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3. Fallstudie zu Nordföhn am 10. November 2007

Bei einem klassischen Kaltfrontdurchgang von Nordwesten wie am 09. November 2007 bei Sturmtief "Tilo", der in den frühen Morgenstunden und am Vormittag erfolgte, werden die Alpen von Nordwesten angeströmt, meist noch in Verbindung mit einer Kanalisierung am Alpennordrand (starke Westkomponente), der bei genügend langer Dauer zu einem "barrier jet" wird.

In Georg Haas' Diplomarbeit "Nordföhn in Innsbruck" ist beschrieben, dass eine Westkomponente in der Nordanströmung den Nordföhn begünstigt. Die Begründung liegt in den Luftmassenunterschieden zwischen Inntal und Alpenvorland. Bei nördlicher bis nördöstlicher Anströmung fließt die Luft von Kufstein her über das Unterinntal nach Innsbruck und das Absinken über die nördlich vorgelagerten Gebirgsketten kann nicht stattfinden, weil das Inntal "mit Kaltluft gefüllt" ist, wie man so schön sagt. Dies muss man sich vorstellen wie einen Deckel, der über dem Inntal liegt, da kann nix absinken. Bei einer Westkomponente in der Nordanströmung wird das Einfließen über das Unterland hingegen verzögert und die Luft im Inntal ist relativ gesehen wärmer als weiter nordwestlich. Das Absinken und Verdrängen der wärmeren Talluft ist entsprechend möglich.

Die Wetterlage am 10. November 2007, 06 UTC

Ein intensiver langwelliger Trog stößt nach Südosteuropa vor, die Haupttrogachse, welche Österreich am 09. November, 12 UTC überquerte, ist zu diesem Zeitpunkt schon bis zum Balkan südostwärts geschwenkt. Nachfolgend ist ein nur schwach gekrümmter Kurzwellentrog über der Nordsee in die intensive, nordwestliche Höhenströmung eingelagert, der mit einer offenen Welle in der unteren Troposphäre verbunden ist. Westösterreich befindet sich im linken Auszug des Jetstreams unter Labilisierung und Hebung.

In 850hPa ist eine offene Welle (kein Okklusionsprozess) über Benelux in die Höhenströmung eingelagert und verlagert sich in dieser rasch weiter nach Südosten. Das Inntal befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch unter Kaltlufteinfluss, ehe von Nordwesten wärmere Luft herankommt.



Die Schichtdickenadvektion zwischen 500hPa und 1000hPa ist ein Maß dafür, wie stark sich die zwischen beiden Höhen eingeschlossene Luftsäule ausdehnt oder staucht, also wie intensiv die Warmluft- oder Kaltluftadvektion mit der Höhe ist.

Auch hier ist Innsbruck noch nicht von der Warmluftadvektion erfasst.

In der Vera-Analyse von heute morgen, 6 UTC (dargestellt Isobaren und Wind)



befindet sich der höhere Luftdruck klar im Westen, rein synoptisch bzw. vom Druckgradient her ist also eher eine westliche bis südwestliche Anströmung vorherrschend. Dies spricht schon einmal gegen ein massives Einfließen von Kaltluft über das Unterinntal her, ist aber nicht gleichbedeutend mit Südwestwind in Innsbruck, da das Alpental isoliert von den synoptischen Winden ist.

Beobachtungen

Folgendes Diagramm zeigt die Windrichtung (in °) und Geschwindigkeit (Mittel + Böen in m/s) von Ellbögen (1080m) im unteren Wipptal. Bis 6 UTC des Vortags herrschte noch Ausfließen (mit einer starken Zunahme kurz vor dem Windsprung, die ich mir nicht erklären kann), ab 6 UTC brach in Ellbögen der Nordföhn durch und wehte bis heute einschl. 10.30 UTC (letzte Aktualisierung) ohne Unterbrechung, erkennbar an der starken böigen Nordwestkomponente).



Folgende Diagramme zeigen die Station Uni Innsbruck mit Temperatur, Feuchte, Druck, Windrichtung- und geschwindigkeit sowie der stl. Niederschlagsrate und minütl. Sonnenscheindauer.







09.11.-00 UTC bis 08 UTC

In Innsbruck überwiegt noch Talauswind, im Satellitenbild ist zu diesem Zeitpunkt Hochnebel erkennbar, die Temperaturen verändern sich kaum und die Feuchte bleibt gleichbleibend hoch.
Um 6 UTC kommt die Kaltfront in Innsbruck an, es gibt kurzzeitig Niederschlag (Regen), und der Druck steigt von nun an an.

9.11., 8 -9 UTC

Der Nordföhn bricht erstmals durch, erkennbar an dem deutlichen Feuchterückgang, dem Temperaturanstieg und dem langsameren Druckanstieg, innerhalb beider Temperaturanstiege fällt aber Niederschlag (Schneeregen/Schnee).

9.11, 10.15 UTC

Um ca. 10.15 UTC erfolgt der markanteste Föhndurchbruch, der Druck fällt leicht, die Temperatur steigt um 2K auf +6,0°C (Tageshöchstwert), dabei sinkt die Feuchte auf etwa 44% ab und der Wind nimmt deutlich zu. Beide Windspitzen sind bei etwa 290°-Windrichtung beobachtet worden, also Nordwestwind. Gleichzeitig schneite es aber von der Nordkette her immer wieder bis zur Station herunter. Der Niederschlag wurde jedoch wegen der starken Windverfrachtung nicht erfasst.

Zwischen beiden Föhnperioden kommt zeitweise die Sonne hervor, gleichzeitig schneit es aber an der Nordkette ununterbrochen weiter, immer wieder ins Tal vorstoßend. Am Flughafen herrschte ab 8 UTC bis zum Abend ununterbrochen Nordföhn mit Windspitzen von 50-80km/h bei maximal +5,5°C. Ein Vergleich mit den Bergstationen bzw. 700hPa ergab, dass die Luftmasse aus etwa 1,5km bis 2,5km abgesunken ist, also deutlich unter Zugspitzniveau.

Eine dritte Föhnperiode ist in den Nachmittagstunden um 16 UTC erkennbar.

Bis Mitternacht ändert sich wenig, zwar nimmt der Schneefallanteil zu, aber von Westen her stößt immer wieder der Nordföhn mit Westwinden vor und begrenzt die Niederschlagsintensität. Zugleich aber führt der Föhn zu einem Absinken der Feuchttemperatur unter 1°C und damit trotz deutlicher Plusgrade zu weiterem festen Aggregatszustand des Niederschlags.

Gegen Mitternacht dreht der Wind auf Taleinwind zurück, dann herrscht vermutlich folgende Situation:



Der Nordföhn weht über die südlichen Mittelgebirge hinweg weiter bis ins Wipptal (Ellbögen unverändert Nordföhn!), während sich im Unterinntal vorübergehend die kältere Luft vom Unterland durchsetzen kann und der Föhn über die Kaltluftschicht "abhebt".

Von heute, 2 UTC bis etwa 9.30 UTC, erfolgte nochmalig kräftiger und dieses Mal andauernder Nordföhn, der gegen 3.50 UTC am Flughafen Windspitzen um 80km/h, aber auch hier in Hötting 75-80km/h und mehr an Böen erreichte (davon bin ich auch mal aufgewacht) - begünstigt durch die starke westliche Anströmung der Alpen, mit Nordkomponente.

Am Flughafen dann um 12 UTC noch schwacher Talauswind mit frischen Böen, an der Uni gerade drehender Wind.

Ein Vergleich mit der Zugspitze um 6 UTC zeigt, dass abermals keine Durchmischung mit 700hPa erreicht worden ist (+3 in Innsbruck, -17 an der Zugspitze), also wieder über eine Gebirgslücke die wärmere Luftmasse ins Inntal hinabgekommen sein muss ("gap flow").

Sondenaufstiege

Folgende Sondenaufstiege (heute, 19. Oktober 2007, 19. Januar 2007), jeweils um 3 UTC, zeigen eine gut durchmischte Schicht in der unteren Troposphäre mit trockenadiabatischem Temperaturgradient, während darüber bzw. darunter relativ feuchte Schichten vorherrschen:







In allen drei Fällen wurde mit dem Nordföhn auch Niederschlag beobachtet. Im ersten Fall - heute vormittag aus der Warmfrontbewölkung der sich annähernden Welle, im zweiten Fall mit einem Kaltfrontdurchgang und im dritten Fall, kurz nach Kyrill, mit dem Durchgang einer kleinen Welle (ebenfalls Warmsektor).

Warmfront und Nordföhn schließen sich dann nicht aus - trotz vermeintlich stabiler Schichtung - wenn sich vor dem Warmfrontdurchgang kein Kaltluftsee ausbilden konnte (Bewölkung, Niederschläge, Föhn). Kyrill führte damals zu Südföhn im Inntal, der bis Mitternacht die Ausbildung eines Kaltluftsees verhinderte, im Anschluss hatte der Nordföhn "leichtes Spiel".


Nordföhn und Niederschläge

In 20% aller in Georg Haas' Diplomarbeit untersuchten Nordföhnfälle fiel zusätzlich Niederschlag am Innsbrucker Flughafen (nur 10% an Uni bei Nordföhn), weshalb sich der Nordföhn häufig als Dimmerföhn (Kuhn 1989) bemerkbar macht.

Dimmerföhn kann durch folgende Faktoren entstehen:

Weitere Entwicklung

In den Nachmittagstunden hob der Nordföhn über Innsbruck ab und es setzte mäßiger Schneefall ein. Im Unterland wehte dabei Westwind aufgrund des Druckfalls im Alpenvorland, in Innsbruck dagegen nachmittags und abends Taleinwind, vermutlich wegen der Verlagerung des "Leetiefs" Richtung Zirl bzw. Kematen. Erst am späten Abend setzte auch im Unterland mit dem kaltaktiven Teil der Welle Taleinwind ein. Der Niederschlag ging in Innsbruck mit Einsetzen des vorföhnigen Ostwindes in Regen über, die Schneefallgrenze stieg auf über 900m an.

Um 21 UTC zeigte sich auf dem Radarbild bereits die Warmfront eines neuen Randtiefs, das sich von der Nordsee her annäherte und erneut für kräftige Niederschläge und mitunter starkem Nordföhn sorgen könnte. Mehr zu diesem separaten Ereignis in einer separaten Fallstudie.

© Felix Welzenbach, 10.11.2007, 22.00 MEZ