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04.08.17 Blosen (1724m) und Schmiegereköpfel (1458m), Rottenmanner Tauern

Eckdaten:

  • Wegführung: Oppenberg (9.35) - Blosen (1724m, 11.45-12.55) - Schmiegereköpfel (1458m, 14.00) - Ofner (14.50) - Oppenberg (15.45)
  • Länge: 12,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 800 hm
  • Reine Gehzeit: ca. 4,5 Stunden

Unsere fünf Wandertage standen zunächst unter keinem guten Vorzeichen, befanden sie sich doch am Ende einer Hitzewelle mit zunehmend schwülheißen Luftmassen. Der Energiegehalt ließ schwere Gewitter erwarten und die langsame Höhenströmung erhöhte das Risiko von sintflutartigen Regenfällen mit Murenabgängen und Überflutungen. Selten war der Wetterbericht für mehrere Wandertouren für mich so (heraus)fordend wie dieses Mal. Ich wusste, wie rasch sich Gewitterwolken bilden können, wenn die Luft so überhitzt ist. Immerhin hatte es bis zu 23 Grad in 1500m. Selbst in der Nacht kühlte es in Oppenberg (1050m) an den Vortagen kaum unter 20 Grad ab, was dort nicht normal ist.

Die klassischen Wetter-Apps zeigten für Freitag und das Wochenende häufig oder sogar durchgehend Regen. Sie basieren auf den Globalmodellen, das sind Wettermodelle mit relativ grober Gitterpunktsauflösung. Je engmaschiger das Gitter, desto besser können kleinräumige Phänomene wie Gewitter(wolken) erfasst werden. Weitmaschige Gitter können das nicht gut, sie schmieren dann den Niederschlag großflächig irgendwohin und übertreiben das Ausmaß des Niederschlagsgebiets. Apps beziehen ihre "Punktprognosen" jedoch genau an ebenjenen Gitterpunkt, und wenn das Modell da den ganzen Tag Niederschlag drüberschmiert (sei es bei "Oppenberg" oder wenn als nächster Gitterpunkt Rottenmann genommen wird, was im Herbst laut den Gastwirten des Grobbauers dazu führt, dass Gäste glauben, es sei schirch, obwohl der Nebel nur im Paltental hängt, während in Oppenberg, am Sattel gelegen, die Sonne scheint), dann regnet es laut App ganztägig, obwohl es unrealistisch ist. Lokalmodelle wiederum suggerieren mit ihrem engmaschigen Gitter eine höhere Genauigkeit, was auch nur mäßig oft eintrifft. Ich habe für die Vorhersage mehrere Lokalmodelle benutzt und sie aber nicht eins zu eins übernommen, sondern wollte wissen, für welchen Zeitpunkt sie im Umkreis von etwa 30-50km die ersten Gewitterzellen rechnen. Das muss nicht unmittelbar über Oppenberg sein, sondern kann auch westlich, südlich, östlich oder nördlich stattfinden.

Für den ersten Tag hab ich mich am Vortag orientiert, weil sich an der Wetterlage nicht viel geändert hat. Demzufolge sollten die ersten Gewitterwolken zwischen 15.00 und 16.00 MESZ auftauchen. Das war in Übereinstimmung mit den Lokalmodellen, während die Globalmodelle schon ab Mittag Gewitterniederschläge recht großflächig über den Niederen Tauern zeigten.

Noch kurz zu den besonderen Windverhältnissen in Oppenberg, dazu ein Ausschnitt aus dem Digitalen Geländeatlas des Land Steiermark. Rote Flächen deuten steiles Gelände an.

Oppenberg liegt in einem Seitental des breiten Gullingtals am Rohrachbach, der durch eine enge steile Klamm ins Paltental mündet. Auch die Gulling fließt durch einen langen, engen Graben nach Nordwesten ins Ennstal, bleibt dagegen recht breit bis zum Ort Gulling, wo sich das Tal ins Weißgulling- und Schwarzgullingtal aufspaltet. Am Nachmittag und Abend wehte immer ein lebhafter Südwestwind in Oppenberg, also die Rohrach hinab. Gewöhnlich weht der Wind mit der tageszeitlichen Erwärmung talaufwärts. Meine Erklärung ist Folgende: Das Tal des Rohrachbachs ist am Beginn zu schmal und eng und der Talaufwind scheitert an der Steilstufe nach der Klamm und findet so im breiten Sattel von Oppenberg keine Fortsetzung. Das Talwindsystem der Gulling ist, zumindest nach dem Graben ab Vorberg, typisch und stark ausgeprägt, weil die Sonne hier die Hänge gut einheizen kann (zu schattig entlang der Klamm und im Graben). Weil Oppenberg kein nennenswertes Talwindsystem entgegenzusetzen hat, übernimmt am Nachmittag der Talaufwind entlang des Gullingtals das Zepter und greift auf Oppenberg über. Und zwar solange, bis - etwas zeitverzögert nach Sonnenuntergang - das Thermikende erreicht ist und sich die Talwinde umkehren.

Modelle hin oder her - es ist trotzdem Nervenkitzel, zumal wir anfahrtsbedingt erst um 9.35 starten konnten. Da war es bereits brennheiß und der schattige Aufstieg sehr willkommen. Mit Unmengen an Heidel- und Himbeeren am Wegesrand.

Bild 1: Links geht es hinauf.

Bild 2: Blick auf den kleinen Ort Oppenberg, im Hintergrund der Hochgrößen (2115m).

Bild 3: Aufstieg entlang eines gut angelegten, aber steilen Waldsteigleins.

Bild 4: Dann ist der Gipfel erreicht.

Ein weiterer Nervenkitzel für mich ist, wenn man bei Gewitterneigung längere Zeit im Wald aufsteigt und die Entwicklung der Cumulus-Wolken nicht beobachten kann.

So war ich etwas erleichtert. Weit im Norden erste Gewittervorboten in Form von mittelhohen Wolken. Über dem Toten Gebirge und den Haller Mauern ist der Hochnebel von der Früh in flache Quellbewölkung übergegangen.

Bild 5: Zeit für Picknick

Während die Mitwanderer das Essen herrichten, werfe ich immer wieder einen leicht angespannten Blick in den Himmel.

Bild 6: Gipfelkreuz.

Bild 7: Um 12.16 MESZ bilden sich hinter Hochschwung (2196m) und Seitnerzinken (2164m) die ersten mächtigen Quellwolken ("Towering Cumulus", im Flugwetter TCU abgekürzt), Vorstufen zu Gewitterwolken.

Bild 8: Auch die Spinne macht ein Picknick.

Bild 9: Zehn Minuten später wachsen schon kleine Türmchen heran.

Bild 10: Ich mahne zum Aufbruch, aber gebe uns noch mindestens zwei Stunden, bevor es brenzlig wird.

Damit geht sich der Kammweg zum Nachbargipfel noch aus.

Bild 11: Freie Flächen bieten schöne Sichten zum Pyhrnpass und zu den Haller Mauern.

Die kleine Quellwolke im Vordergrund ist harmlos, aber oben in Windrichtung abgeweht. Das deutet auf eine Zunahme des Windes mit der Höhe hin, welche nötig ist, damit sich Gewitter verlagern und längere Zeit überleben können.

Bild 12: 13.30 MESZ. Erste Vereisungsansätze bei entfernten Quellwolken, das Anfangsstadium eines Gewitters.

Bild 13: Links Salberg (1398m), dann Harting (1539m), dann Bosruck (1992m), rechts Pleschberg (1720m), ganz rechts Dürrenschöberl.

Bild 14: Unser nächster Gipfel, das Schmiegereköpfel, dahinter ganz hinten die Hohe Trett.

Bild 15: Kein Gipfelkreuz vorhanden, also muss improvisiert werden.

Statt weglos hinunterstechen, reicht der Forstweg praktischerweise bis zum Kamm hinauf. Nur etwas gatschig ist er anfangs durch den Gewitterregen vom Vortag.

Bild 16: Im Westen bilden sich ebenfalls erste Türmchen.

Mein Nervenkitzel steigt. Stromaufwärts (also westlich von uns) heißt, dort entstehende Gewitter ziehen in unsere Richtung. Ein Grund mehr, das Tempo etwas anzuziehen.

Bild 17: 14.50 MESZ: Richtung Hinteres Gullingtal wirds schon dunkler und weiter rechts (südwestlich) ist das erste Gewitter entstanden, laut Satellitenbild über dem Sölktal.

Bild 18: Jetzt ist es nicht mehr weit und man kann das Pferd genießen.

Über die Zuverlässigkeit der Kompasskarte hülle ich mich in beredtes Schweigen. Oberhalb vom Hof Ofner ist der Forstweg noch vorhanden, verliert sich dann aber im Abstieg. Statt befestigtem Weg muss der Stacheldrahtzaun überquert werden, dahinter ist der Weg völlig zugewuchert.

Bild 19: Reinitypisch weglos hinab.

Bild 20: Das Gelände war schon mal ärger im Abstieg.

Bild 21: Ein Hund kommt herausgeschossen, wedelt aber nur freudig und dreht bald wieder ab.

Bild 22: 15.33 MESZ - Richtung Schoberpass stehen die Gewitterwolken, auch über uns fängt es zu quellen an.

Mit den ersten Regentropfen erreichen wir unsere Unterkunft. Gewitter entsteht jedoch noch keines, auch wenn es in der Ferne grummelte.

Bild 23: Entspannt kann ich später vom Balkon die Gewitterbildungen betrachten.

Wenn der Wind auffrischt, kommt das Gewitter, sagt der Gastwirt. Dann haben es die kräftigen kalten Winde vom Gewitter vom Gullingtal in die Rohrach geschafft. Um 17.30 ist es soweit, eine Gewitterzone erstreckt sich vom Donnersbachtal bis zum Alpenostrand.

Bild 24: Die Folgen eines Blitzschlags.

Um 17.44 MESZ macht es einen Riesenknall. Oben am Kamm des Blosens, wo wir wenige Stunden vorher noch gewandert sind, brennt ein Baum wie eine Fackel lichterloh. Zum Glück löscht der nachfolgende Starkregen rasch das Feuer und verhindert einen Waldbrand. So viel zu den Sorgen vieler Wanderer, bei Gewittern nass zu werden. Das ist die geringste Gefahr!

Bild 25: Kurz darauf Starkregen, stürmische Böen und kleiner Hagel.

Bild 26: Ein Hagelkorn mit gefrorenem Kern (Frostgraupel) und weißer Hülle (Klareis) drum herum.

Durchsichtige Hagelkörner entstehen bei hohem Flüssigwassergehalt, besonders im Anfangsstadium, wenn es in höheren Luftschichten des Gewitters noch nicht abgekühlt hat. Mit fortschreitendem Gewitter kühlt die Umgebungsluft durch die Verdunstungskälte ab und der Flüssigwasseranteil nimmt ab, das Eiswachstum zu und der Hagel wird undurchsichtiger. Hier liegt quasi eine Mischform vor. Dazu passt, dass der Hagel eher an der Rückseite des Gewitters auftrat, und von Westen her die Wolken schon auflockerten.

Es regnete und gewitterte dann noch bis etwa Mitternacht, wenn auch nicht mehr so stark. Stärker traf es Donnersbachwald, das Ennstal, die Sölktäler und Oberwölz, wo große Murenabgänge für Verwüstungen sorgten. Bei uns hingegen kühlte es auf angenehme Werte ab, ganz ohne Schäden.

Schlusspunkt:

War meine Prognose jetzt richtig oder falsch, weil wir um 15.30-16.00 nicht vom Gewitter direkt getroffen wurden? Subjektiv war sie falsch, weil das Gewitter erst mit zweistündiger Verzögerung über Oppenberg zog. Objektiv war sie richtig, weil sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Umkreis von 30-50km Gewitter entwickelt hatten. Erstens lässt sich das nicht auf den Punkt genau vorhersagen, ob sie einen treffen oder nicht. Zweitens entstehen in der Umgebung der ersten Gewitter gerne weitere Gewitter. Drittens schützt erst eine Entfernung von rund 30km vor vereinzelten Blitzschlägen aus dem großflächigen Amboss eines Gewitters. Diese überwinden eine große Höhendistanz und sind meist besonders heftig (sogenannte "positive Blitze"). Viertens hätte sich die Quellwolke, die zu ersten Regentropfen geführt hat, auch zum Gewitter weiterentwickeln können. In meinen Augen ist die Prognose also korrekt gewesen und es war richtig, dass wir rechtzeitig abgestiegen sind. Insbesondere auch im Hinblick auf die hohe Blitzschlaggefahr, was der entzündete Baum eindrucksvoll gezeigt hat.

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