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11.Oktober 2005 - hochreichender Südföhn in Innsbruck

heute gab es in Innsbruck wieder einmal Föhndurchbruch mit Spitzenböen um 50km/h aus Südosten.Es handelte sich dabei um hochreichenden Föhn bei gegebener , wenn auch nur sehr schwacher Südanströmung in der Höhe. Im heutigen Beitrag möchte ich ein wenig näher auf den Westwind eingehen, der vor Föhndurchbruch in Innsbruck zu wehen pflegt und daher vorföhniger Westwind genannt wird.

Teil 1 - Synoptische Wetterlage

Ein kräftiges Hochdruckgebiet über Russland, das auch in höheren Schichten ausgeprägt ist, lenkt das frontale Geschehen weit um Mitteleuropa herum von den Britischen Inseln bis zur Barentsee. Der korrespondierende Langwellentrog dehnt sich bis zu den Azoren aus. Damit verbleibt West- und Mitteleuropa in einer unterschiedlich starken südlichen Anströmung.

Eine schwache zyklonale Isobarenausbuchtung über Benelux, Schwarzwald und dem Mühlviertel deutet den Vorstoß wärmerer Luft nördlich der Alpen an. Das Gegenstück bildet eine antizyklonale Isobarendelle , die sich über Ostitalien bis nach Südfrankreich erstreckt und Kaltluftadvektion südlich der Alpen andeutet.Auffallend ist eine Kaltluftblase in 500hPa , die sich mit -20°C quer über Österreich und den Balkan legt und in den weiteren Stunden Tirol überquert. Dieses verbleibt hier noch im Einflussbereich eines sich auffüllenden Kaltlufttropfens an der Südflanke des Hochdruckgebiets.

In der VERA-Analysekarte von 12 UTC erkennt man einen deutlichen Luvkeil auf der Alpensüdseite durch die Bildung eines Kaltluftsees insbesondere um den Gardasee. Auf der Alpennordseite hingegen ein abgeschlossenes Leetief über dem Vorarlberg und Allgäu mit 1018hPa - im weiteren Verlauf ein Leetrog nach Osten hin. Der Druckunterschied zwischen Innsbruck und Bozen betrug am Tage um die 6 hPa, später auf 4hPa absinkend.
Aus hydrostatischen Gründen kommt es damit zu einem Dichte- und Druckgefälle zwischen Süd und Nord, was eine Ausgleichsbewegung erforderlich macht, die als Südföhn Innsbruck erreicht . Zu klären ist hier jedoch, ob es sich um seichten oder hochreichenden Föhn handelt.

Die NMM-Streamlines für 9 UTC zeigen eine sehr schwache südöstliche Anströmung mit kaum messbaren Windgeschwindigkeiten, die jedoch für hochreichenden Föhn ausreichend ist.

In 700hPa für 12 UTC ist die Südostströmung etwas dynamischer, d.h. stärker ausgeprägt. Tirol und insbesondere Innsbruck liegt dabei im Grenzbereich zwischen synoptischer Südostströmung und gradientschwachen Südwinden.

Fazit: In unserem Fall handelt es sich um hochreichenden Föhn, der bis ca. 700hPa hinaufreicht. Da das hydrostatische Ungleichgewicht zwischen Alpennordseite und Alpensüdseite gegenüber der hochreichenden, aber nur schwachen Südanströmung dominanter war, wurde hierdurch der Aufbau eines hydrostatischen Druckgradienten gegeben. Nachdem tagsüber infolge anhaltenden Hochnebels keine Einstrahlung und damit Abbau des Kaltluftsees (Luvkeil) auf der Alpensüdseite gegeben war, konnte der Föhn weiter aufrechterhalten werden.
Weitere föhnbegünstigende Bedingungen entstanden durch die Kaltluftblase in 500hPa bzw. durch schwache Kaltluftadvektion am Rande des Kaltlufttropfens :

In 700hPa wurde hier etwas kühlere Luft herangeführt, was sich teils auch bis rund 800hPa bemerkbar machte und die Temperaturmaxima auf den Bergen (Patscherkofel, 2241m; Sattelberg 2104m) drückte. Gleichzeitig aber bewirkte die Kaltluftadvektion in der Höhe eine Labilisierung der wärmeren Luftmassen darunter und somit eine bessere Durchmischung (der sonst inversen bzw. isothermen Schichtung), wodurch der Föhndurchbruch ins Inntal weiter favorisiert wurde.

Der Radiosondenaufstieg von 3 UTC zeigt eine markante Bodeninversion durch starke bodennahe Auskühlung, darüber eine schwache Temperaturabnahme, bis zur Absinkinversion in 700hPa sogar eine Isothermie bis Temperaturzunahme, welche durch die Südströmung zustande kam. Dem entsprechend herrschte am Boden vorföhniger Westwind in Form von stärkeren Ausfließen , darüber die Südsüdostkomponente des durchbrechenden Föhns und oberhalb 700hPa zunehmende synoptische Ost- bis Nordostströmung. Letztere entstand durch die Passage der Längsachse des Kaltlufttropfens (vorderseitig Südost, rückseitig Nordwest, in der Achse Nordost) .

Teil 2 -Entwicklung der Föhnsituation im Wipptal und in Innsbruck

Die folgenden Diagramme beziehen sich auf die Stationen Ellbögen (im unteren Wipptal), Sattelberg (am Brenner) und Innsbruck-Universität.
Beginnen möchte ich mit dem Sattelberg:

Der Verlauf von Windrichtung und -geschwindigkeit verdeutlich sehr schön die in den höheren Schichten nur langsam sich verstärkende Südkomponente, die zu einem eher gemächlichen Föhnbeginn (Montag,10.10.2005, 12 UTC) auf dem Sattelberg führte, der aber ohne Unterbrechungen bis in den Dienstag nachmittag (und darüberhinaus) anhielt.

Bei Ellbögen im unteren Wipptal (am Patscherkofel) erfolgte das Einsetzen des Föhns wesentlich abrupter und in den Windgeschwindigkeiten auch deutlich heftiger als auf dem Sattelberg, was die Dominanz des hydrostatischen Ungleichgewichts vor der Südanströmung in den höheren Schichten unterstreicht.Hier ist vor Einsetzen des Föhns noch der typische Talauswind Montag nacht anzutreffen, der in den Mittagsstunden auf Taleinwind (Nordwest) umschwenkte und dann pünktlich zur Wetterbesprechung um 16.30 auf Südost drehte. Man beachte hierbei die starke Windzunahme im Vergleich zum strahlungsbedingtem Talauswind in der Vornacht!

In Innsbruck stiegen durch den Föhndurchbruch am Nachmittag die Höchstwerte auf 18,7, später auf das Maximum von 18,9°C. Etwas niedriger als am Vortag, da in der Höhe eine leichte Abkühlung einsetzte , was sich bei trockenadiabatischen Absinken durch Föhn auch am Boden bemerkbar machte. Der starke Feuchterrückgang von rund 90% am Vormittag bis auf 25% am Nachmittag ist bereits ein untrügliches Indiz für Föhn.

Obige Graphik ist die entscheidende ! Bis Montag, 12 UTC herrschte strahlungsbedingtes Ausfließen , wie im Wipptal auch, das bei schwachen Windgeschwindigkeiten. Am Tage drehte der Widn mit kurzer Unterbrechung auf Nordosten - bei überwiegend wolkenlosem Himmel und starker Einstrahlung erwärmte sich das Inntal bei Innsbruck rascher als das Alpenvorland (mit größerem Luftvolumen) , weshalb dadurch Taleinwind herrschte.
In der Nacht jedoch drehte der Wind wieder Westen, dieses Mal aber mit einer deutlichen Windzunahme verbunden, die sich auch mit eventuell stärkerer Abkühlung im Inntal nicht erklären lässt. Um 10.30 UTC brach der Föhn dann nach Innsbruck durch , auf dem Dach des Instituts maß ich mit dem Handwindmesser Spitzenböen von 24Kn, was sich in etwa mit den gemessenen Windgeschwindigkeiten am Flughafen deckt. In der Nacht war der Föhn bereits in Igls (leider keine Graphik verfügbar) durchgebrochen und nach Augenzeugen in der Wetterzentrale sogar in der Innenstadt (anhand der verfügbaren Winddaten gibt es dafür allerdings keine Bestätigung, ein Durchbrechen in der südlichen Stadt ist aber denkbar, wenn dort die Auskühlung gehemmt war).
Der Innsbrucker Flughafen meldete den Föhndurchbruch von 10 auf 11 UTC , dabei sprang der Wind von 260° auf 130° (32km/h zu 40km/h Böen), die Temperatur stieg von 14,4 auf 18,1°C; der Taupunkt sank gleichzeitig von 7,5 auf 3,9°C ; der Luftdruck fiel von 1021,4 auf 1019,9hPa.

Teil 3 - Wie entsteht der vorföhnige Westwind ?

In der Innsbrucker Windgraphik ist das Ausfließen vor dem Durchbrechen besonders markant gewesen und mit dem sonst typischen nächtlichen und laminaren Talauswind nicht mehr zu erklären. Dagegen spricht auch der fehlende Windsprung auf Taleinwind unter Tags.

Obige Schautafel zeigt Tirol vom Satelliten aus gesehen. Die roten Punkte stellen die Stationen dar, im Wipptal die Station Ellbögen , nordöstlich davon der Patscherkofel. Ganz im Süden des Wipptals (nicht eingezeichnet) der Sattelberg. Der rote Punkt im Inntal rechts markiert die Universität, der links die Station am Flughafen. Die roten Pfeile symbolisieren die Südostkomponente am Flughafen bei Föhndurchbruch, der rote Pfeil die Südostkomponente im unteren Wipptal. Der blaue Pfeil das Ausfließen vom Oberland her.

Vor dem Föhndurchbruch:

Im Inntal bei Innsbruck entsteht durch nächtliche Ausstrahlung ein mehr oder weniger mächtiger Kaltluftsee am Boden (vgl. Sondenaufstieg), gleichzeitig kommt es im Lee des Patscherkofels (auf der Nordseite) zu trockenadiabatischem Absinken der Föhnluft.
Nimmt man den Fall an, der Luftdruck ändere sich im Inntal nicht, dann finden wir folgende Situation vor, die durch eine entsprechende Theorie meines Erachtens plausibel untermauert wird: Infolge des turbulenten Durchmischung durch das trockenadiabatische Absinken wird der Kaltluftsee am Boden teilweise abgebaut ("erodiert"), die darüber liegende Föhnluft geringerer Dichte sowie die durchmischte Kaltluft steigt nach oben. Die erforderliche Ausgleichsströmung am Boden wird durch den vorföhnigen Westwind hergestellt, der Kaltluft am Boden nachströmen lässt und je nach Erodierung des Kaltluftsees auch recht turbulent.

Föhndurchbruch:

Kurz vor dem Föhndurchbruch am Tage verstärkt sich die Auflösung des Kaltluftsees durch die tageszeitlich bedingte Einstrahlung im Inntal, das kann nochmals - und war auch heute so - zu einer Intensivierung des vorföhnigen Westwindes führen. Wenn dann die restlichen Bedingungen, insbesondere mit günstigenfalls dichter Bewölkung auf der Alpensüdseite (was den Abbau des hydrostatischen Druckgradienten verhindert), stimmen, durchbricht der Föhn mühelos die Reste bodennaher Kaltluft (falls noch vorhanden) und weht damit bis ins Inntal.

Föhnende :

Das Föhnende setzt meist wenige Stunden, im Sommer auch mehrere Stunden nach Sonnenuntergang ein, wenn sich die Strahlungsbilanz umkehrt und die Kaltluftproduktion im oberen Inntal (und deren Seitentälern) anläuft. Diese baut bodennah wiederrum einen Kaltluftsee auf, der zum sogenannten Abheben des Föhns führt. Solange sich aber an der synoptischen Anströmung + hydrostatischem Druckgradienten nichts ändert, d.h. weiterhin im Lee des Patscherkofels trockenadiabatische Erwärmung bis in die unteren Luftschichten stattfinden kann, weht wieder der vorföhnige Westwind bis zum nächsten Föhndurchbruch.

Quellen:

© Felix Welzenbach