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Faszination Föhn - ein Erlebnisbericht vom 28. März 2006

Hallo,

gestern wurde es in Innsbruck so warm wie schon seit längerer Zeit nicht mehr. Während in Deutschland Unwetter tobten, strahlte die Sonne von einem blitzeblankgeputztem Himmel herab.

Nachdem ich am Vormittag erstmal ob der Zeitumstellung und der warmen Nacht (knapp 5°C Minimum) verschlief und eiligst zum Fahrradhändler eilte, um das reparierte Rad abzuholen, war es doch ein komisches Gefühl, mit dünner Sommerjacke , Turnschuhen (und dicken Socken) herumzufahren. Es mir bereits zu warm, aber ich hatte aus den Fehlern der Vorwochen gelernt, wo ich mich in der Märzenluft kräftig verkühlte, sobald die Sonne weg war.

Am Nachmittag dann um 16.00 das Maximum bei +23,1°C und +2,0°C Taupunkt. Schon frühsommerlich ! Das alles noch ohne Föhn, der Taleinwind blies etwas stärker.

Die Luft wurde immer feuchter und diesiger, es zog langsam Bewölkung auf. Ich erinnere mich an den 8. März, als 30cm aus einer Warmfront in 12h fielen, nun nahm ich die Luft bereits als "schwül" wahr. So rasch ändern sich die Zeiten. Vielleicht nicht so extrem wie in Nordostdeutschland, aber für den Kreislauf dennoch gewöhnungsbedürftig.

Ich versäumte es, mir die Analysekarten genauer anzusehen , daher rechnete ich eigentlich früher mit Föhn und fragte mich dann,wo er eigentlich blieb. Um 19.15 hielt ich es Zuhause nicht mehr länger aus und stieg auf das frisch reparierte Fahrrrad. Bei böigem Gegenwind (Westwind) fuhr ich in Richtung Kranebitten auf der südlichen Innseite am Inn entlang. Die Luft war angenehm,wenn auch etwas schwül, aber durch den Wind und die noch hohen Temperaturen (+18°C um 19.00) so herrlich wie schon lange nicht mehr. An der zweiten Innbrücke nach Westen hin (erst Sieglangersteg , dann Autobahnzufahrt) wechselte ich die Innseite . Als ich an der Landebahn des Flughafens vorbeifuhr (von Norden nach Süden) erfassten mich plötzlich heftige Böen von Vorne und schräg von der Seite: Föhn ! Der Wind war so kräftig, dass ich Mühe hatte, mich auf dem Rad zu halten. Dann verfluchte ich augenblicklich die Tatsache, dass mein Windmesser ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt nicht in meinem Rucksack lag wie sonst, sondern ich ihn rausgenommen hatte , weil wir uns später noch zum Bier trinken treffen wollten. Wie dem auch sei, der Flughafen meldete bis 22 Uhr gar Spitzenböen von 79km/h , das ist mehr als bei den letzten Föhnlagen in den vergangenen Monaten. Selbst am 2.12.2005 ,als der Patscherkofel über 150km/h in Böen erreichte war der Föhndurchbruch in Innsbruck selbst längst nicht so stark. Zum Zeitpunkt der stärksten Böen in Innsbruck gestern hatte der Patscherkofel nur ganz schwachen Südostwind (unter 30km/h), also handelte es sich um seichten Föhn, zumal die Höhenströmung eher West war. Seichter Föhn, der jedoch nicht hydrostatisch,sondern dynamisch verursacht wurde, nämlich einerseits durch die starke Warmluftadvektion bzw. thermische Erwärmung im Alpenvorland, der die Luft aus dem Inntal absaugte,wodurch zum Einen der vorföhnige Westwind in Gang gesetzt wurde und zum Anderen der Wipptalföhn (seicht,also unter 2km), andererseits auch durch den synoptischen Druckfall im Warmsektor mit Annäherung der Kaltfront. Jedenfalls ein imposanter Föhndurchbruch. Noch imposanter war aber der abrupte Übergang von Südostwind an der Landebahn des Flughafens und Westwind am Innradweg nur wenige hundert Meter südlich. Demzufolge war der Föhn in der mittigen Talsohle am Flughafen durchgebrochen und weiter südlicher nicht mehr. Starke horizontale Windscherung auf engstem Raum... ich bin dann wieder in Richtung Stadt gefahren, nach Osten, und wurde innerstädtisch von weiteren , kräftigen Böen erfasst, der Föhn brach wieder durch, in der Innenstadt um das Unigelände herum in immer kürzeren Abständen. Da die Luft weiterhin herrlich angenehm war und ich früher als geplant zum Treffpunkt fürs Bier trinken erschienen war, fuhr ich nochmal eine Runde und genoss abwechslend Rückenwind (vorföhnig) und Rückenwind (Föhn), je nach Innseite. Manchmal auch Gegenwind. Klaro.

Wir gingen dann ins Theresienbräu, oder besser gesagt, setzten uns draußen hin. Stühle und Tische waren vor dem Lokal aufgebaut. Studenten versoffen bereits kräftig die Pitcher-Gutscheine. Bis etwa zehn Uhr konnte bzw. durfte man draußen sitzen, bei angenehmen 15-17°C und weiterhin Föhn, der um diese Zeit auch sein Maximum erreichte.

Die subjektiven Kriterien für Föhn trafen in diesem Fall nur teilweise ein. Windzunahme und Richtungswechsel gegeben, jedoch stagnierten Taupunkt und Temperatur, also zwar entgegen dem Tagesgang, aber keine signifikante Erwärmung.

Die Ursache in dieser Entwicklung ist im unsteten Windverhalten zu suchen - durch die heftigen Wechsel zwischen vorföhnig-kühlem Westwind und föhnig-mildem Südost- bzw. Südwind und Rotorenablösungen an der Nordkette (Nordwinde) konnte sich die potentiell wärmere Luft aus der Höhe nicht vollständig durchsetzen. Immer wieder wurde durch den vorföhnigen Westwind (potentiell) kältere Luft eingemischt, auch von der Nordkette könnte angesichts der Schneeflächen bei kurzen Nordwindeinschüben kältere Luft in die Talsohle advehiert worden sein.
Außerdem handelte es sich ja um seichten Föhn, d.h. die potentiell wärmere Luft stammte maximal aus 2km Höhe, eher weniger, und daher konnte keine größere Erwärmung mehr erfolgen. Verschiedenartige Gründe also für das Verhalten von Temperatur und Taupunkt an der Universität.

Interessant in diesem Zusammenhang vielleicht auch die Tatsache, dass am Flughafen der Föhndurchbruch bereits am Nachmittag erfolgte und die Temperatur dann sukzessive gesunken ist, auch zum Zeitpunkt des Föhnmaximums am späten Abend. An der Universität hingegen zum Temperaturmaximum am Nachmittag noch Taleinwind und erst am frühen Abend dann vorföhniger West und Föhn.

Daraus könnte man schlussfolgern, dass der seichte Föhn über die Mittelgebirge zur Talsohle /Flughafen durchbrach (was auch meine Beobachtung erklärt,warum im "Windschatten" der Mittelgebirge der Föhn plötzlich aufhörte und je näher man dem Wipptalausgang kam, desto häufiger der Föhndurchbruch wurde), in der Innenstadt hingegen das Talwindregime dominierte. Dieses konvergente Verhalten mit Taleinwind östlich von Innsbruck, vorföhnigen Westwind westlich von Innsbruck und Südföhn im Wipptal impliziert, dass ein Druckminimum über Innsbruck geherrscht haben muss. Der Datenvergleich mit Landeck und Jenbach bestätigt diese Vermutung - ein lokales , relatives Druckminimum vom Nachmittag bis zum späten Abend durch den seichten Föhn, der ständig wärmere Luft einrührte , weswegen der Luftdruck im Vergleich zu den anderen beiden Stationen schwächer anstieg , als es tageszeitlich durch die Abkühlung hätte erfolgen müssen.

Langer Rede kurzer Sinn - hier spielte sich gestern Abend ein Luftmassen"kampf" ab, und ich war live dabei und konnte ihn in allen Facetten miterleben. Es muss kein Schwergewitter sein, um bei mir leidenschaftliche Begeisterung beim Wetter auszulösen.

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