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16.12.13 Seehütte (1643m) - Dreimarkstein (1948m) - Klobentörl (1648m) - Rax-Seilbahn

Eckdaten:

  • Wegführung: Rax-Seilbahn-Bergstation (8.45)- Seehütte (10.25) - Dreimarkstein (1948m, 11.30) - Scheibwaldhöhe (1943m) - Klobentörl (12.45)- Wolfgang-Dirnbacher-Hütte (13.05)- Bergstation (14.45)
  • Länge: 13,5 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 850 hm
  • Gehzeit Gesamt (inkl. Fotografierpausen): 6 Std. (ca. 40 min Pause)
  • Schwierigkeit: am Klobentörl ausgesetzt, unangenehme Querung
Eine Grenzerfahrung am Berg, wieder mit Günter - nach unserer Schober-Öhler-Runde im März. Dieses Mal war das Raxplateau geplant. Nicht bei so angenehmen Bedingungen wie am Vortag und danach, als es leichte Plusgrade und nur schwachen Wind hatte. Wir dagegen mit Minusgraden und teils stürmischen Nordwestwind zu kämpfen. Der Windchill lag dabei um die -28 Grad, was bereits für Erfrierungen auf der ungeschützten Haut ausreicht. Im Tal lag bis etwa 1000 m hinauf kein Schnee, höchstens spärliche Schneereste im Wald, oft vereist zudem.

Schon bei der Auffahrt erzählt uns der Liftfahrer, dass durch den starken Wind in der Nacht oben alles vereist sei. Zudem hat er sich stark verkühlt, nachdem im Berggasthof die Luftfeuchte zu niedrig war und man wegem dem Wind das Fenster nicht öffnen konnte. Kurz, bevor wir die Bergstation erreichen, ist unterhalb von uns eine Gams zu sehen, die auch bei der Abfahrt sechs Stunden später noch am selben Fleck steht. Eine Schaugams fürs Publikum - in Wahrheit der einzige Platz, wo die Jäger nicht schießen, was die schlauen Tiere wissen.

Bild 1: Teile des Semmerings mit Großem, Mittlerem und Kleinem Otter links sowie Sonnwendstein und Erzkogel rechts.

Auf der Sonnenterrasse war der Boden spiegelglatt durch Blankeis.

Bild 2: Schneeberg mit Hauberl

In der Früh hielten sich noch dichtere Wolken, die aber bald auflockerten. Hier tiefe Föhnwolken mit klassischer Steigungswolke (Restfeuchte + Luv + Nordwestwind) am Klosterwappen.

Bild 3: Jakobskogel (1736m) und Scheibwaldhöhe (1943m)

Auch das westliche Hochplateau wies zum Zeitpunkt der Aufnahme noch ein paar Steigungswolken auf. Der Wind blies dazu kräftig und trieb Wolken und Schnee über die Lechner Mauern abwärts. Bizarr war jedoch, dass innerhalb weniger Minuten alle Wolken vollständig verschwanden - wie weggezaubert.

Bild 4: Grashügel im Korsett

Die große Wächte vor dem Ottohaus war vorhanden, zudem mit deutlichem Lawinenanriss (Bild gegen Ende des Berichts), Richtung Törlweg sah man den abgeblasenen Schnee und die Grashügel, die wie Windpocken aussahen (wortwörtlich irgendwie wahr).

Bild 5: Am Weg zur Seehütte abgefräste Schneeschuhwanderspuren.

Bild 6: Fast fachmännisch und mit Liebe zum Detail freigelegt vom Wind, dessen Zweithobby die Archäologie ist.

Bild 7: Breskogel (1924m) und Scheibwaldhöhe (1943m), rechts Bärengrube

Bild 8: Horseshoe Vortex

Dann sah ich ein Phänomen, was man normal nur im Sommer bei Unwetterlagen kennt: der sogenannte Hufeisenwirbel, der scherungsbedingt ist. Bei starker Zunahme des Windes mit der Höhe, wie durch die Stromliniendrängung über dem Raxplateau gegeben, bilden sich manchmal Wirbel um eine horizontale Achse aus. Hier war er bereits in Auflösung begriffen, aber die kurvige Form ist immer noch unverkennbar. Bei sommerlichen Schwergewitterlagen manchmal ein Vorbote von Tornados, z.B. am 8. Juni 2012.

Bild 9: Links die Preinerwand, rechts Wetterkogel mit Karl-Ludwig-Haus, mittig Hochlantsch, links Osser, rechts Rennfeld

Das war kurz vor dem Erreichen der Seehütte. Bis dahin war der Weg durchwegs gespurt, aber teils sehr mühsam durch betonharten Schnee, was man entsprechend in den Gelenken und an den Fußballen spürt. Teils auch etwas Bruchharsch, meist aber abgeblasen, vereist oder fest gepresst durch den Wind.

Bild 10: Karawanken in über 170 km Entfernung

Zwischen Hochlantsch und Rennfeld schauen einige Gipfel der Karawanken heraus (zur Beschriftung anklicken), am prominentesten der Hoch Obir links (163 km)

Kurz darauf erreichen wir die Seehütte und legen die erste Pause bei etwas Windschutz ein. Kurz vor elf kommt der zweite und eindeutig anstrengendste Teil der Tour: Von der Seehütte hinauf zum Trinksteinsattel.

Bild 11: Wir gehen mehr oder weniger Direttissima.

Nicht im Bild ist ein weiterer, riesiger Lawinenanriss oberhalb der Hütte, der zum Glück durch Tauwetter, gefrierenden Regen und anschließendem Frost vollständig eingefroren und damit unschädlich gemacht wurde. So konnte ich direttisima nahezu in Falllinie aufsteigen, was auf dem betonharten Schnee keine Schwierigkeit darstellte, aber dennoch kraftraubend war.

Bild 12: Günter kurz vor Erreichen des Trinksteinsattels (1850m)

Bild 13: Lebensfeindliche Umgebung: Viel Winde und Kälte

Links Predigtstuhl, mittig Heukuppe - eine Mondlandschaft mit zahlreichen Kratern

Bild 14: Fischbacher Alpen und viel mehr

Über die Fischbacher Alpen hinweg sieht man mittag links das weite Nebelmeer im steirischen Becken,
dominant ist dabei noch der Hohe Zetz (1264m, 47 km) mit dem Raasberg (1009m, 51 km) links daneben, die sich am Fuß des Nebelmeers erheben. Ganz hinten am Horizont in Bildmitte ragt das slowenische Bachergebirge in 140 km Entfernung hervor.

Bild 15: Reifblumen

Bild 16: Abgewehter Trinksteinsattel, links Preinerwand

Im Hintergrund links Teile der Buckligen Welt, rechts Otter und Sonnwendstein.

Bild 17: Panorama mit Gesäuse, Dachstein, Buchsteinen, Haller Mauern und Schneealpe im Vordergrund (zur Beschriftung anklicken)

Bild 18: Vom Buchstein über Dürrenstein, Gemeindealpe bis Ötscher

Ganz rechts schaut noch ein Teil des Göllers heraus, mittig im Vordergrund der Amaisbühel auf der Schneealpe

Bild 19: Hochschwab, Hochtor und Planspitze deutlich erkennbar

Ebenso rechts Riegerin, Tamischbachturm und Großer Buchstein. Zentral einige Gipfel des Dachsteins - noch nie so deutlich gesehen.

Bild 20: Das tiefe Nordostkar der Heukuppe (2007m), im Hintergrund rechts Teile der Niederen Tauern

Bild 21: Außer Eis und Reif ist hier nicht mehr viel

Der Untergrund ist sehr hart, besteht großteils nur noch aus einer dünnen Eisschicht, auf dem zentimeterlange Reifblumen gewachsen sind. Zwischendurch schauen blanke Steine hervor. Der Wind ist stärker geworden und weht im Mittel bereits mit etwa 50 km/h, in Böen über 60 km/h. Bei ca. -5 Grad ergibt das einen Windchill über -25 Grad. Mir wird zuerst die linke Wange taub, die noch ungeschützt ist. Später weht der Wind durch meine Winterwanderhose, als bestünde sie aus Seide. Hätte meine lange Unterhose mitnehmen sollen, denn die Schenkel werden bereits eisig kalt. Lange stehen also eher nicht anzuraten, aber in Bewegung verschwindet das Kältegefühl rasch wieder.

Bild 22: Tagesziel erreicht: Dreimarkstein (1948m)

Hier maß ich mit dem Handwindmesser Böen um 72 km/h bei recht konstantem 55er Mittelwind. Im Hintergrund links das Klosterwappen, rechts Krummbachstein und Jakobskogel.

Bild 23: Föhnfische (Altocumulus lenticularis) begleiten uns den ganzen Tag

Bild 24: Ganz links Totes Gebirge im Hintergrund, rechts die Mürzsteger Alpen mit Göller rechts vom Ötscher.

Bild 25: Im Windschatten der Scheibwaldhöhe vermag die Sonne endlich wieder zu wärmen.

Bild 26: Im Krumbachgraben zwischen Waxriegel und Krummbachstein liegt Schnee, das Gahnsplateau ist dafür teilweise aper.

Bild 27: Kuhschneeberg und Schneeberg in vollständiger Erstreckung

Bild 28: Wir waren nicht alleine

Hier sieht es aus, als ob das Plateau direkt an den Jakobskogel anschließt, dazwischen befinden sich jedoch gut 200 hm Gefälle samt Steilwände der Lechner Mauern

Bild 29: Sastrugi (abgefräster Schnee) sorgt vielfach für gepressten Harsch

In Latschennähe hat sich dafür vermehrt Bruchharsch gebildet und man sank plötzlich deutlich ein.

Bild 30: Wir gehen eine Rinne hinab zum Klobentörl, die bei Lawinengefahr eher zu meiden wäre.

Bild 31: Bei der Mittagsrast beobachten wir ein Rudel Gämse

Bild 32: Skitourengeher

Wir grüßen zwei sehr konzentrierte und offensichtlich ziemlich erschöpfte Skitourengeher, die aber nicht zurückgrüßen. Später unterhalten sie sich in fremder Sprache, vermutlich Ungaren. Auf dem brettlharten Schnee wären Harscheisen angebracht....

Bild 33: Der Erste hat bereits das flachere Stück erreicht, während der Zweite den Fehler begeht, zu weit nach links auszuweichen.

Dort bricht er plötzlich in den Latschen ein, schreit schmerzerfüllt, bis der andere zu ihm hineilt. Wie es weiterging, wissen wir nicht. Handschuhe hat er auch nicht getragen, hoffentlich hatte er welche dabei.

Bild 34: Klobentörl

Wir begehen den Fehler, zu weit links vom markierten Weg ins Törl abzusteigen. Dort geht der vermeintliche Weg schön bergab, endet aber bald in einer steilen Rinne. Der Normalweg geht deutlich weiter rechts. Es hilft nichts, wir müssen den steilen, ausgesetzten Hang queren. Hier kommt uns der hart gefrorene Schnee entgegen: Die Schneeschuhen fungieren als Steigeisen und schräg zum Hang queren wir zum Weg, bei dem die Versicherungen beginnen. Mir ist trotzdem etwas mulmig zumute, etwas mehr Vertrauen ins Material könnte mir nicht schaden ... Problemlos erreiche ich die Seilversicherung, auch das erste Stück hinab ist mit Schneeschuhen am Seil festhaltend kein Problem. Da ich dort sehr konzentriert war, gibt es kein Bild, wohl aber eines vom Herbst 2011, als ich ohne Schneeberührung das Klobentörl durchstieg:

Problematisch war das Stück mit den Versicherungen nicht, erst weiter unten, wo die Versicherungen aufhören. Südwandbedingt der einzig weiche Schnee der gesamten Tour, fast so weich wie Butter. Vorteil: Man konnte Tritte in den Schnee hauen. Nachteil: Der Schnee war rutschig und der Hang ist hier anfangs sehr abschüssig. Hochalpine Schneeschuhe sind hier sicherlich von Vorurteil, mit den etwas breiteren Tubbs tat ich mich hier schon schwer, in der Spur zu bleiben und nicht an den eigenen Füßen hängen zu bleiben. Günter ging voran und erleichterte mir das Vorankommen durch seine Schritte im Schnee, in die ich nachfolgend hineinstapfte. Es dauerte jedoch noch ein paar Minuten, bis die Geländeneigung wieder ein für mich erträgliches Ausmaß aufwies und ich wieder etwas unbekümmerter dahingleiten konnte. Ausgerechnet hier befand sich nämlich auch der schneeschuhtauglichste Schnee, weniger Bruchharsch, mehr so etwas wie Pulver unter den Füßen.

Dann gelangten wir an der Wolfgang-Dirnbacher-Hütte (1477m) an, gut 170 hm niedriger als das Törl, aber auch 150 hm niedriger als der Praterstern (1624m), wo wir Richtung Bergstation gehend wieder hinauf mussten. Der letzte große Anstieg also und währenddessen begann auch mein Magen zu knurren. Denn das kraft- und konzentrationsraubende Steilstück das Törl hinab hatte meine Energiereserven schwinden lassen.

Bild 35: Blick zurück zum Klobentörl (Rinne rechts), knapp links davon beginnen die Versicherungen.

Bild 36: Beim "Hofhalt" legten wir eine Sonnenrast ein, die leider vom lästigen Wind verkürzt wurde.

Bild 37: Kurz vorm Praterstern eine riesige Wächte

Nach den Worten Günters tritt sie jedes Jahr auf. Hier sieht man zudem wieder einen deutlichen Lawinenanriss.

Bild 38: Lawinenanriss

Wie eingangs erwähnt, weist auch die mächtige Schneewächte vor den Dolinen oberhalb des Törlwegs einen Anriss auf, der sich entlang der gesamten Länge des Hangs erstreckt. Wie auf dem restlichen Plateau auch, ist er jedoch vollständig eingefroren und so stellt auch dieser Sonnenhang derzeit keine erhöhte Gefahr dar, plötzlich abzurutschen.

Nach einer Stärkung im Berggasthof bei überteuertem Apfelstrudel (die Portion im Friedrich-Haller-Haus ist etwa drei mal so groß) und Glühwein fuhren wir um 15.30 wieder hinab ins milde Tal, wo bereits wie in der Früh lebhafter Westföhn blies. Und dieser war auch der Anlass für das folgende Naturschauspiel, das ich in dieser Ausprägung auch noch nicht erlebt hatte.

Bild 39-43: Keine Föhnfische, nein, Föhn-Ufos!

Anfangs fotografierte ich durch die Busscheibe, mit mäßigem Erfolg. Als der Bus hielt am Bahnhof Payerbach hielt, sprang ich heraus und konnte trotz störender Bäume und Stromleitungen noch ein paar eindrucksvolle Bilder schießen.

Bild 44: Im unteren Bildteil bildeten sich Kelvin-Helmholtz-Wellen in der Föhnwolke aus

Sie benötigen wie die Hufeisenwirbel eine starke Windzunahme mit der Höhe, zusätzlich muss jedoch mildere Luft über kühlere Luft streichen (Grenzfläche). Beides war gegeben und so können sich diese Schwerewellen ausbilden.

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