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26. Juli Sonnenspitze (2639m) via Glungezerhütte (2610m), Übernachtung

Eckdaten:

  • Wegführung: Tulfes (923m, 11.45) - Halsmarter (1567m, 13.30 Seilbahn bis Bergstation 2035m, 14.00) - Panoramasteig - Glungezerhütte (2610m, 16.15)
  • Länge: 8,5 km
  • Höhenmeter (Auf/Abstieg): 1300 hm
  • Gehzeit Gesamt (inkl. Fotografierpausen): 4 h
  • Schwierigkeit: - keine

Mein Kurzurlaub in den Bergen war lange geplant, die Lokalität blieb wetterbedingt jedoch ebenso lange offen. Erst vier Tage vor der Anreise entschied ich mich für die Tuxer Alpen, wohlwissend, dass dort die höchsten 850-hPa-Temperaturen erreicht werden sollten (25 Grad + X). Mir war aber klar, dass ich bei drohenden 40 Grad aus Wien weg musste. Gleichzeitig hatte ich das erhöhte Gewitterrisiko am Alpenhauptkamm zu bedenken, weshalb die Zentralalpen ausschieden. Wegen der öffentlichen Anreise durfte das Hüttenziel nicht zu weit sein. Da blieben dann Glungezerhütte (erste Übernachtung) und Meißnerhaus (zweite und dritte Übernachtung) übrig, deren Ausgangsort jeweils mit einem stündlichen Bus an Werktagen erreichbar waren.

Das Abenteuer begann am Freitagmorgen um 6.36 mit dem ersten Zug Richtung Innsbruck, ich erwischte auch rechtzeitig den Bus nach Tulfes, wo ich um 11.45 eintraf. Bis dato lief alles nach Plan. Zur Wegfindung hatte ich eine alte (2004) Alpenvereinskarte sowie eine ausgedruckte Kompass-Karte dabei, die mir den kürzesten (steilsten) Weg (37A, 42) zunächst zur Kalten Kuchl und weiter zur Tulfeinalm zeigen sollte. Schon nach der zweiten Kehre sah ich keine Markierung mehr und fand den Steig zur Kalten Kuchl erst Recht nicht. Ich geriet zudem zu weit nach Osten, unterquerte die Glungezerbahn, was laut Karte gar nicht der Fall sein durfte, und wusste bald nicht mehr, wo ich eigentlich (auf der Karte) war. Am geplanten Steig hätte ich mehrere Quellen gehabt, stattdessen stieg ich zwei Mal querfeldein nahezu entlang der Falllinie des Hangs durch den Wald hinauf, folgte Steigspuren und vermutlich der Skiroute im Winter, die spärlich rotweiß markiert war. In der sengenden Mittagshitze war das kein Spaß - gewöhnlich steige ich zu diesen Zeiten nicht mehr auf. Vorübergehend folgte ich auch der Seilbahntrasse, die - no na net - in der prallen Sonne lag. Irgendwann gelangte ich nach einem weiteren Aufstieg querfeldein zum "Sackweg", von dort folgte ich zunächst dem Forstweg zur "Tulfer Hütte", die viel zu weit östlich lag, bog aber nochmals unterhalb der Seilbahn direkt hinauf, und traf schlussendlich nach rund 600 hm in etwa 90 min (also kein Zeitverlust!) auf die Mittelstation Halsmarter (1567m).

Dort war ich aufgrund des anstrengenden Aufstiegs und der Hitze schon recht paniert und nicht mehr motiviert, den weiteren Aufstieg überwiegend in der Sonne zurückzulegen. Also überwand ich zum zweiten Mal nach 2009 meine Sesselliftphobie und stieg in den vorsintflutlichen Einer-Sessellift, der geschlagene zwanzig Minuten für die 500 hm zur Bergstation (2035m) brauchte. Mit großem Rucksack nicht so einfach, ans Fotografieren war währenddessen nicht zu denken, das Handy klemmte zum Glück in der Hosentasche - ich kam nicht ran. Von dort setzte ich meinen Weg in gemächlichem Tempo (ich hatte ja jetzt Zeit gewonnen) fort. Eine gewisse Unruhe beschlich mich dabei dennoch, hatte ich doch die Wetterkarten vom Vorabend im Hinterkopf, die das Gewitterrisiko von Modelllauf zu -lauf steigerten. Entsprechend konnte ich mir nicht unendlich viel Zeit lassen.

Bild 1: Bergstation (2035m) der Glungezerbahn - mit wenig vertrauenserweckendem Gestell und Sicherungsbügel

Bild 2: Murmeltiere

Gleich fünf Murmeltiere auf engstem Raum begrüßten meinen Besuch auf Tiroler Boden, darunter dieser ungerührte Geselle, der gemeinsam mit einem zweiten "Wachmännchen" die Stellung hielt und vor in Sicht kommenden Wanderern einen Warnpfiff ausstieß. Schräg gegenüber auf der anderen Seite des Weges befanden sich weitere Murmeltiere. Wirklich scheu reagierten sie aber nicht.

Bild 3: Glungezer

Das Ziel vor Augen, die Glungezerhütte auf 2610m, links der Gipfel, rechts verdeckt der Gipfel der Sonnenspitze.

Bild 4: Am Panoramasteig (rot markiert) gibt es nette Tiefblicke ins hintere Voldertal, gut 1000 hm geht's hier hinab.

Bild 5 : Hochgebirge

Links Olperer (3476m) und Fußstein (3380m), rechts das Rosenjoch (2796m) - höchster Punkt des Glungezer-Geier-Wegs, der gleichzeitig Teil des Inntaler Höhenwegs und Fernwanderwegs von München nach Venedig ist (den einige gingen, einzelne auch mit dem Ziel Venedig).

Wie man sieht, befinden sich nordwestseitig noch zahlreiche Schneefelder bis auf etwa 2300 m herab - der Aufstieg aus dem Voldertal über die Gwannschafalm zum Rosenjoch kann also durchaus heikel verlaufen. Im Hintergrund werden die Quellungen mächtiger, über dem Alpenhauptkamm entstehen erste Gewitter.

Bild 6: Rosenjoch

Bild 7: Schauerwolke über dem Karwendel

Während die Prognosen nur von einzelnen Gewittern entlang des Alpenhauptkamms ausgingen, spricht das aktuelle Wolkenbild eine andere Sprache. Über dem östlichen Karwendel hat sich eine mächtige Schauerwolke gebildet, die auch ein paar Fallstreifen zeigt. Bei Temperaturen deutlich über 30 Grad im Tal sind Gewitter nahezu vorprogrammiert. Es bleibt dann nicht mehr nur bei Schauern, das muss einem bewusst sein.

Im Vordergrund der Aufstiegsweg über die ausladenden Fahrwegserpentinen, unten das Unterinntal mit nordseitiger Terrasse.

Ich versuchte also trotz allgemeiner Erschöpfung einen Zahn zuzulegen und erreichte nach gut viereinhalb Stunden, mit Seilbahnunterbrechung, mein Tagesziel. Dort herrscht angenehme Ruhe mit nur wenigen Übernachtungsgästen, es duftet nach frischem Apfelstrudel. Da ich relativ früh an der Hütte ankomme, bekomme ich statt Matratzenlager noch ein (Einzel-)bett im Lager zum Schlafen.

Bild 8: Mountainbiker tragen ihre Räder über das immerwährende Schneefeld unterhalb der Glungezerhütte

Dann fuhren sie den Weg ins Viggartal hinab, der schon zu Fuß sehr steil ist. Mordskerle.

Bild 9: Glungezerhütte und -gipfel

Kurz vor dem Abendessen (18.30) reicht es noch für einen kurzen Abstecher zur Sonnenspitze (2639m), womit ich den Tag mit einem Gipfelsieg abrunde. Von der Hütte sind es nur knapp zehn Minuten unschwierig zum Gipfelkreuz - ideal für Sonnenunter- und aufgänge. Das Schneefeld ist mehr ein Ferner als ein Schneefeld, da es das ganze Jahr nicht vollständig abtaut. Zustande kommt es durch den extremen Südföhn, der den Schnee in die Kuhle weht. Laut der sympathischen Hüttenwirtin Thalia hatte es im Feber diesen Jahres einen Föhnsturm mit über 220 km/h, also deutlich mehr als am Patscherkofel. Auch wenn dies kein offizieller Wert ist, kann ich ihn mir gut vorstellen - hat doch der Osten Innsbrucks üblicherweise weitaus kräftigeren Südföhn als Zentrum und Westen, mit regelmäßig über 100 km/h und Schäden durch umgestürzte Bäume.

Bild 10: Dunkle Wolken am Hauptkamm

Olperer und weitere Zillertaler Gipfel verschwinden langsam unter dunklen Gewitterwolken. Im Vordergrund links der Gratverlauf mit dem Glungezer-Geier-Weg, mittig links das Rosenjoch, rechts Kreuzspitze (mein Gipfelziel am nächsten Tag), rechts die Durrenseespitze (2651m).

Man beachte das ausgedehnte Schneefeld unterhalb der Kreuzspitze, das eine Bruchstelle in der Mitte aufweist. Dort verläuft - glücklicherweise - der Abstiegsweg (rot klassifiziert).

Bild 11: Olperer mit teilweise ausgeapertem Gletscher

Bild 12: Cumulus Congestus über den Tuxer Alpen

Im Vordergrund Voldertal und (v.l.n.r.): Largoz (2214m), Wattenspitze (2321m) und Roßkopf (2382m), ganz rechts schließt der etwas abgesetzte Haneburger (2596m) an.

Bild 13: Gipfelfoto

Bild 14: Schneehund

Bild 15 und 16: Postgewittrige Stimmung

Das Gewitter zieht südlich vom Glungezer vorbei, es donnert kurz, ein paar Tropfen fallen. Dennoch waren sie nicht so weit nördlich erwartet worden - wobei, die Niederschlagssignale im Wettermodell hatten sich schon sukzessive nach Norden ausgeweitet, und direkt unter der Keilachse mit einsetzender Warmluftadvektion und noch ausbleibendem Föhn überraschte mich die nördlichere Gewittertätigkeit nicht unbedingt.

Auf der Hütte waren bis auf wenige Ausnahme überwiegend Fernwanderer anzutreffen, fast alle aus Deutschland. Die meisten wollten am nächsten Tag zur Lizumer Hütte (Gehzeit: 7-9 Std.). Der Vorteil, alleine unterwegs zu sein, ist, immer wieder ins Gespräch zu kommen. So berichteten auch die Weitwanderer davon, zunehmend mit Mitstreitern zu wandern, da man sich immer wieder auf den nächsten Stützpunkten traf. Auch ich unterhielt mich mit zwei jungen Wanderinnen aus Hessen, die den Inntaler Höhenweg schlichtweg nach der Streckenlänge ausgesucht hatten. Ich beging später den Fehler, mich als Meteorologe zu outen. Während ich mit der Hüttenwirtin dadurch ein recht interessantes Gespräch über Schneemassen und Föhnsturm führen konnte, belächelten mich die anderen Wanderer eher, als ich das Gewitterrisiko am nächsten Tag betonte.

Positiv: Je nach Wetterbericht verlegen die Hütttenwirte das Frühstück nach vorne, um allen einen gefahrlosen Übergang zur Lizumer Hütte zu ermöglichen.

Dagegen traf ich bei meinen Gesprächen mit den anderen (deutschen) Wanderern auf einige, haarsträubende Fehler in der Tourenplanung:

So wurde davon ausgegangen, dass man am Höhenweg sowieso Wasserstellen habe, einkehren könnte (gilt beides für die Etappe von der Glungezerhütte bis zur Lizumer Hütte nicht), entsprechend hatten sie zu wenig Wasserflaschen mit, konnten also gar nicht mehr als ihre anderthalb bis zwei Liter mitnehmen, es wurde sich nicht über die Wegbeschaffenheit informiert (Blockwerk, Kraxeleien), die am Folgetag mehr Zeit kostete als gedacht, Wetterbericht auch blunzn (nass durchaus gefährlich am Grat bzw. im Blockgelände), ebenso Schneefelder (Steigeisen??). Ich erwähnte auch zwei mal das erhöhte Gewitterrisiko und den drohenden Wettersturz am folgenden Montag mit heftigen Gewittern. Das einzige, worum sich die Wanderer Sorgen machten: "Zum Glück haben wir warme Kleidung mit und Regensachen." - Hallo?? Bei Gewittern herrscht LEBENSGEFAHR durch BLITZSCHLAG. Das ist Lotterie am Berg - mit dem Leben! Ist es das Wert, auf Gedeih und Verderb die nächste Hütte zu erreichen? Ich kann über so viel Ignoranz nur den Kopf schütteln - und erlebte am Folgetag noch mehr Dummheit, was das Spiel mit dem eigenen Leben betraf. Ich übertreibe nicht - habe Gewitter am Berg erlebt, und brauchte dies kein zweites Mal. Seitdem bin ich extrem vorsichtig, und besonders (!) im Hochsommer ist das Gewitterrisiko eben das um und auf in der Tourenplanung. Sollte man dann vorhaben, einen Höhenweg zu gehen, ist ein Plan B auf jeden Fall hilfreich.

Mein Plan B für den Anreisetag sah so aus, im Zweifelsfall von der Tal- bis zur Bergstation mit der Seilbahn zu fahren, ggf. in der Tulfeinalm das Gewitter abzuwarten, für Tag 2 hätte ich notfalls direkt von der Hütte ins Viggartal absteigen können.

Am Abend gab es ein leckeres 3-Gänge-Menü des Kochs aus Kathmandu, das Vergleichen mit 5-Sterne-Hotels nicht scheuen musste. Wobei - etwas weniger ist manchmal mehr, das Bergsteigeressen hätte mir im Nachhinein mehr Gehalt gebracht, statt Suppe mit Schlagobers, Gselchtem mit Sauerkraut und Vanillepudding als Nachspeise - alles drei sehr darmwindfördernd, und eher unruhigen Schlaf bescherend (Wer am Folgetag hinter mir gegangen wäre, hätte eine Atemschutzmaske gebraucht).

Einem Ehepaar aus Deutschland, schon etwas angeschickert, half ich noch mit meiner Karte aus, da sie statt der Überschreitung zur Lizumer Hütte lieber eine kurze Runde gehen wollte (so wie ich Kreuzspitze und dann Abstieg ins Viggartal). Nach ein paar alkoholfreien Weizen (Elektrolyte auffüllen) ging ich auch schlafen und erfuhr bei der Abrechnung noch, dass ein Blitzschlag zwei Tage vorher (Mittwoch, 24.7.) das Bankomatgerät lahmgelegt hatte.

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