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29.5.05 Wanderung auf den Hirschkopf (1966m)

Um 8.00 holte mich mein Studienkollege Wolfgang Gurgiser am Schwazer Bahnhof (27km östlich von Innsbruck) ab und wir fuhren bis zum Startpunkt unserer Wanderung , dem Gasthof Karwendelrast auf ca. 880m. Bereits jetzt knallte die Sonne erbarmungslos in das Inntal und die Luft erwärmte sich in Innsbruck auf 18,2°C um 8 Uhr MESZ. Zwar hatten wir überlegt, die Wanderung wegen der zu erwartenden Hitze zu verschieben, andererseits konnte man es bei den tropischen Temperaturen im Tal erst recht nicht aushalten und an Lernen war da auch nicht zu denken.

Unsere Wanderroute sollte wie folgt aussehen:

Von der Karwendelrast (880m) auf dem Fahrweg zur Asten-Alm (1090m), dann in mäßig steilen Serpentinen zur Waldhorbalm (1600m) und schließlich zum Gipfel auf den Hirschkopf (1966m).Rückweg dann noch ein Stück entlang des Grates bis auf ca. 2100m, dann über einen Steilhang und Latschenkiefernfeld nach unten (blau), bis auf dem Weg, der Richtung Jagdhütte geht (lila) und zurück (lila,rot).
Die Gesamtwanderzeit betrug 8 Stunden , dabei wurden 1250 Höhenmeter überwunden,
Die Gesamtwegstrecke betrug ca. 8 km, beim Aufstieg überwanden wir durchschnittlich 590m /h .

Soweit fürs Erste - zu den Latschenfeldern sag ich dann gesondert noch was.

Nun zu den Bildern.

Bereits recht früh merkten wir, dass es sich bei so einem heißen Wettertag lohnen täte, früher aufzustehen, da die Sonne bald hereinbrannte.
Während die ersten Höhenmeter im tiefsten Wald noch auszuhalten waren, wurde es an freien Stellen des Hangs schier unerträglich.

Dafür bot sich bald ein herrlicher Ausblick auf das Inntal - und die Fernsicht war bis dato noch ausgezeichnet:

Richtig ausgesetzt ist der (schmale) Steig nirgends, allerdings ist das Gelände ziemlich steil und Trittsicherheit ist hilfreich.

Bild 1: Gegenüber das Kellerjoch (2344m), im Inntal links Schwaz (545m)

Bild 2: Um zehn nach Zehn erreichten wir die (nicht bewirtschaftete) Waldhorbalm, wo wir eine Rast einlegten und die Aussicht genossen.

Bild 3: Hier waren die Wiesen saftig grün, alles blühte und überhaupt boten die Nadelhölzer , die Wiesen und die Berge eine alpenromantische Idylle.

Bild 4: Richtung Süden

Bild 5: Was sich uns dann unterhalb des Gipfels bot (ca. 1800m), war einfach unbeschreiblich:

Unten schlängelt sich der Inn bis zur Mündung durch das sich zunehmend ausweitende Inntal, eine leichte Inversion (feuchter Dunst) lag auf etwa 1200 bis 1500m, darüber quollen ganz am Horizont erste Cumuli empor. Nach dem ersten Bergrücken rechts geht es ins Zillertal, im Hintergrund sieht man den Wilden Kaiser mit Ellmauer Halt (2344m) sowie den Zahmen Kaiser (1997m) dahinter links in je 53-55km Entfernung (nahe Kufstein)

Bild 6: Sicht zum Kaiser, Loferer und Leoganger Steinberge sowie zum Watzmann (kontrastverstärkt, Bild anklicken)

Bild 7: Unterhalb des Hirschkopfs lichtete Wolfgang dann eine Schneewächte und die darüber thronende Fiechter Spitze (2299m) ab.

Bild 8: Ebenfalls unterhalb des Hirschkopfs ein Blick über das Kellerjoch hinweg zu den Kitzbühler bzw. Gerloser Alpen links des Jochs und zur Reichenspitze (3303m) rechts vom Kellerjoch.

Bild 9: Noch einmal das Inntal und die Kaisergebirge - trotz zunehmender Quellbewölkung (überwiegend Hangthermik) und feuchten Dunst reichte die Fernsicht weiterhin bis etwa 80km. Mit Feldstecher hätte man nochmal 40-50km draufpacken können.

Bild 10: Dann - um 11.30 geschafft, der Gipfel. Und Blick zur Fiechter Spitze.

Bild 11: Nach Westsüdwesten in Richtung Innsbruck über das Vompertal hinweg, ganz rechts der Hundskopf mit 2243m.

Links des Inntals die Mittelgebirge mit den Dörfern Tulfes, Sistrans, Rinn und Igls , entstanden nach dem Rückzug der Gletscher ,durch die sich dann die Schmelzbäche frasen.
Oberhalb der Mittelgebirge vorne der Patscherkofel mit 2246m.
Ein bisschen links hinter dem Patscherkofel die Serles mit 2717m (34km Entfernung) und dahinter wiederrum, leider durch Dunst und Quellwolken schwer zu erkennen der Habicht mit 3277m (45km). Auf der anderen Seite die Stubaitaler Alpen

Bild 12: Auf der anderen Seite in Richtung Nordosten versperrten die Ausläufer des Karwendelgebirges eine Sicht ins Alpenvorland, lediglich der Blick ins Stallental sowie an die schroffe, splitternde Felswand des Brentenkopfs (2024m) wurde erlaubt. Frost im Winter und starke Erwärmung im Sommer leisten hier ganze Arbeit.

Bild 13: Am Kellerjoch vorbei v.l.n.r.: Gabler (3263m, 43 km), Reichenspitze (3303m), Wildgerlosspitze (3280m) und Kuchelmooskopf (3214m)

Weiter rechts noch Zillerkopf (2995m) und Ziller Plattenspitze (3148m), ganz rechts aus dem Dunst herausragend: Rötspitze (3496m, 56 km)

Bild 14: Im Vordergrund rechts Hirzer (2725m), weiter links wuchtig Hoher Riffler (3231m), rechts vom Hirzer Olperer (3476m), Fußstein (3380m) und Schrammacher (3410m)

Bild 15: Grünbergspitze (2790m), Rosenjoch (2796m) und Kreuzspitze (2746m), Gamslahnerspitze (2681m) und Glungezer (2677m), ganz rechts noch Neunerspitze (2285m), der auf die Scharte zwischen Glungezer und Patscherkofel überleitet.

Über der Neunerspitze schaut die Schneespitze (3173m, 53 km, links) und der Östliche Feuerstein (3267m, 53 km. rechts) heraus, weiter rechts dunkel die Serles (2717m, 34 km) und fast in einer Sichtachse dahinter der Habicht (3277m, 45 km)

Bild 16: Dann wanderten wir noch ein wenig Richtung Fiechter Spitze am Grat entlang, wo es links mäßig steil und rechts fast senkrecht nach unten ging

Für mich als früher stark von Schwindel befallenem kein leichter Anblick, aber langsam verliere ich die Höhenangst und kann mich da auch etwas näher an den Abgrund heranwagen.

Bild 17: Auch Schafe tun das - und die Viecher sind selten blöde, denn ein einziger Fehltritt auf der Schneewächte und eins oder mehrerer seiner Kumpanen rutscht unaufhaltsam den Hang hinunter und wird dabei verletzt oder getötet. Vielleicht war es ihnen aber auch einfach zu warm und sie soffen Gletscherwasser zur Abkühlung. Gras dürfte da wohl kaum zu finden gewesen sein.

Bild 18: Hat was

Bild 19: Am Abgrund

Bild 20: Und ein letzter , ungestörter Blick in Richtung Inntal und Kaiser.

Übrigens wird aus der Talstruktur auch ersichtlich, warum der Taleinwind in Innsbruck bisweilen veritable Geschwindigkeiten am Flughafen erreicht (z.B. 60-70km/h mit Annäherung einer Kaltfront), zum einen wird infolge Druckanstiegs im Alpenvorland die kältere Luft durch die Kufsteinenge ins Inntal und weiter taleinwärts geschoben, zum anderen erhitzt sich das Inntal und die umliegenden Flächen stärker (mehr Luftvolumina) als das Alpenvorland ,sodass durch inneralpinen Druckfall ein Gradient entsteht. Strömt nun die Luft das Inntal einwärts, so muss sie aus Kontinuitätsgründen in der Talverengung (ab Jenbach etwa) schneller werden (A*v = const, A = Querschnitt, v = Geschwindigkeit) und daher bläst der Wind in Innsbruck zeitweise recht kräftig aus östlichen Richtungen.

Nun zu something completely different - Latschenkiefernfeldern.

Diese stellten die größte Herausforderung dar, die ich jemals auf einer Wanderung in den Bergen oder gleich wo zu bewältigen hatte.

Nun , bisher war die Wanderung anspruchsvoll für einen Flachländer, aber nicht schwierig, aber das änderte sich beim Abstieg. Zunächst ging es einen steilen Wiesenhang hinunter, wo man sich den Weg praktisch selbst aussuchen konnte. Denn es gab keinen. Nun merkte ich , dass a) ein nicht-Bergrucksack ständig am Rücken hin- und herrutschte und ich dadurch ununterbrochen aufpassen musste, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, b) meine Wanderschuhe zu weich waren und zu wenig Grip besaßen - ich verlor mehr als einmal beinahe den Halt auf dem schmierigen , vertrocknetem Gras oder lockeren Geröll, c) die Spitzen meiner Wanderstöcke zu stumpf waren und der Halt daher nicht optimal,wenn man sie in die Erde rammen wollte.

Damit nicht genug - nach wenigen Höhenmetern endete die Wiese und uns stand ein riesiges Latschenfeld bevor :

Ich habe den besagten Bereich rot eingekreist - da mussten wir ca. 180 Höhenmeter nach unten, ehe wir wieder auf einen begehbaren Weg stießen.
Latschenkiefern haben positive und negative Eigenschaften - das Gute , wenn man ihre Wurzeln als Boden benutzt und ihre Äste als Absicherung , kann man relativ gefahrlos von Latsche zu Latsche schwingen, was einem nach einer Weile das Gefühl gibt, mit einem Ruderboot auf einem Ozean zu paddeln. Wie nahe wir Menschen den Affen sind, wurde mir während der Latschendurchquerung wieder bewusst. Nun gibt es aber auch etwas unangenehmes, nein, es ist nicht der penetrante Geruch, der vertreibt lediglich Muggen, Zecken und anderes Getier, was man nicht braucht, sondern dass die Latschenäste zwar schwingen, aber logischerweise auch zurückschwingen. Nicht nur einmal bekam man den Ast in die Fresse, wenn man gerade eine Wurzel verließ, um zum nächsten wackligen Standort zu kraxeln. Neben zahlreichen , leichten Schnittverletzungen an Armen und Beinen zerriss ich auch meine Zip-Hose (mein Fehler, zu leichter Stoff), zum Glück steckte der Geldbeutel im Rucksack, nicht in der Hosentasche. Jedenfalls , es war eine Tortur , es warm sehr warm, der Hangaufwind ging nicht, die Sonne brannte in das Feld hinein, dass einem der Kopf in den Füßen steckte. Und es bereitet wahrlich keine Freude, mit einem Krampf im Zeh auf einem etwa fünf Zentimeter starken Ast zu stehen, der zudem wild hin- und herschlenkert und einem am Liebsten wieder herunterwerfen will. Vom Asten zu steigen war auch keine gute Idee gewesen, denn unter der Wurzel befanden sich gut 30cm Luft, ehe der steile, steinige Boden kam. Ein Fehltritt und man hätte sich diverse Bänder reißen können.

Kurzum - ich war unendlich glücklich, aber auch total ausgepowert, als wir dieses Latschenfeld endlich hinter uns ließen und wieder auf dem Boden der Tatsachen zurückgekehrt waren.

Entschädigt nach gut 2h im Latschenfeld wurden wir durch die ersten Überentwicklungen südlich des Inntals - dort wurde das Kondensationsniveau infolge der stärkeren Schnee- und Gletscherbedeckung früher erreicht als in den Kalkalpen nördlich. Das dürfte eine Ursache sein, warum es nördlich des Inntals erst relativ spät zu Quellwolken kam.

Bild 21: Rechts des Hirzers ein erster Cumulonimbus - capillatus könnte man sagen, er taugte nicht viel, sondern zerfaserte stark, was auf zu große Trockenheit ab einem bestimmten Niveau hindeutete.

Bild 22: Ein Cumulonimbus capillatus incus Richtung Zillertal bzw. evtl. schon Italien war da schon ansehnlicher

Bild 23: darum möchte ich euch das letzte Bild nicht vorenthalten

ein insgesamt versöhnlicher Abschluss einer Bergtour der Extreme (*)

Trotz der Latschenkiefertortur hat es mir sehr viel Spaß gemacht. Die Aussicht hat vieles entschädigt und zudem weiß ich nun,wo meine Grenzen liegen.

(*) Das dicke Ende, was ich damals aus dem Bericht (erste Fassung 2005, restauriert 2012) wegließ: Im Wald zollte die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme ihren Tribut: Ich hatte einen Kreislaufzusammenbruch und musste mich auf den Waldboden legen. Mein Studienkollege war zufällig auch Bergretter, und bot bereits an, mich ins Tal bringen zu lassen, aber so schlecht ging es mir nicht, bzw. wollte ichs nicht zugeben. Etwas Wasser auf die Arme und Beine, und der Kreislauf kam wieder soweit in Schwung, dass ich problemlos absteigen konnte.

Damals hatte ich so einiges falsch gemacht - viel zu wenig Wasser dabei, kein Magnesium (ich bekam Krämpfe in der heißen Latschenzone), und auch kein Erste-Hilfe-Set, geschweige denn Medikamente o.ä., genau genommen war es erst meine dritte richtige Wandertour seit meiner Übersiedlung nach Innsbruck (nach der Nockspitze und dem Sattelberg).

Richtig gelernt habe ich daraus erst Jahre später, etwa ab 2008 ...

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