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Antizyklonaler Südföhn am Wechsel (Oststeiermark)

In der modernen Föhntheorie - bereits 1866 von Julius v. Hann postuliert, aber leider in Vergessenheit geraten, und dann durch Heinrich von Ficker (ja, der hieß wirklich so, kann ich auch nix für) in die bekannte Theorie umgewandelt, die man bis heute in den meisten Schul- und Lehrbüchern findet, und die in dieser Form falsch ist - ist nicht der Niederschlag Voraussetzung für den Föhn, sondern Temperaturunterschiede zwischen Luv und Leeseite eines Gebirges.

Zur Begrifflichkeit: Wenn die Alpen von Süden angeströmt werden, dann liegt die Alpensüdseite im Luv (windzugewandt), die Alpennordseite im Lee (windabgewandt).

Voraussetzung für Föhn sind potentiell kühlere Luftmassen im Luv, die ins Lee strömen und sich dabei mit konstant 1 Grad Celsius pro 100 m ( = trockenadiabatischer Temperaturgradient) erwärmen. Sorgt dies im Tal für einen Temperaturanstieg, spricht man von Föhn, bei Temperaturabfall von Bora. Bora tritt daher bevorzugt dort auf, wo die Leeseite in Meeresnähe liegt (Adria, Schwarzes Meer), gelegentlich auch inneralpin (Inntal, Südalpen).

Der Clou ist nun, dass dies auch funktioniert, wenn im Luv kein Niederschlag fällt. Es ist sogar in Österreich, speziell östlich des Salzkammerguts recht häufig der Fall, während in der Schweiz die meisten Föhnereignisse mit Niederschlag im Luv verbunden sind.

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In meiner Studienzeit hab ich diese Handskizze angefertigt, sie spiegelt den Stand der Föhnforschung im Jahr 2010 wieder:



Sie zeigt einen Berg und ein Tal, der Wind weht von links nach rechts.

Beispiel: Südföhn, dann repräsentiert der Berg den Alpenhauptkamm und das Tal rechts die Alpennordseite, das Tal links die Alpensüdseite (Poebene).

In blau dargestellt ist die Kaltluft, die auf der Alpensüdseite liegt. Sie bleibt dort liegen und gelangt bei Föhn nicht (!) über den Hauptkamm nach Norden. Das zeigen auch diverse Feldstudien/Messkampagnen. Weil sie dort liegen bleibt, spricht man auch von Totluft. Nur bei seichtem Föhn gelangt die Kaltluft über niedrig gelegene Alpenpässe (z.B. Brenner) ins Lee.

Kaltluft gibt es auch im Lee. Wenn diese Kaltluft ausgeräumt ist, hat die Föhnluft den Talboden erreicht. Zuvor weht im Inntal der vorföhnige Westwind (in der Kaltluft).

Die roten Linien/Pfeile verkörpern die wärmere Luft in der Höhe. Das entspricht dem Normalzustand der Atmosphäre (je weiter rauf, desto potentiell wärmer) bei einer stabilen Luftschichtung. Auf der Luvseite herrscht eine stabile Schichtung, im Lee wird sie instabil, erst dadurch kann die Föhnluft absteigen (durch Turbulenz). Auf dem Gebirgskamm und knapp dahinter im Lee treten die stärksten Winde auf, da hier die Stromlinien (die roten Linien) eng beieinander sind. Die warme Föhnströmung wird förmlich an den Berg gepresst, die Luft muss aber irgendwo hin, sie wird daher schneller.

Die Skizze ist komplex, ich weiß, sie lässt sich auf folgende Paintskizze vereinfachen:



Die Stromlinien steigen im Lee ab, damit sinkt die auch die Föhnströmung ab. Da die Föhnströmung aber wärmerer Luft entspricht, die auf kälterer Luft aufliegt, sinkt auch die Inversion (= Temperaturumkehr) ab.

Und das ist, was man sich für die kommenden Landschaftsfotos merken muss: Die Föhninversion sinkt im Lee ab.

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In der Theorie hab ich das verstanden, es lässt sich sogar auf sehr komplexe Art und Weise ausrechnen, wodurch dieses Absinken zustande kommt. Wie das in der Praxis aussieht, konnte ich aber noch nicht beobachten, und die Hochwechsel-Fernsicht am 18. Oktober lieferte diesbezüglich den Aha-Effekt:

Bild 1 zeigt Teile des unter Dunst liegenden Grazer Beckens. Ein bedeutender Anhaltspunkt zur Bestimmung der Dunstobergrenze (= Inversion) ist der Schöckl (1445m), der freistehende Berg in der Bildmitte, dessen Gipfelbereich noch aus dem Dunst herausragt. Im Hintergrund ist noch der Große Speikkogel (Koralpe) zu sehen. Die Obergrenze liegt bei etwa 1200 bis 1300 m, was Vertikalmessungen in der Früh (5.00 MESZ) belegen (das Foto wurde wesentlich später um ca. 14.30 MESZ aufgenommen).



Bild 2 zeigt die Situation am Alpenostrand (Wiener Becken), wo die Dunstobergrenze tiefer liegt. Die Hohe Wand (links) ragt noch knapp aus dem Dunst heraus. Die Vertikalmessung um 14.00 MESZ in Wien zeigt den Temperaturanstieg in ca. 950 m.



Genau zwischen beiden Inversionsregionen liegt das oststeirisch-burgenländische Hügelland (Günser Gebirge, Bucklige Welt, Wechsel, Semmering...), und hier wehte um die Mittagszeit lebhafter, föhniger Südwind.

Im Bild 3 sieht man den Niederwechsel und das Günser Gebirge dahinter. Rechts (im Südwesten) befindet sich die höhere Inversionsgrenze, links (im Nordosten) die tiefere Inversionsgrenze. Erkennbar daran, dass die niedrigere Inversion links eine scharfe Obergrenze aufweist, während die höhere Inversion mit dem Himmelsblau darüber zu verschmelzen scheint (extreme Kontrastbearbeitung zeigt auch einen schrägen Abfall von rechts nach links).



Die Bilderserie beweist, dass dieses Absinken der Inversion über und nach dem Gebirge tatsächlich stattfindet. Dies erklärt die lebhaften Winde am Gipfel des Hochwechsels sowie auf benachbarten Gipfeln.

Und es zeigt außerdem, dass für Föhnentstehung kein Niederschlag auf der Luvseite Voraussetzung ist, denn gab es außer Dunst nicht einmal Bewölkung im oststeirischen Hügelland.

Was ist hier passiert?

Großräumig lag der tiefere Luftdruck und die potentiell wärmere Luft nördlich der Alpen, das hat eine südliche Anströmung bedingt. Dahinein pflanze ich den Wechsel. Das Gebirge sorgt für eine Anpassung der südlichen Strömung, sie sinkt im Lee des Gebirges (= Steinfeld, Bucklige Welt) ab (ohne Gebirge würde nix absinken), durch das Absinken wird die Strömung auf dem Wechsel schneller, und die Luft erwärmt sich zugleich mit 1 Grad pro 100 m => FÖHN.

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