Start über Innsbruck lokale Windsysteme Föhn Niederschlag Ereignisse Galerie Impressum

27.9.12 - Im Nebel und Windsysteme im Tappenkar

Eckdaten:

  • Wegführung:
  • Länge: 4,0 km
  • Höhenmeter (Auf/Abstieg): 380/380 hm
  • Gehzeit Gesamt (inkl. Fotografierpausen): ca. 1 Stunden
  • Schwierigkeit: im Nebel sind die Markierungen schwer zu erkennen

Der Donnerstag begann trüb durch dichten Nebel, etwas Regen und starken Nordwind. Ich stand zwar wieder früh auf, gegen 7.00, aber konnte mir beim Frühstücken gemütlich Zeit lassen, da der Nebel keine Anstalten machte, aufzulockern. Also verbrachte ich den Vormittag in der Stube, fror erst einmal, ehe mich ein Jagatee aufwärmte..., und hatte genügend Zeit, über Gott und die Welt, und übers Wetter mit mir selbst, aber auch dem Hüttenwirt und dem ersten Gast des Tages zu sinnieren, der auch aus der Gegend kam. Später traf noch Walter ein, ein Alpinist aus Bayern, der von seinen Reisen in Nepal, Uganda und Russland erzählte. Das war spannend zum Zuhören, und später meinte einer von beiden auch, "woher er denn so viele Jagdsteige, etc... wüsste, ja vom Zuhören! Nicht vom selbst reden ("denn das, was man redet, weiß man ja schon"), sondern vom Zuhören lernt man Neues kennen.

Im Laufe des Vormittags ließ der Wind nach, die Sicht blieb schlecht - erst am mittleren Nachmittag zeigte sich erstmals die Sonne. Bald aber bildeten sich durch die aufsteigende Feuchtigkeit neue Nebelschwaden. Das Wechselspiel sollte bis zum Abend anhalten.

Ich macht mir am Vormittag akribische Gedanken über die Beobachtungen der vergangenen Tage, insbesondere über die wechselnden Windrichtungen und warum der Föhn nach Sonnenuntergang und bis Mitternacht jeweils am kräftigsten war. Das ist ohne Kenntnis der exakten synoptischen Lage nicht so einfach, da jeweils gegen Mitternacht die synoptisch-skalige Strömung mit Annäherung eines Kurzwellentrogs intensiviert wurde. Dazu kann die Talgeometrie eine weitere Rolle spielen, denn das Tappenkar liegt zwar nach Süden zu offen, aber durch das Nebelkareck etwas geschützt.

1. Aufziehender Nebel durch Taleinwind

Sowohl am Donnerstagabend als auch am Dienstagvormittag war im Kleinarltal Nebel zu beobachten, den es talaufwärts hinaufzog. Dies erklärt sich durch das größere Talvolumen (breiterer Talquerschnitt) im unteren Talabschnitt gegenüber dem geringeren Talvolumen am (bewaldeten) Talschluss. Wenn nun die Sonne einheizt, fällt der Druck im oberen Talabschnitt schneller als unten und das talaufwärts gerichtete Druckgefälle sorgt für Taleinwind, Hebung und aufziehende Nebelschwaden.

Dies ist auch dann der Fall, wenn der Talabschluss des Kleinarltals bis zum großen Wasserfall mit Nebel gefüllt ist, und sich das Tappenkar mit Sonneneinstrahlung erwärmt. Die Engstelle an der Steilstufe des Tappenkars beschleunigt die Aufwärtsbewegung mitunter noch.

2. Nebelauflösung durch Talauswind

Keine Besonderheiten: Mit Abkühlung und Talauswind sowie durch talabwärts gerichtetem Föhn lösen sich die Wolken auf.

3. Föhn verstärkt sich abends/erste Nachthälfte

Losgelöst von synoptisch-skaligen Ursachen (Trogpassagen) habe ich da sicherlich drei Stunden gegrübelt..., aber ich hatte die Zeit, die Ruhe und ich saß am richtigen Ort. Der Föhndurchbruch ist abends erleichtert, weil sich mit einbrechender Dunkelheit die Hänge abkühlen, die Kaltluft talabwärts fließt, und durch potentiell wärmere Luft oberhalb des Talbodens bzw. des Hangs ersetzt wird. Das ist in diesem Fall die kräftige Südströmung, die dadurch herabgemischt wird. Diese Theorie ist auch als Horizontale Aspirationstheorie (von Ficker 1931) bekannt - man nennt es auch "Föhn als passive Ersatzströmung", weil die Kaltluft einfach durch wärmere Höhenluft ersetzt wird, der Föhn sozusagen passiv bleibt. Die Kaltluftproduktion erreicht etwa gegen Mitternacht den Höhepunkt - oft kühlt die Luft danach nicht mehr markant ab. Das würde auch erklären, weshalb der Föhn in der Früh schwächer war. Andererseits könnte man auch argumentieren, dass die Kaltluft in der Früh so mächtig ist, dass der Föhn entkoppelt wird. Dazu passen auch die "gefühlten" Temperaturen am Mittwoch früh beim Aufstieg zur Weißgrubenscharte.

Die hangabwärts strömende Kaltluft erklärt zwar den erleichterten Föhndurchbruch, nicht aber die Heftigkeit des Föhnsturms. Also hab ich mir überlegt, welche Faktoren eine Strömungsbeschleunigung begünstigen können. Das Volumen des Kleinarltals ist im Vergleich zum Tappenkar (Trogtal) gering, dafür weist das Tappenkar einen höheren "sky-view-Factor" auf, d.h. es ist mehr langwellige Ausstrahlung von den Wiesen als im engen Kleinarltal möglich. Die Auskühlung würde sich in etwa die Waage halten, qualitativ zumindest.

Ich hab dann mal den Talquerschnitt an der Steilstufe des Tappenkars und bei der Schwabalm verglichen. Talquerschnitt und Tiefe verdoppeln sich im Kleinarltal, sodass man den Bernoulli-Effekt in Betracht ziehen kann.

Der Bernoulli-Effekt besagt, dass sich bei einer raschen horizontalen und vertikalen Erweiterung eines Tals die Schichtdicke des Luftstroms abnimmt, weil sich die Luft dann auf mehr Volumen verteilen kann. Wenn die Schichtdicke h abnimmt, muss auch die potentielle Energie abnehmen (E_pot = m*g*h). Aufgrund der Energieerhaltung muss die kinetische Energie zunehmen, was nichts anderes als Bewegung (Wind) ist.

Die Windzunahme bei Talauswind beschleunigt den Wind unterhalb der Steilstufe, wobei sie den Talboden nicht zwingend erreichen muss (in dem engen, schattigen Talgrund kann sich ein Kaltluftsee halten). Wenn aber die Luft vom Tappenkar beschleunigt abfließt, muss von oben etwas nachströmen, und das kann letzendlich die Ursache für die kräftige Föhnströmung sein.

Der hydraulische Sprung und der damit einhergehende Bernoulli-Effekt sind möglicherweise hier sichtbar, unmittelbar nach der Steilstufe:

Ohne jetzt zu weit ins Reich der Spekulationen vorzustoßen, kann man schlussfolgern, dass die Engstelle an der Steilstufe den Bernoulli-Effekt begünstigt, und theoretisch ein sekundäres Windmaximum etwas oberhalb des Talbodens sowie ein primäres Maximum im Tappenkar vorhanden sein müsste. Nachdem bereits in 2300 m 130-140 km/h gemessen wurden und die Hütte nur 500 m tiefer liegt, bedarf es möglicherweise keiner komplizierten Theorien, sondern es hat durch die abfließende Kaltluft einfach den Höhenwind herabgemischt. Windgeschwindigkeiten um die 100 oder 120 km/h waren jedenfalls gut möglich, so wie die Hütte geklappert hat.

Bild 0: Wetterablauf

Meine Skizze, die ich am Donnerstag auf der Hütte anfertigte (ohne technische Hilfsmittel wie Wetterkarten o.ä.), verdeutlicht den Verlauf der Wetterentwicklung von Dienstagmittag bis Donnerstagvormittag:

Am Dienstag herrschte klassisches stabiles Föhnwetter mit leichtem Stau im Süden und Linsenwolken im Norden bei viel Sonnenschein.

Am Mittwochvormittag wurde die Schichtung instabiler und im Süden bildeten sich Schauerwolken. Im Norden sorgte der aufsteigenden Ast der Leewelle für eine ortsfeste flächige Wolke, aus der gelegentlich Fallstreifen sichtbar waren.

Am Mittwochnachmittag wurde die Föhnströmung so stark, dass Schauerwolken vom Luv ins Lee verfrachtet wurden. Der in die Föhnluft fallende Niederschlag erhöhte die Böigkeit des Föhns.

In der Nacht auf Donnerstag wurde die Strömung schwächer und riss ab, die Wolken verblieben südseitig, sodass der Himmel aufklaren konnte. Gleichzeitig schob sich von Norden her sukzessive eine kältere Luftmasse heran. Bevor die Kaltluft das Tappenkar erreichte, war es fast windstill.

Am Donnerstagvormittag schließlich strömte mit starkem, aber nicht stürmischem Nordwind, Kaltluft vom Salzach- und Kleinarltal hinauf, und sorgte für leichten Regen, vor allem aber für dichten Nebel. In der Höhe wehte unverändert Südwind, der nun auf der kalten Luft aufgleitete (in der Fachsprache "Gegenstromlage" genannt). Der Südwind bzw. Südföhn sollte sich im Lauf des Freitagvormittags wieder im Tappenkar durchsetzen ...

In beiden Nächten, von Dienstag auf Mittwoch und von Mittwoch auf Donnerstag wehte am Hauptkamm Föhnorkan, mit Windspitzen um 130 km/h etwa auf der Rudolfshütte und am Sonnblick und 150 km/h am Patscherkofel.

Nachdem sich der Nebel am späten Nachmittag zeitweise etwas lichtete, machte ich mich nochmal kurz auf zu einer kleinen Wanderung. Eigentlich wollte ich aufs Kreuzeck (2204m), bog aber gleich oberhalb der Hütte nach rechts statt nach links ab und folgte unwissentlich dem Weg Richtung Draugsteintörl (2080m). Dass ich mich nicht wunderte, warum der Weg nur langsam anstieg, lag am dichten Nebel, der den Verstand außer Kraft setzt. Oder es waren Nachwirkungen vom Jagatee und Zirbenschnaps, denn die AV-Karte hatte ich auf dem Zimmer vergessen ;)

Bild 1: Kleiner Stausee oberhalb der Hütte, mit dem der Wirt Strom für die Hütte erzeugt

Bild 2: Die Sicht wird nicht besser.

Weiter oben wird die Sicht so schlecht, dass ich die Markierungen kaum noch erkennen kann. Etwas zu früh, nämlich nur wenige hundert Meter unterhalb des Kreuzes am Draugsteintörl, drehe ich um und gehe wieder zur Hütte hinab. Nur wenige Minuten später reißt die Bewölkung nämlich komplett auf, wenn auch nur für einige Augenblicke. Ohne Karte und Orientierung hatte es für mich keinen Sinn, weshalb ich beschloss, zum See hinabzusteigen.

Bild 3: Filigrane Tropfenkunstwerke

Bild 4: Hütte mit Terrasse und Hasenstall, rechts hinten Hittstein, an dem sich die Wege zum Tappenkar und Weißgrubenscharte verzweigen

Bild 5: Der See taucht aus dem Nebel auf

Bild 6: Weißgrubenkopf, darüber letzte Quellwolkenreste

Bild 7: Im Kleinarltal hängt anscheinend die Nebelsuppe, darüber ein paar mittelhohe wellenförmige Wolken.

Bild 8: Schaum

Der Hüttenwirt erzählte mir am Dienstagabend noch, dass sich bei/vor Schlechtwetter Schaumkronen am Südufer bilden, und er daran immer erkennt, wenn das Wetter umschlägt. Dies in Verbindung mit Nordwind. Laut diversen Internetseiten handelt es sich bei dem Schaum um ein Abbauprodukt von Eiweiß, das unter Sauerstoffzufuhr ausfällt. Dies eben dann, wenn durch Wind und Wellen Luft beigemischt wird. An flachem Ufer, wo die Wellenbewegungen am größten sind, ist dies begünstigt. Eiweißproduzenten sind Algen, aber auch Tierleichen, auch Kalkgestein soll die Schaumbildung begünstigen - wenngleich nicht herausfand, wie. Da das Ufer jedenfalls im Süden flacher als im Norden ist, bildet sich der Schaum nur bei Nordwind. Und da - von übergreifenden Schauern/Gewittern abgesehen - nur der Nordwind Abkühlung und Regen bringt, verkörpert der Schaum den Wetterumschwung durch den umschlagenden Wind.

Bild 9: Spiegelungen

Bild 10: Nebel strömt in das Kar hinab

Bild 11: Noch eine Schaumschliere

Bild 12: Wie ein Fischauge

Bild 13: Hinterm Raucheck bleibt der Nebel in Lauerstellung

Bild 14: Weißgrubenkopf mal anders

Bild 15: Dann zog der Nebel den See hinauf

Innerhalb nur zehn Minuten war das ganze Kar wieder von Nebelschwaden eingehüllt.

Bild 16: Als aufmerksamer Beobachter achte ich zuvor auf den Himmel, dessen ausgedehnte Cirrenfelder neuerlich Schlechtwetter ankündigen.

Auch wenn der Hüttenwirt sagt, dass es kein 'schiaches' Wetter gibt, es ist dann lediglich 'nicht schön'. Und wenn es mal einen Tag regnet, dann ist das kein Grund zur Klage. Die Natur habe den Regen vorgesehen, sonst würde es ihn nicht geben. Also soll man nehmen, was kommt.

Bild 17: Auch die Altocumulus-Felder sind mir nicht entgangen

Und dann ists vorbei mit der guten Sicht, und ich bin zurück auf der Hütte, wo sich ein gemütlicher, unterhaltsamer Hüttenabend abzeichnet.

© www.inntranetz.at