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27.07.18 Vernagthütte (2755m) - Breslauer Hütte (2844m) - Wildes Männle (3023m), Ötztaler Alpen

Eckdaten:

  • Wegführung: Vernagthütte(2755m) - Seuffertweg - Breslauer Hütte (2844m) - Wildes Männle über Rofenkarsteig und retour
  • Länge: 12 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 800 hm
  • Gehzeit Gesamt: ca. 5,5 Std.
  • Weginfos: Seuffertweg an einer Stelle seilversichert, Rofenkarsteig mit Kamin/Riss, durch Seil entschärft (A-B)

Nach zwei Tagen mit Knieschmerzen beim Bergabgehen beschloss ich, den zweiten fakultativen Gipfel, der Vordere Brochkogel (3565m), auszulassen. Es bildeten sich zwei Gruppen, Alexandra führte mich, Andrea, Martin, Elke, Peter und Alfred am Höhenweg zur Breslauer Hütte und (optional) zum Wilden Mannle (3023m), Csaba sollte mit den anderen auf den Brochkogel gehen. Ich schlief im bequemen Bett durch, wachte aber um halb fünf schon auf und blieb dann wach. Zum Glück sah ich den großen Weberknecht erst nach dem Aufstehen, der sich 10cm vom Gesicht entfernt an der Bettkante befunden hatte.

Als ich auf die Seitenmoräne oberhalb der Hütte stieg, um die neuesten Wetterkarten aufs Handy zu laden, sah ich die Csaba-Gruppe auf der Terrasse stehen. Kurz bereute ich es, mich gegen den Brochkogel entschieden zu haben, aber die Karten zeigten ab ca. 15.00 deutlich erhöhte Gewittergefahr und aufgrund der Erfahrungen im Abstieg vom Saykogel wollte ich nicht bei mächtigen Quellwolken unter Zeitdruck im brüchigen Kraxelgelände geraten. Die Sorge war vermutlich übertrieben, vom Wetter sowieso, vom technischen Gelände her auch, aber so ist das als Meteorologe, man weiß, was passieren kann und kriegt es nicht mehr aus dem Kopf.

Bild 1: Alpenglühen zu Sonnenaufgang von der Seitenmoräne aus.

Ganz links Ramolkogel und Spiegelkogel, rechts Talleitspitze, Kreuzspitze, Kreuzkogel und Sennkogel.

Bild 2: Vordere, Mittlere und Hintere Guslarspitze.

Bild 3: Abmarsch zum Vorderen Brochkogel.

Bild 4: Alleine auf die Wildspitze.

In der Früh trafen wir den alten Mann wieder und Alex fragte, wo er hin wollte: "Na da, wo alle hinaufgehen!" - "Und wohin?" - "Auf den Gipfel da!" und meinte die Wildspitze.

Bild 5: Die Vegetation lässt die Mondlandschaft nach dem Gletscherrückzug ergrünen.

Wir gingen also gemütlich bei herrlicher Aussicht den Höhenweg Richtung Breslauer Hütte, und machten gut 45min Pause bei einem Tümpel mit Schafherde drum herum, und vielen Kaulquappen und winzigen frisch umgewandelten Fröschen.

Bild 6: Viele bunte Schafe.

Bild 7: Rückblick zum Saykogel (3355m).

Bild 8: Rückblick zur Vernagthütte (Bildmitte), Guslarferner (links) und Vernagtferner (rechts).

Bild 9: Kaulquappen.

Bild 10: Kesselwandspitze (3414m) mal anders.

Bild 11: Idyllische Rast, wo wir es fast eine Stunde aushielten.

Bild 12: Schwarzwandspitze (3466m) und Hochvernagtspitze (3535m).

Bild 13: Erste Quellwolken über den östlichen Ötztaler Alpen.

Normalerweise kein Grund zur Besorgnis, ganz normal an einem heißen Sommertag (und bei +9°C im Schatten auf 2800m sind das über 30°C im Inntal). Alarmierend für den Experten ist die Form der Quellungen, viele kleine Thermikblasen, die alle stärker in die Vertikale als in die Horizontale wachsen. Das deutete auf reichlich Auftrieb hin. Zeitpunkt 10.30 MESZ.

Bild 14: Stärkere Quellwolken über dem Spiegelkogel, links Ramoljoch, unsere dritte Tagesetappe.

Bild 15: Alex mit Talleitspitze am Seuffertweg.

Bild 16: Einzige, versicherte Stelle am abschüssigen Höhenweg.

Bild 17: Danach eben dahin ins Mitterkar, gegenüber Wildspitze.

Links der Wegweiser Richtung Vorderen Brochkogel (nur Steinmänner). Von dort sollte Csabas Gruppe später absteigen.

Bild 18: Brochkogel von Osten.

Bild 19: Stängelloses Leimkraut ( Silene acaulis subsp. exscapa).

Bild 20: Am langgestreckten Gipfelgrat vom Vorderen Brochkogel.

Csabas Gruppe ließ auf ca. 3000m Höhe ein Rucksackdepot zurück, dort blieben Franz und Walter insgesamt 4 Stunden sitzen. Franz genießt das Sitzen in der Sonne generell und Walter vertrieb die Zeit mit Podcasts. Die anderen gingen weiter hinauf, teils im Ier-Gelände über Blockwerk, bis zum Vorgipfel auf ca. 3500m nicht sehr ausgesetzt. Erst die letzten 100m am langgezogenen Grat werden immer schmaler und die letzten 50m sind dann sehr ausgesetzt. Die meisten blieben beim Vorgipfel. Etwas vor dem Hauptgipfel wird anscheinend auch ein Betonfundament für ein neues Gipfelkreuz gegossen.

Zu Mittag kamen wir bei der Breslauer Hütte an. Von allen Hütten am Weg am chaotischsten organisiert. Kellnerinnen überfordert, wenn man die Tische wechselte (was speziell auf der Terrasse eher notgedrungen war, weil dort der Wind unangenehm kalt ums Eck wehte.) Bestellen musste man die meiste Zeit an der Theke, weil man nicht am Tisch bedient wurde. Beim Einchecken mussten die Guides die Kosten für die Übernachtung und Halbpension gesammelt übergeben. Beim Frühstück musste man sich das Geschirr selbst aus der Küche holen. Das Frühstücksbuffet war allerdings in Ordnung. Die Wurstnudeln mittags waren gut gewürzt, wenn auch vermutlich eher Fertiggewürze. Zum Abendessen gab es lieblose Spaghetti carbonara, braucht man kein zweites Mal. Zwar kehren hier viele Tagesgäste ein, die mit dem Sessellift bis zur Stablein (2356m) hinauffahren, andererseits ist die Hütte über die Materialseilbahn zum Rofenhof (2014m) hinab bestens versorgt.

Mit den verbliebenen und weiterhin motivierten Teilnehmern ging Alex nach der Mittagsjause noch aufs Wilde Mannle. Nur Peter nahm den Rucksack mit einer Trinkflasche mit, wir anderen drei beließen es bei einem Riegel. Und zu vielen Jacken. Es wurde eine ziemliche Schwitzerei.

Bild 21: Wildes Mannle gegenüber.

Teilweise über doch etwas ausgesetztere, steile erdige Kehren hinab ins Rofenkar, dann ein kurzes Schneefeld queren, auf die Seitenmoräne, übers Rofenkar, hinauf auf die nächste Moräne und dann links über den Rofenkarsteig hinauf auf den breiten und flachen Gipfelkamm mit einfachem Blockwerk.

Bild 22: Über eine relativ frisch eingedrückte Brücke:

Zuvor war uns ein junges amerikanisches Pärchen entgegenkommen, er mit einem spitzartigen kleinen Flauschhund, der ins Gelände passte wie Stöckelschuhe auf einen Alpinsteig. "Be careful!" sagte sie, "The bridge is broken!"

Dann in steilen, engen, erdigen Kehren hinauf auf die nächste Seitenmoräne. Oben teilt sich der Weg, links über den rot eingestuften Rofenkarsteig oder rechts über den Normalweg? Alfred trocken: "Rot geht nicht, wir ham kein Helm dabei."

Wir blieben fünf Minuten am Normalweg, bis wir erkannten, dass dieser erstmal deutlich bergab führte. "Soviel Zeit hamma net!" sagte Alex und wir gingen dann doch - ohne Helm - den Rofenkarsteig.

Schon von weitem sah ich, wie mehrere Wanderer mit dem Gesicht zur Wand an einer steilen Stelle offensichtlich abkletterten. "Da kraxeln ja welche am Steig!" und Alex in ihrer unnachahmlichen wienerisch intonierten Art: "Aber geeh, des is a Wanderweg!"

Bild 23: Schlüsselstelle.

Bergauf kein Problem, bergab sah ich die Tritte nicht mehr. "Durch die Beine schauen!" riet Alex, doch da versperrte mir meine Jacke die Sicht, die ich mir um die Hüfte geschlungen hatte und die ständig ins Blickfeld baumelte.

Nach dem Ausstieg über viele Platten und Blöcke einfach zum Gipfelkreuz, das nicht am höchsten Punkt steht (3019m).

Am Rückweg hatten wir eine ehemalige Triathletin im Schlepptau, die sich uns zwecks Wegfindung spontan angeschlossen hatte. Alex half mir über die Schlüsselstelle hinweg. Da hatte ich wieder Nähmaschinenknie, war zudem etwas dehydriert und vermisste meine Kletterhandschuhe, die im Rucksack auf der Hütte lagen. Später ärgerte ich mich über meine Schwäche, ich meisterte solche Stellen schon einmal besser.

Bild 24: Wildspitze mit Gipfelwächte und Rofenkarferner.

Bild 25: Schalfkogel (3540m) und Diemferner.

Bild 26: Breslauer Hütte.

Bild 27: Wieder am Rückweg, kleiner Gletschersee unterhalb der vollständig ausgeaperten Steilstufe.

Bild 28: Erste größere Quellwolken im Südosten.

Bild 29: Durchs Fenster der Gaststube erblickten wir plötzlich ein Murmeltier, das ein paar Blumen abfraß und dann wieder verschwand.

Am Abend kam der alte Mann nach 12 Stunden Gehzeit von der Wildspitze runter, wieder alleine. Es stellte sich heraus, dass er erst 63 ist, aber wie 80 aussieht. Trotz der phasenweise verwirrt wirkenden Erscheinung war er offenbar topfit und gut ausgerüstet. Am nächsten Morgen, als er gemeinsam mit den anderen Bergsteigern auf der Terrasse stand, unterhielten wir uns mit einem jungen Bergführer, der drei ältere Damen und Herren am Vortag mit Seil zur Wildspitze geführt hatte. Er war auch Bergretter und beklagte sich über den Mann, der mit seinem Verhalten sich und in weiterer Folge die Retter in Gefahr brachte.

Das mit der Mondfinsternis an besagtem Abend wussten wir schon länger, umso ärgerlicher, dass die prognostizierten Quellwolken sich genau zu Beginn immer höher türmten und den Himmel zumachten. Der einzige Regenschauer in 7 Tagen ging dann genau in den ersten zwei Stunden der Finsternis nieder, bis Mitternacht blieb der Himmel stark bewölkt. Man sah NICHTS. Auf einer exponierten Berghütte ohne Lichtverschmutzung, mit bestem Himmelblick. DAS ist ärgerlich. Aber so hatten wir eine Ausrede, früh ins Bett zu gehen. Bis Mitternacht hätte sowieso niemand durchgehalten. Nach Mitternacht klarte der Himmel wie zum Hohn vollständig auf, in Verbindung mit einer Druckwelle frischte stürmischer Westwind auf, wegen dem ich nachts auf dem Bett aufschreckte, denn wir lagen direkt unterm Dach und etwas klapperte, das wie Kanonenschläge klang. Ich fummelte am Handy herum und schaute mir verschlafen die aktuelle Karte mit den dreistündigen Drucktendenzen an, anhand derer ich erkannte, dass der Wind durch einen starken Druckanstieg verursacht wurde. So konnte ich beruhigt weiterschlafen.

Pointe am Rande: Ich hatte vor dem Weggehen zum Mannle meine Badeschlappen auf das oberste Regalfach weit weg von den Hüttenschlappen für die Allgemeinheit gelegt. Das hat nichts genützt, jemand hatte sie sich ausgeborgt, als ich zurückkam. Nachdem ich sie an den Füßen der ca. 100 Übernachtungsgäste nicht entdeckte, tauchten sie am nächsten Morgen zum Glück an derselben Stelle wieder auf, wo sie gefladert wurden. Nachdem ich sie die Vortage immer gleich angezogen hatte, hatte ich nicht bedacht, dass die Schuhe für öffentliches Eigentum gehalten werden konnten. Das nächste Mal also besser zu den Stecken hängen oder in ein Plastiksackerl.

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