Start über Innsbruck lokale Windsysteme Föhn Niederschlag Ereignisse Galerie Impressum

24.11.2012 - Großer Sonnleitstein (1639m) über Franz-Jonas-Steig

Eckdaten:

  • Wegführung: Parkplatz Hinternaßwald (711m, 9.00) - Franz-Jonas-Steig - Gipfel (1639m, 11.50) - Rast bis 13.15 - Amais-Wies-Hütte (14.15) - Parklatz (15.45)
  • Länge: 11,5 km
  • Höhenmeter (Auf/Abstieg): 950/950 hm
  • Gehzeit Gesamt (inkl. Fotografierpausen): 3/2,5 Stunden
  • Schwierigkeit: keine

Nach einer längeren Durststrecke mit ohne Touren hatten sich Wolfgang und ich den Samstag vorgenommen, um auf den Großen Sonnleitstein, ein Felsgipfel inmitten der Wiener Hausberge, zu gehen. Es bot sich auch an, da südseitig kaum Schnee lag, man auf jeden Fall über der Nebelgrenze sein würde, die Fernsicht ausgezeichnet vorhergesagt war und dazu noch leichte Plusgrade und kaum Wind. Wir starteten vom Parkplatz in Hinternaßwald bei kühlen +4 Grad (laut Autothermometer) und unangenehmen Talauswind. Exakt am Parkplatz vereinen sich die Täler des Wasseralmbachs (Westen) und Reißbachs (Süden). Nur wenige Schritte Richtung Westen war durch die Reißtalklamm hindurch ein Anblick geboten, der uns während der Wanderung begleiten sollte, und mein Meteorologenherz höher schlagen ließ:

Bild 1: Nebelwasserfall am Naßkamm (1210m)

Vom Tal des Altenberger Bachs kommend hatte sich der Nebel immer höher aufgestaut, bis er über den Kamm floss. Weiter im Norden lag die Nebelgrenze viel niedriger, lediglich bei etwa 600 m. Über die Gründe der verschieden hohen Nebelgrenzen lässt sich trefflich spekulieren. Ich muss dazu etwas weiter ausholen:

Exkurs: Wetterlage und Nebelobergrenzen

An jenem Tag herrschte schwache Warmluftzufuhr in der Höhe, vorübergehend mit einer Nordwestströmung oberhalb von 2000 bis 3000 m. Bodennah war die Luftschicht durch eine Absinkinversion entkoppelt, die Süd- bzw. Ostströmung darunter war äußerst schwach. In der Nacht zogen teils ausgedehnte mittelhohe Wolken durch, die durch Gegenstrahlung die Ausbildung von Bodennebel großteils verhinderten - den Hochnebel konnte es aber nicht verhindern.

Am frühen Vormittag, als der Nebelwasserfall bestand, dürfte die nächtliche Auskühlung das Kaltluftreservoir südwestlich des Naßkamms aufgefüllt haben, weshalb die Nebelgrenze hier anstieg. Im Wiener Becken war die Kaltluft aufgrund des größeren Volumens der ''Ebene'' viel flacher, auch fehlte eine mäßige Ostanströmung des Alpenostrands, der den Nebel hätte stärker aufstauen können. Stattdessen meldeten viele Stationen im Wienerwald und im Steinfeld sogar Westwind, also bodennahes Ausfließen der Kaltluft aus den Tälern. Auch dies sorgt für ein Absinken der Nebelobergrenze.

Der Nebelwasserfall ist ein typischer Gap flow-Effekt, eine Strömung durch einen engen Gebirgseinschnitt, der an zahlreichen weiteren Pässen in der Umgebung zu finden ist, z.b. am Semmering, am Klostertaler Gscheid, am Preiner Gscheid, durchs Gippeltörl, am Präbichl, beim Hocheck, usw... Tagsüber hängt das Verhalten des Nebelwasserfalls dann von Wind und Sonne ab. Ändern sich die großräumigen Druckverhältnisse, dann kann es den Nebel regelrecht absaugen, oder die vertikale Durchmischung löst den Nebel auf. Die Sonne schafft es um diese Jahreszeit oft nicht mehr, den Nebel zu verdunsten. Möglicherweise verstärkt sie das Überströmen vorübergehend, indem die Talseite stromabwärts erwärmt wird und der resultierende Druckfall den Nebel regelrecht über den Kamm zieht. Beim Abwärtsströmen erwärmt sich die Luft mit 1 Grad Celsius pro 100 m, und die relative Feuchte nimmt ab, der Nebel löst sich auf. Obwohl stundenlang Nachschub an feuchter Luft kommt, reicht die Nebelwalze nicht bis zum Boden. Das ist höchstens anfangs der Fall, wenn zu Sonnenaufgang auch stromabwärts vom Kamm feuchtkalte Luft liegt.

Vorstellbar sind an der Oberseite des Nebels auch Kelvin-Helmholtz-Wellen, da hier wärmere Luft auf wesentlich kälterer Luft aufliegt. Zwischen Kaltluft- und Deckschicht nimmt der Wind zu, sodass die Voraussetzungen für Kelvin-Helmholtz-Instabilität erfüllt sind. Das verursacht charakteristische Wellenkämme am Oberrand des Nebels. Was hier geschieht, ist nichts anderes als Bora, wie man sie von der Adriaküste kennt. Natürlich viel kleinräumiger, aber der meteorologische Prozess ist identisch. Auch Föhn funktioniert nur so, aber im Gegensatz zur Bora ist das Gefälle so groß, dass die erwärmte Luft wärmer als die Luft am Talboden ist. Bei Bora reicht das Gefälle nicht aus, und/oder die Luft ist stromaufwärts sehr kalt bzw. stromabwärts sehr warm.


Bild 2: Links das Gamseck (1857m), rechts der turbulente Wasserfall in den

Kurz darauf biegen wir nach Norden in den steilen Graben ab, durch den der Franz-Jonas-Steig in engen, steilen Serpentinen rasch Höhenmeter gewinnend hinaufführt.

Video von etwas weiter oberhalb gegen 10.00 MEZ:

Wolfgang beschreibt ein ähnliches Phänomen, allerdings zu einem anderen Zeit an einem anderen Ort (3. November, Kleine Karpaten).

Bild 3: Nachdem wir den unangenehm lehmigen Teil hinter uns gelassen haben, zieht der Weg durch den von Orkan KYRILL in Mitleidenschaft gezogenen Hang hinauf:

Am Ausstieg folgt eine kurze, plateauartige Fläche. Wir zweigen kurz vom Weg ab, da sich ostseitig des Kamms ein schöner Blick zum Schneeberg bietet.

Bild 4: Kuhschneeberg, Schneeberg und Krummbachstein (über die nördlichsten Ausläufer der Rax herausschauend)

Im Naßtal letzte flache Nebelfelder, kompakter die Nebeldecke dagegen im Wiener Becken (links vom Hutberg) in der Ferne.

Bild 5: Zoom nach Norden

Im Vordergrund Großer Fegenberg (1186m), dahinter links Hutberg (1170m), ganz links mit der flachen Kuppe Hochwald (919m), dahinter länglich Hoher Lindkogel (834m, 46km), rechts dahinter Anninger (675m, 55 km). Bei optimalen Bedingungen könnte man bis zum höchsten Berg der Weißen Karpaten, dem Vel'kà Javorina (970m) schauen, aber für 193 km Sichtweite wars dann doch zu dunstig - er stünde übrigens links vom Lindkogel über dem Hochwald....

Bild 6: Vom Plateau zum Naßkamm, links Gamseck und ganz links Habsburgerhaus

Bild 7: Am Wasserfall kann man sich gar nicht sattsehen.

Dann geht es nochmal kurz steil, ehe eine schier endlose Querung leicht ansteigend zum Gipfelkamm folgt.

Bild 8: Hier liegt der Gipfelfelsen bereits vor uns, die Farben noch blass aufgrund der mittelhohen Wolken.

Bild 9: Ausgedehnte Altocumulus-Felder verhindern den Sonnenschein, den Nebel stört es nicht

Bild 10: Links Handlesberg (1370m); Hoher Lindkogel und Sooßer Lindkogel (713m) schälen sich am Horizont aus dem Nebel heraus.

Bild 11: Gesäuse, Kräuterin und Totes Gebirge

v.l.n.r.: Großer Buchstein (2224m, 80 km), Hochstadl (1919m,43km), dann über den Kräuterin-Stock schauend
Mittagskogel (2041m), Natterriegel (2065m) und Hexenturm (2172m, alle 87 km), rechts Fadenkamp (1804m),
dunkel und niedrig erscheinend Kleiner Pyhrgas (2023m,92 km) und dahinter das Warscheneck (2388m, 105 km),
rechts schließt noch das Hochkar (1808m) mit Sendeturm an. Im Vordergrund Nebelschwaden, später nur noch Dunst.

Bild 12: Hochschwab und Ennstaler Alpen

Im Vordergrund Hohes Waxenegg (1647m), links dahinter Hochschwab und Ebenstein, dann Brandstein (2003m,52 km),
weiter rechts mit Doppelgipfel Lugauer (2217m,72 km), rechts davon Gsuchmauer (2116m,76 km).
Rechts vom Waxenegg Großer Ödstein (2335m, 80 km), Riegerin (1939m, 44 km), rechts noch Sparafeld (2247m,86 km) und Planspitze (2117m, 77 km)
, das Hochtor ist knapp von der Riegerin verdeckt, bzw. spitzelt schwer erkennbar drüber.

Bild 13: Von den Haller Mauern bis zum Toten Gebirge

Rechts vom Hochkar spitzelt der Große Hochkasten (2389, 119 km) und weiter rechts die Spitzmauer (2446m, 118 km) drüber,
ganz rechts deutlich Brotfall (2360m, 118 km) und Großer Priel (2515m, 118 km)

Bild 14: Raxalpe

Scheibwaldhöhe (1943m), Dreimarkstein (1948m), Predigtstuhl (1902m) und Heukuppe (2007m),
rechts vom Naßkamm schließt der Aufschwung zum Amaisbichl an, hinten lugt die Fortsetzung der Nebeldecke heraus,
im Hintergrund Fischbacher Alpen mit Amundsenhöhe (1666m)

Bild 15: Nach Norden

Am Schwarzauer Gippelmauer vorbei fällt der Blick ins Mostviertel, mit den höheren Erhebungen der Wachau und des Unteren Waldviertels im Hintergrund.

Bild 16: Gipfeleintrag (im Hintergrund Gemeindealpe, Kleiner Ötscher und Göller)

Bild 17: Vom Toten Gebirge über das Sengsengebirge bis zu den Ybbstaler Alpen

Rechts vom Priel schließt der Große Zellerhut (1639m) an, rechts folgen Gamsplan (1902m), Hoher Nock (1963m, 98km) und der Hochsengs (1838m, 104 km),
ganz rechts Dürrenstein (1878m, 43 km)

Bild 18: Wolfgang bei der Gipfeljause

Bild 19: Nach Norden zu fällt der Sonnleitstein wie viele Voralpengipfel steil ab

Mit dem zunehmend kräftiger werdenden Sonnenschein werden die hellen Kalkfelsen angeleuchtet,
der Kontrast zum Waldebengraben, das vom Schwarzriegelbach durchflossen wird, wird noch größer.

Bild 20: Der durchaus alpine Gipfelgrat, dahinter Kuhschneeberg und Schneeberg.

Bild 21: Weite Teile des Hochschwab-Massivs

Bild 22: Novembersonne

Von vier Wanderern abgesehen gehört der Gipfel uns am Nachmittag alleine.
Von Westen her wird es nun zunehmend sonnig, dabei herrscht immer noch nahezu Windstille. Rechts Göller und Schnalzstein.

Bild 23: Schneeberg-Gruppe

Auch die östlichen Gipfelfelsen beginnen zu leuchten, die Schneeberg-Gipfel zeigen sich in voller Pracht.

Bild 24: Hoher und Sooßer Lindkogel

Links vom Hutberg ist der Mariahilfberg bei Gutenstein zu erkennen, dahinter liegt das Piestingtal mit Pernitz mit dem Hochnebelrest.
Dahinter befinden sich v.l.n.r.: Almesbrunnberg mit der Einsattlung ('Jagasitz', nebelfrei), Hohenwart, Einsattlung 'Hals' mit Nebelwasserfall, der den Übergang zwischen Triesting- und Piestingtal bildet, und ganz rechts Waxeneck.

Bild 25: Der steile Nordabfall mit letzten Schneeresten auf rund 1400m.

Bild 26: Auch Wolfgang kann sich nicht sattsehen (fotografieren)

Bild + Video 27: Der Wasserfall schwächelt, aber lebt (13.15 MEZ)

Bild 28-32: Mit der Novembersonne ergeben sich schöne Kontraste beim Abstieg

Wir queren wieder endlos lang nach Westen, nur wenig an Höhe verlierend, ehe es steiler hinab zur Amais-Wies-Hütte geht, dort entscheiden wir uns für die Forststraße, nachdem der weitere Weg entlang des Bachs etwas nass ist.

Bild 33: Blick in den zerklüfteten Nordteil der Rax, darüber Scheibwaldhöhe und Dreimarkstein

mit Bärenloch, Rote Wand und den Klettersteigen, die zum Habsburghaus führen

Dem Forstweg folgend gelangen wir rasch wieder zum Ausgangspunkt der Wanderung,
dabei bemerken wir - wie schon am Hinweg - wie wir wieder in die Kaltluftschicht am Bach eintauchen,
schlagartig wird es um einige Grad kühler und mit dem schwachen Talauswind beißender.

Bild 34: Der Nebel züngelt noch, aber ist erheblich tiefer und weniger als vorher.

Bild 35: Kurz darauf schiebt wieder mehr drüber, aber nicht so hoch wie vorher.

Zum Abschluss einer wunderbaren Spätherbstwanderung noch drei Bilder von Wolfgang:

Bild 36: Am Beginn des Steigs

Bild 37: Gipfel

Bild 38: Eier-Jause

Danke für den wunderbaren Tag am Berg, Wolfgang!

© www.inntranetz.at