch die unterschiedlichen Windregime. In Wiener Neustadt wehte durchgehend Nordwind. Gumpoldskirchenm, Seibersdorf und Berndorf blieben in der Kaltluft und hatte variablen Wind (unter 10 km/h). Pottschach voll im Föhn mit Spitzen bis 70km/h aus Südwest.

In der Vertikalen war alles eine knappe Sache. Das Windprofil in Schwechat zeigte durchgehend Nordwinde von der Früh bis zum Abend vom Boden bis etwa 1200 Fuß amsl (ca. 370m). Darüber bis 2500ft amsl (760m) wehte Südwestwind bis 25kt (ca. 45km/h). Oberhalb gab es wieder variable, teilweise sogar westliche Winde und erst ab 7000ft amsl (Klosterwappen-Niveau) begann der starke Südwestwind.

Wie dem auch sei. Mein Plan ging nicht ganz auf. Nach dem Nachtdienst hatte ich darauf gehofft, eine Nebelwanderung zu machen und über den Nebel zu kommen. Viel zu spät hatte ich realisiert, dass auch in den nebelfreien Gebieten wegen der ortsfesten Leewellenwolke kein eitel Sonnenschein herrschen würde. Schon bei der Heimfahrt begann sich der Nebel zu lichten, in Wien löste er sich am Vormittag rasch auf. Darüber wurde der kompakte Altostratus opacus sichtbar. Bei der Hinfahrt nach Mödling war klar, dass die Nebelwanderung ausfiel. Es blieb dunstig und das Licht war insgesamt nicht sehr einladend. Aber es gab ja noch einen zweiten Grund für meine Wanderung: Ich wollte in die trocken-warme Föhnluft kommen.

Visuelles Satellitenbild am Dienstag, 17. Dezember 2019, 12.00lct

Das für den Tag repräsentative Satellitenbild zeigt drei markante Wellenphänomene (1,2,3), alle an einer für Laien ungewöhnlich erscheinenden Position.

Im Bereich 1 über der Alpensüdseite bildeten sich ortsfeste niedrige Leewellen, sogenannte trapped lee waves, durch die Überströmung der Dolomiten und des Karnischen Hauptkamms. Die Höhe betrug maximal 4000m Seehöhe. Sie besitzen eine kurze Wellenlänge und erscheinen daher als geripptes Muster.

Im Bereich 2 hielt sich eine ausgedehnte kompakte mittelhohe Bewölkung, die aus einer Gebirgswelle (mountain waves) entstand. Diese entstehen, wenn die Stabilität mit der Höhe stark abnimmt und gleichzeitig die Alpen von Süden kräftig angeströmt werden. Die Leewelle breitet sich vertikal aus bis zur Tropopause und sogar noch bis weit in die Stratosphäre. Von unten schaut sie wie Warmfrontbewölkung aus mit dichter Schleierbewölkung, aber mit scharfen Kanten vor allem am Südrand (siehe Bayrischer Alpennordrand oder Koralpenlee). Gebirgswellen sind berüchtigt für schwere Turbulenzen und entsprechend gefährlich für Linienflüge. Im Gegensatz zu den trapped lee waves sind die Wellenlängen der mountain waves viel größer, daher gibt es meist nur eine Welle, deren aufsteigender Ast Schichtbewölkung produziert. Bei rein südlicher Höhenströmung kann zudem Saharastaub mitgeführt werden, der die Schichtwolken verstärkt und weiter absinken lässt.

Im Bereich 3 sieht man ähnliche Wellenstrukturen wie im Bereich 1, etwa zwischen Linz und St.Pölten. Sie sind aber viel weiter oben, im Cirrus-Niveau. Das heißt, die Steigwinde der Gebirgswellen sind so heftig, dass sie wie ein künstlicher Berg in die Strömung hineinragen, und ihrerseits eine Auslenkung der Strömung in Form von Leewellen erzeugen. Normalerweise sieht man diese am ehesten bei mächtigen Gewitterwolken. Das tritt also eher selten auf und macht das Gesamtereignis so außergewöhnlich.

Ich starte von Mödling Bahnhof, vorbei an der Othmarkirche aus dem 15. Jahrhundert mit dem romanischen Karner, dann kurz die Kirchengasse hinab und unter dem Aquädukt der Wiener Hochquellwasserleitung durch. Dahinter links und steil in einigen Kehren hinauf.

Bild 1: Aquädukt und Othmarkirche, gegenüber Schwarzer Turm (künstliche Ruine von Joseph Hardtmuth im Jahr 1810 errichtet).

Bild 2: Kräftige Föhren am Kamm.

Bild 3: Ausblick ins Mödlingbachtal mit letzten Nebelschwaden.

Darüber die ausgedehnte Altostratus-Bewölkung der ortsfesten Leewolke.

Bild 4: Herrlichter Wald.

Bild 5: Schirmföhrschaft.

Bild 6: Ruine Mödling, im Jahr 1002 erstmals erwähnt, ab 1177 Sitz einer Nebenlinie der Babenberger

Im Jahr 1556 ist die Burg durch einen Blitzschlag komplett abgebrannt.

Bild 7: Oberhalb des markierten Weges nehm ich noch einen aussichtsreichen Mugel mit.

Bild 8: Gegenüber rechts der Husarentempel.

Bild 9: Das ist schon vergangen.

Bild 10: Der Anninger war nicht immer so dicht bewaldet.

Zwischen Breiter Föhre und dem Gasthof Krauste Linde komme ich genau an die Untergrenze der Föhninversion, es wird spürbar milder (ca. 380m Seehöhe).

Bild 11: Der ältere Teil des 1877 erbauten Gasthofs.

Bild 12: Rustikaler Weihnachtsdekor.

Bild 13: Die Rodelbahn vom Kaisergerndl.

Die Steilwandkurven der 1928 erbauten, 1,7km langen Rodelbahn sind heute noch sichtbar. Der Start befand sich beim inzwischen abgetragenen Kaisergerndlhaus, das ursprüngliche Ziel im Kiental. Nach einem tödlichen Unfall im Jahr 1935 wurde die Strecke verkürzt, sie endete bei der Krausten Linde. 1966 wurde hier der "Große Preis von Österreich im Rennrodeln" ausgetragen.

Gleich hinter dem Gasthof verzweigt sich der Weg, der markierte Forstweg geht links weiter. Genau dort befand sich ein befristetes Verbotsschild wegen Forstarbeiten. Ein Radfahrer vor mir ignorierte das Verbot. Ich hörte von weitem schweres Gerät anrollen und flüchtete nach links steil in den Wald.

Bild 14: Oben fand ich diesen schönen Felskamm mit ausgetretenem Pfad, der beim Anninger Schutzhaus endet.

Knapp hinterm Schutzhaus trifft mich dann ein Schwall Föhnluft wie eine geöffnete Backofentür. Ich weiß, es ist schwierig Temperaturen zu schätzen, aber das waren deutlich über 20 Grad. Ich konnte mit kurzen Ärmeln gehen und spürte trotz Wind nicht den Hauch eines Fröstelns. Oben hab ich erläutert, dass die Föhnluft am Alpenostrand durch die Kaltluft, die über den Semmering floss, bzw. die Umströmung des Alpenostrands nicht so warm war wie die maximale Erwärmung hergegeben hätte. Bei 15 Grad in 1500m hätten im Steinfeld Höchstwerte von 28 Grad erreicht werden können. Am Anninger auf 600m immerhin noch 24 Grad. Weit war ich subjektiv gefühlt nicht davon entfernt.

Bild 15: Der erste Blick zu den Alpen mit deutlich sichtbarer Leewolkenkante.

Bild 16: Schneeberg in seiner vollen (schneearmen) Pracht.

Bild 17: Gutensteiner Alpen

Ganz links spitzelt der Göller drüber, dann Traflberg, rechts dominant Unterberg, weiter rechts Hocheck und dahinter Reisalpe und Hochstaff. Ganz rechts Muckenkogel.

Dann hab ich auch schon die Aussichtswarte erreicht. Der Ausblick übertrifft angesichts des aufgelösten Nebels meine Erwartungen.

Bild 18: Abgeschnittene Leewolke

Bild 19: Dunstschicht im südlichen Steinfeld bis Bucklige Welt und Wechsel.

Man beachte den nach Süden abgewehten Rauch der Schornsteine. Der Nordwind transportierte stetig seichte Kaltluft nach und hielt die markante Inversion aufrecht.

Bild 20: Im Südosten ragt das Leithagebirge noch aus der Dunstschicht.

Am Himmel die klassischen lenticularis-Formen, teilweise doppelstöckig (duplicatus).

Bild 21: Anders das Bild im Norden, Richtung Wien ist der Dunst dichter.

Bild 22: Nach Nordwesten hin geht er in Nebelschwaden über.

Im Vordergrund rechts Steinplattl und Hengstlberg (619m) mit Sender, ganz links von den Zweigen verdeckt der Jauerling in 75km Entfernung.

Bild 23: Zwischen Jauerling und Steinplattl leckt der Hochnebel im Donauraum über die Wienerwaldkämme.

Im Hintergrund die südlichen Ausläufer des Waldviertels nördlich der Wachau in rund 90km Entfernung.

Bild 24: Laminare Linsenformen an der Rückseite der ausgedehnten Leewolke über dem Unterberg.

Bild 25: Der Exelberg (516m) schaut knapp über den Hochnebel.

Bild 26: Innerhalb weniger Minuten verschwindet der Gipfel in den Wolken.

Die Nebelgrenze stieg von Norden her sichtbar an. Folge der Ausgleichströmung, die das Leetief im Wiener Becken erzeugte und den mächtigen Kaltluftkörper im Donauraum zurückschwappen ließ.

Bild 27: Der Schornstein links steht deutlich auf Nord, während der Rauch rechts senkrecht aufsteigt.

Das Leetief befand sich also nur wenige Kilometer südlicher und trennte die warme Föhnluft von der einstelligen Kaltluft.

Bild 28: Einzelne Erhebungen des Waldviertels schauen auch rechts vom Hengstlberg aus dem Nebel, etwa 80km entfernt.

Bild 29: Windräder im Nebel, davor der angedeutete mäßige Nordwind.

Im Hintergrund links Leithagebirge, rechts fängt die Rosalia an. Der Blick reicht bis nach Ungarn in das Soproner Becken.

Bild 30: Ausgeprägte Linsenwolken.

Bild 31: Die Wilhelmswarte, derzeit einziger Aussichtspunkt am Anninger, nachdem die Aussichtswarte am Eschenkogel baufällig ist.

Statt den weiten Bogen übers Wetterkreuz zu schlagen, folge ich den gut ausgeprägten Wegspuren weiter, sie führen über einen anfangs steilen Kamm mit schwachen Gratrippen nach Südosten.

Bild 32: Später wird das Gefälle flacher und der Weg verbreitert sich entlang einer Waldschneise.

Bild 33: Bei der Einmündung in den markierten Weg oberhalb vom Roten Kreuz habe ich einen Steinmann gesetzt.

Bild 34: Es wird zunehmend dunstiger, aber nebelfrei.

Bild 35: Von einem Hügel links vom markierten Weg hat man einen schönen Blick auf Gumpoldskirchen.

Bild 36: Pfarrkirche Gumpoldskirchen, ehemalige Burgkirche mit Wassergraben. Die Kirche wurde ab 1200 erbaut, der gotische Hallenbau stammt aus dem späten 14. Jahrhundert.

Bild 37: Links das 1559 fertiggestellte Rathaus am Schrannenplatz.

Bild 38: Schloss Gumpoldskirchen, erbaut im 13. Jahrhundert.

Bild 39: Schlossbewohner.

Bild 40: Kirchenportrait im Wassergraben.

Bild 41: Alte Gasse oberhalb vom Rathaus.

Um 14.49 treffe ich am Bahnhof ein. Als ich an den Fahrkartenautomat trete, schließt sich gerade der Schranken. Als das Ticket gedruckt wird, fährt der Zug ein. Als ich die Unterführung zur Hälfte überquert hat, fuhr der Zug ab. Ich hatte vorher nicht auf die Zeiten geschaut, wuuuuascht....

Bild 42: Stimmungsvolles Abendrot.

Bild 43: Abfahrender Regionalzug Richtung Payerbach.

Bild 44: Ohne Worte.

Bild 45: Einfahrt.

Um 15.25 gehts zurück.

Als Bonusbilder gibts einen grandiosen Sonnenuntergang vom 19.Dezember, den ich von meinem Arbeitsplatz aus fotografiert habe.

Bild 46: Ähnlich wie zwei Tage vorher eine markante Südföhnlage. Hier mit mächtigen Stratocumulus, die sich südlich vom Wechsel stauen. Darüber die Leewolke, aber weniger scharf abgegrenzt.

Bild 47: Optische Täuschung, keine Wolkenkante, sondern mächtige Staubewölkung. Interessanter aber die Fallstreifen unter dem Altostratus, die man auch in den Vertikalschnitten des Wetterradars sah. Leichter Niederschlag, der am Weg zum Boden vollständig verdunstete. Wenn Leewolken Niederschlag erzeugen, ist reichlich unterkühltes Flüssigwasser vorhanden, vereisungsträchtige Wolken, die für die Luftfahrt gefährlich werden können.

Bild 48: Wieder ausgeprägtere lenticulars an der Unterseite der Leewolke und schärfer abgegrenzte Kante Richtung Voralpen, gegenüber übrigens der Anninger.

Bild 49: Altostratus mammatus, nicht zufällig nach einer weiblichen Brust benannt. In knapp fünfundzwanzig Jahren, in denen ich aktiv in den Himmel schaue, habe ich noch nie so ausgeprägte mammatus-Formen gesehen. Typischerweise treten sie an der Rückseite von Gewitterambosswolken (Cumulonimbus incus) auf, wo starke Abwinde einsetzen. Zwar werden sie auch bei Altostratus beobachtet, aber selten so ausgeprägt.

Bild 50: Hier aber sieht man sie gemeinsam mit Altocumulus lenticularis, die auf eine stabile Schichtung hindeuten. Wobei die lenticularis-Wolken tiefer anzusetzen sind als die mammatus, weiter oben befand sich also ein Bereich mit stärkeren vertikalen Auslenkungen. Dazu passen auch die Fallstreifen von Bild 47, die ebenfalls auf Abwinde hindeuten. Die genaue Entstehung von mammatus ist bis heute unbekannt.

Bild 51: Später zog der Himmel alle Register.

Bild 52: Für mich bleiben sie aber die Sensation des Abends

Bild 53: Panorama mit dem Flughafen.

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