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Exkurs: Windverhältnisse an einem Gebirgspass, Preiner Gscheid (1070m), 4.9.2011

Exkurs: Windverhältnisse an einem Gebirgspass

Am Preiner Gscheid konnte man eine interessante meteorologische Beobachtung machen: Der Wind wehte lebhaft aus Südwest über den Pass hinweg, anfangs trieben sogar Nebelschwaden herüber, die sich nordostseitig des Passes (Lee) beim Abstieg auflösten. Markanter war dieses Phänomen noch am Semmeringpass, die Nebelschwaden im Mürztal konnte man am Vormittag gut erkennen. Am Nachmittag wehte der Wind nur noch schwach, obwohl die topographische Engstelle unabhängig der Tageszeit mehr Wind erzeugen müsste. Das lässt sich nur erklären, wenn man die meteorologischen Beobachtungen aus der Region anschaut.

Ein bisserl graue Theorie:

Wenn man ein Luftpaket von einer beliebigen Höhe auf die Referenzhöhe 1000 hPa (entspricht in etwa Meereshöhe) absinken lässt, dann wird sich dieses Luftpaket beim Absinken erwärmen, und zwar immer um 1°C pro 100 m. Dieser Vorgang nennt sich trockenadiabatisch und die Temperatur, das Luftpaket dann besitzen würde, heißt potentielle Temperatur. Sie wurde eingeführt, um Luftmassen auf verschiedenen Höhen vergleichbar zu machen.

Die potentielle Temperatur Θ berechnet sich aus dem gemessenen Stationsdruck p und dem Referenzdruck p0 = 1000 hPa sowie der gemessenen Stationstemperatur T. Bei trockenen Bedingungen kommen ein weiterer Faktor hinzu: κ , der sich aus der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Druck (cp = 1003 J/kg K) und der spezifischen Gaskonstante für trockene Luft (RL) = 287 J/kg K) zusammensetzt und 0.286 beträgt.

Die Gleichung lautet schließlich:

Θ = T* (p0/p)^ 0.286 , wobei der Luftdruck in der Einheit hPa und die Temperatur in der Einheit Kelvin (T (Kelvin) = 273.15 + T (°C)) eingesetzt werden

Was sagt die potentielle Temperatur hier aus?

Unterschiedliche Luftmassen besitzen auch unterschiedliche potentielle Temperaturen. Eine kalte Luftmasse wird potentiell kälter sein als eine warme Luftmasse. Dort, wo die Luft potentiell kälter ist, ist auch der Luftdruck höher. Es entsteht also ein Druckgefälle von einer potentiell kälteren zur potentiell wärmeren Luftmasse hin. Wie man aus dem Schulunterricht weiß, versucht Wind nichts anderes, als ein Druckgefälle auszugleichen. So entstehen die Orkanwinde in Hurrikanen (besonders großes Druckgefälle) oder in Tiefdruckgebieten unserer Breiten.

Die Unterschiede in der potentiellen Temperatur dienen als Grundlage zur Erklärung von Föhnwinden in der modernen Föhntheorie. Messungen haben ergeben, dass Föhnwinde dann entstehen, wenn die potentielle Temperatur auf der windzugewandten Seite (Luv) niedriger als auf der windabgewandten Seite (Lee) ist, völlig unabhängig davon, ob es zu Stauniederschlägen kommt oder nicht.

Speziell bei Föhnströmungen über Gebirgspässe (engl.: gap flow) beobachtet man das Windmaximum nicht an der Engstelle selbst, sondern etwas weiter auf der windabgewandten Seite (= stromabwärts). Das hat strömungsdynamische Gründe (und wer bis hierher durchgehalten hat, wird die Erklärung auch noch verkraften...), da sich das Gelände stromabwärts rasch verbreitert. Die ''aufgestaute'' Luftschicht kann sich also besser verteilen, die Höhe der aufgestauten Luftschicht nimmt folglich ab.

Die potentielle Energie (nicht zu verwechseln mit der potentiellen Temperatur) berechnet sich aus

Epot = m*g*h, wobei m die Masse der Luftschicht ist, g die Schwerkraft und h die Höhe der Luftschicht

Gesetzt den Fall, Masse und Schwerkraft bleiben konstant, hängt die potentielle Energie nur noch von h ab. Da h stromabwärts der Engstelle aus genannten Gründen abnimmt, muss auch die potentielle Energie abnehmen. Der Energieerhaltungssatz besagt jedoch, dass die Summe aus potentieller und kinetischer Energie konstant ist:

EGesamt = potentielle Energie + kinetische Energie

Wenn die potentielle Energie abnimmt, muss die kinetische Energie folglich zunehmen. Die kinetische Energie wird auch Bewegungsenergie genannt, warum das so ist, erklärt sich aus der Gleichung:

Ekin = 0,5*m*v², wobei m die Masse und v die Geschwindigkeit ist.
Da wir die Masse m als konstant annehmen, folgt schlussendlich aus dem ganzen Sermon, dass die Geschwindigkeit zunehmen muss, die Luftströmung also schneller wird.

Dies erklärt letzendlich, warum die stärksten Winde nicht an der Engstelle auftreten, sondern unmittelbar danach, und warum an derartigen Pässen die Nebelschwaden wasserfallartig herauszuschießen scheinen.

Um zu klären, ob wir es am Preiner Gscheid (bzw. auch am Semmering) mit einem gap flow zu tun haben, benötigen wir zwei repräsentative Wetterstationen jenseits der Pässe: Mürzzuschlag und Payerbach-Reichenau.

Beobachtungen

Um 8.00 MESZ, als der Nebel vom Mürztal bzw. vom durch den Raxenbach durchflossenen Seitental zwischen Kapellen und Preiner Gscheid, über die Pässe strömte, registrierte Mürzzuschlag eine potentielle Temperatur von 292,4 K und Payerbach-Reichenau 298,4 K, d.h., die windabgewandte Seite war um 6°C wärmer als die windzugewandte Seite.

Um 16.00 MESZ, als der Nebel bereits vollständig aufgelöst war und die Sonne kräftig einheizte, registrierte Mürzzuschlag 306,5 K und Payerbach-Reichenau 305,0 K, d.h. die windabgewandte Seite war nun 1,5 K kälter als die windzugewandte Seite.

Fazit:

Die Luftmassenunterschiede erzeugten am frühen Morgen eine Föhnströmung über Semmeringpass und Preiner Gscheid hinweg. Begünstigt wurde diese durch stabile, kalte Nebelluft im Mürztal und Raxengraben, während im Steinfeld warme, trockenere Luft vorherrschte. Tagsüber löste sich der Nebel auf, die Luftmassenunterschiede verschwanden, da sich auf beiden Seiten des Passes die Talluft ähnlich stark erwärmen konnte. Das sogar leicht umgekehrte Verhältnis bei der potentiellen Temperatur sorgte für eine Abschwächung bzw. Ablösung der Föhnströmung. Wissenschaftlich untersucht habe ich gap flows in Zusammenhang mit Talwinden und Nebelschwaden in der Arlbergregion, zusammengefasst in meiner Diplomarbeit (PDF; 5 MB).

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