Start über Innsbruck lokale Windsysteme Föhn Niederschlag Ereignisse Galerie Impressum

28.9.2012, Wanderung zum Gründeck (2168m), Radstädter Tauern

Eckdaten:

  • Wegführung: Tappenkarseehütte (1820m, 8.00) - Draugsteintörl (2080m, 8.45) - Filzmoossattel (2062m, 9.45) - Gründeck (2168m, 12.15) - Kleinarler Hütte (1756m, 13.10) - Kleinarl (1004m, 14.30)
  • Länge: 17,4 km
  • Höhenmeter (Auf/Abstieg): 1300/1700 hm
  • Gehzeit Gesamt (inkl. Fotografierpausen): 6,5 Stunden
  • Schwierigkeit: keine

Nach einem schönen Hüttenabend mit vielen interessanten Erzählungen folgte eine relativ kurze Nacht, die zudem geprägt war von Grübeleien, was ich am nächsten Tag machen sollte. Fakt war, dass es ein sonniger Tag werden sollte und ich die Wetterbesserung auch ausnutzen wollte. Fakt war außerdem, dass ich den Bus um spätestens 17.11 erwischen musste, um noch zu einer christlichen Zeit in Wien anzukommen. Die unstressigste, aber auch aussichtsloseste Variante wäre gewesen, über das Tappenkar zum Jägersee abzusteigen (Rückweg = Hinweg). Verlockend war aber die ursprünglich geplante Route, vom Tappenkar bis zur Kleinarler Hütte zu wandern und nach Kleinarl abzusteigen. Hier unterschieden sich die Gehzeiten auf den Wegweisern jedoch teils erheblich, mit bis zu knapp 7 Stunden bis zur Kleinarler Hütte, und dann fehlte noch der 1100 hm steile Abstieg nach Kleinarl. Ich war mir nicht völlig sicher, ob ich diese lange Strecke in 9 Stunden bewältigen würde, zumal der Rucksack wieder schwerer sein sollte als bei den Tagestouren von der Hütte aus. Zudem war ich vom Vortag von der Orientierungslosigkeit im Nebel etwas verunsichert und hatte keinen Gusto auf eine Wiederholung erschwerter Wegfindung. Voraussetzung für diese Variante war also Sonnenschein, der ja auch eine psychologische Hilfe darstellt - da mit Sonnenschein alles viel tröstlicher wirkt.

Jedenfalls stand ich um halb sieben auf und schaute aus dem Fenster - die Glingspitze schaute klar hervor, kein Nebel vorhanden. In diesem Moment entschied ich mich, die lange Variante zu gehen, um das schöne Wetter mit guter Fernsicht auszunutzen. Zudem wollte ich auch einen inneren Schweinehund überwinden, eine derartig lange, unbekannte Strecke alleine zu beschreiten. Während ich beim Frühstück saß und gedankenverloren an meinem Marmeladebrot herumkievte, fiel urplötzlich wieder Nebel ein, als der Wind abflaute. Ich wusste aber, dass dies Schönwetternebel war, also jener Nebel, der sich aufgrund der Auskühlung bildet, und nicht mit Nordwind und Kaltfrontaufzug zusammenhängt. Das stimmte mich fröhlich, zumal über dem Nebel zu wandern auch schöne Fotomotive verspricht. Dennoch brachte ich beim Frühstück kaum etwas herunter. Zu oft leider verspüre ich diese Unruhe vor einem Aufbruch.

Ein bisschen Wehmut über den Abschied schwang zudem mit, und ich zögerte das Frühstück noch etwas hinaus, weil ich die Hütte nur ungern verließ an jenem Morgen. Die Ambiente war die ganzen Tage über so erholsam, so freundlich, so freundschaftlich und so bereichernd, wie ich es bisher selten im Leben empfunden hatte. Die Küchenhilfe auf der Hütte, Sabrina, und der Wirt, Hannes, hatten mir wunderbare Tage beschert, und mich so herzlich aufgenommen, dass ich beim Abschied nehmen fest entschlossen war, hierher wieder zurückzukehren, im nächsten Sommer.

Gegen 8.00 verließ ich also die Hütte, drehte mich auch nicht mehr um, weil ich sie schon nach wenigen Minuten vermisste, und so gerne geblieben wäre. Tröstend stimmte nur, dass die Hütte zwei Tage später sowieso ihren letzten Tag der Sommersaison hatte, und ab 1. Oktober ohnehin geschlossen war.

Bild 1: Der erste Abschnitt führte mich entlang des Weges vom Vortag. Ich erkannte die Landschaft ohne Nebel kaum wieder.

Rechts der Scheibenkogel (2251m), links das Wanderpaar, mit dem ich und die anderen Übernachtenden am Vorabend zusammensaßen.

Bild 2: Der letzte Blick hinab zum See, links der Kraxenkogel, rechts Stierkarkopf

Bild 3: Und ein letzter Blick zurück ins Tappenkar - die Glingspitze versteckte sich in den Wolken, nur der Riffel war zu sehen.

Bild 4: Nach einer knappen dreiviertel Stunde war das Draugsteintörl (2080m) erreicht.

Im Vordergrund rechts der Spielkogel (2201m), links aus den Nebelwolken herausschauend das Hundeck (2079m) auf gleicher Höhe wie das Törl.
Im Hintergrund v.l.n.r. (die markanten Spitzen): Hocharn (3254m, 30 km) Großglockner (3798m, 48 km) und Großes Wiesbachhorn (3564m, 42 km)

Bild 5: Der von allen Seiten beeindruckende Draugstein (2358m), der vom Filzmoossattel erstiegen wird

Bild 6: Ein Foto von mir (gegen die Sonne)

Dann geht es kurz hinab, ehe auf 1880 m der Weg zum Filzmoossattel abzweigt.

Bild 7: Blick in den mit Nebel gefüllten Karteisgraben

Bild 8: Blick zur Ankogelgruppe

Bild 9: Filzmoossattel (2062m)

In der Einsattelung oben befindet sich der Filzmoossattel, wo sich der Weg von mir (der Richtung Gründeck bzw. Gründegg weitergeht) und dem Wanderpaar (das den Draugstein besteigt und danach Richtung Großarl absteigt) trennen wird.

Bild 10: Bannerwolke am Gipfel des Draugsteins

Stromabwärts des Gipfels (nach Nordwesten) hat sich eine Bannerwolke gebildet, die man etwa vom Matterhorn her kennt. Ursache: Bei der Überströmung bildet sich im Lee des Gipfels Unterdruck, der feuchte Luft unterhalb des Gipfels nach oben steigen und kondensieren lässt. Das funktioniert hier besonders effektiv, weil die Nordwestseite im Schatten liegt und noch besonders kühl und feucht war.

Bild 11: Vor mir breitet sich der Weiterweg aus

Um die mächtige Flanke des Draugsteins herum ins erste Kar, dann um die Flanke vom Gamsköpfl (2160m, rechts), wieder ins Kar, schließlich am Fuß des Nebelecks (2158m) herum auf eine namenlose Erhebung, und dann immer dem Wiesenkamm im stetigen Auf und Ab folgend bis ganz links zum Gründeck, das hier kurz durch Wolken verdeckt ist.

Bild 12: Gehzeiten

Zum Törl sind es angeblich 75 min, zu schaffen ist es jedoch in 45 min, die Zeit zum Gründegg stimmt dagegen exakt, die zur Kleinarler Hütte habe ich dagegen um gut eine Stunde unterboten. Insgesamt sind sämtliche Gehzeiten in der Region mit Vorsicht zu genießen. Manche stimmen gut, viele sind übertrieben, manche untertrieben. Hängt eben davon ab, ob man abseits der Touristenpfade wandert (realistischere Zeiten) oder auf ihnen (eher großzügige Zeiten) - und sollte bei der Tourenplanung berücksichtigt werden.

Bild 13: Schuttkar vom Draugstein

Der erste Ab- und Aufstieg ist bewältigt, ein reichlich markiertes und älteres Geröllfeld überquert.

Bild 14: Zwischen Gamsköpfl und Nebeleck befindet sich das nächste Kar

Bild 15: Kuhschwammerl

Dann finde ich endlich in den unzähligen Taschen meines Tourenrucksacks meinen Ersatz-Akku und kann wieder weniger sparsam fotografieren.

Bild 16: Blick nach Nordwesten in ein Seitental des Großarltals, das vom Ellmaubach durchflossen wird.

Bild 17: Blick zurück zum Filzmoossattel (links) und Filzmooshöhe (2103m)

Im Hintergrund (v.l.n.r.:) Tischlerkarkopf (3002m), Tischlerspitze (3001m), weiter rechts Rotspitze (2897m) und Hölltorkogel (2905m)

Bild 18: Dann folgen einige namenlose Gupfe

Bild 19: Der Weg zieht sich, und nach jedem Abstieg folgt ein Gegenanstieg, und das ermüdet.

Bild 20: Das Ziel kommt langsam näher, wobei das Roßfeldeck (2165m) rechts des Gründecks als Pyramide dominant hervortritt.

Bild 21: Die Glocknergruppe kommt immer besser heraus, in der Höhe kündigen ausgedehnte Cirrenfelder den nächsten Frontdurchgang an.

Bild 22: Links Draugstein, rechts Filzmooshöhe, im Hintergrund Ankogelgruppe

Bild 23: Die Farbenpracht ist überwältigend.

Bild 24: Blick ins Ellmautal und Großarltal

Bild 25: Links der Ennskraxn schaut der Strimskogel (2139m) hervor, links davon Teile des Toten Gebirges (ca. 80 km), weiter links ein Teil des Dachsteins

Bild 28: Schlussanstieg

Am Roßfeldeck vorbei sehe ich das Gipfelkreuz vor mir, links vorne Höllwand und Sandkogel, dahinter Birnhorn (2634m, 49 km) in den Leoganger Steinbergen,
weiter rechts Breithorn (2504m), Selbhorn (2655m) und Hochkönig (2941m) - alle Hochkönigmassiv.

Bild 27: Rückblick zur Ankogelgruppe, darüber reichlich Cirrus und erste Altocumulus lenticularis

Bild 28: Die Linsenwolken werden allmählich markanter und zeigen einerseits die Intensivierung der Föhnströmung,
aber damit auch die Annäherung der nächsten Front, da es in den oberen Wolkenschichten immer feuchter wird.

Bild 29: Leoganger Steinberge, Hochkönig, Hagengebirge und Tennengebirge

Vor mir der enge felsige Talausgang des Großarltals ins Salzachtal, rechts das Kitzstein (2037m)

Bild 30: Traumhafte Aussicht nach Westen, wo die Kitzbüheler Alpen allerdings weitgehend von aufquellendem Hochnebel verdeckt sind

Bild 31: Auch die Glocknergruppe liegt nochmals in ihrer Gesamtheit vor mir, mit dem Gruppenhöchsten zeitweise hervorlugend.

Bild 32: Draugstein und Filzmooshöhe im Gegenlicht, dahinter wuchtig Hochalmspitze (3380m), Zwölferspitz (2773m), Keeskogel (2884m) und Ankogel (3246m)

Bild 33: Vom Gipfel entfalten sich Gosaukamm und Dachstein in voller Länge

Bild 34: Auch das Tennengebirge ist vollständig zu sehen

Vor mir der Abstiegsweg links an der felsigen Erhebung vorbei und dann rechts hinab zur Kleinarler Hütte.

Bild 35: Zoom auf den klar ersichtlichen Wegverlauf und zur Kleinarler Hütte

Bild 36: Rechts Faulkogel, links das Mosermandl in Wolken

Bild 37: Gipfelkreuz

Bild 38: Bei ungünstigem Licht

Bild 39: Links Dachstein, rechts Ennskraxn, mittig vermutlich das Warscheneck

Bild 40: "Schlüsselstelle"

Die einzige versicherte Stelle der gesamten Wanderung befindet sich im Abstieg vom Gründeck bei der linksseitigen Umgebung des felsigen Gupfs.
Sie ist aber sehr kurz (ein bis zwei Meter) und wenn kein Schnee oder Eis vorhanden ist, völlig harmlos.

Bild 41: Gehzeiten II

Zur Kleinarler Hütte sind 30 min angeschrieben, was exakt passte, der Abstieg nach Kleinarl dauerte allerdings nur 1 h 45 min, also etwa 45 min weniger.

Bild 42: Kleinarler Hütte

Obwohl spätestens jetzt eindeutig ist, dass ich den letzten Bus auf jeden Fall erwische, beschleunige ich das Tempo, um den früheren Bus (um 15.11) zu nehmen. Irgendwie war mit dem Gipfel für mich der Abschluss von vier schönen Tagen vollbracht, und ich hatte die lange Fahrt zurück nach Wien vor mir, die ich nicht spät am Abend vollziehen wollte. Zusätzlich hatte ich mit Freunden am nächsten Tag eine Wanderung von Wien aus vor, was sich nur ausgehen würde, wenn ich nicht zu spät zurückkomme. Ich habe mir also selbst etwas Druck gemacht, war aber andererseits so bewegungsfreudig, dass mir das flotte Tempo nichts ausmachte, ja sogar Spaß machte.

Bild 43: Tu Felix Austria

Also lasse ich die Hütte links liegen, es ist mir sowieso zu viel los dort, und die Hüttenambiente der Tappenkarseehütte war sowieso unerreichbar. Deswegen steige ich gleich weiter ab und presche hinab nach Kleinarl, wo ich gegen 14.30 ankomme. Genügend Zeit, im Supermarkt eine Jause und Proviant für die Zugfahrt zu holen, und sich auf einem Bankerl in der Sonne nochmal entspannt an die vergangenen Stunden und Tage mit gutem Gewissen zu erinnern.

Die sich verdichtenden Cirruswolken deuteten ohnehin an, dass es mit dem Schönwetter bald vorbei sein würde - so gesehen hatte ich mit diesen vier Tagen nicht nur Glück, sondern auch spannendes und abwechslungsreiches Wetter erlebt. Erstmals durfte ich bei Föhnorkan auf einer Hütte schlafen, und detaillierte Studien der lokalen Windsysteme in ungestörter Ruhe machen. Ich habe gelernt, wie gut es tut, alleine zu wandern, sich nichts beweisen zu müssen, spontan in der Tourenwahl zu sein, und ebenso spontan zu sagen: "Nein, den Gipfel lasse ich jetzt aus und nehme einen anderen."

Ich habe erfahren, wie schnell man mit fremden Leuten Kontakte knüpfen und tiefsinnige Gespräche führen kann - und wie eine vorbildlich geführte Hütte aussieht. Ich kann den Hüttenwirt Hannes gar nicht oft genug loben, und dafür danken, was er mir in den Tagen - alleine durchs Zuhören seiner sinnreichen Gespräche - beigebracht hat.

Davon werde ich noch lange zehren.

© www.inntranetz.at