Fallstudie zum Alpenhochwasser 21-23. August 2005 - Schwerpunkt Westösterreich

Felix Welzenbach

Innsbruck

--- 02. August 2007 --- Vs. I

Gliederung

1. Einleitung

Der August 2005 ist vielen Einwohnern Österreichs, aber auch des gesamten Alpenraums und Mitteleuropas als ein recht unbeständiger Monat mit vielen Regenfällen, verhältnismäßig niedriger Schneefallgrenze und wenig Sonnenschein in Erinnerung. Häufiger Tiefdruckeinfluss schon zu Beginn des Monats, meist verbunden mit einer nördlichen Höhenströmung, bestimmte den Witterungscharakter fast durchwegs, lediglich vor Beginn des verheerenden Hochwassers ab 20. August sowie zu Monatsende konnte sich steigender Luftdruck und vorübergehend ruhigeres Sommerwetter durchsetzen.

Die Vorgeschichte des Hochwassers fußt zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil auf die bereits gefallenen Regenmengen bis Monatsmitte sowie den ergiebigen Neuschneemengen in den mittleren und höheren Lagen in den Alpen. Ähnlich wie beim "Jahrtausendhochwasser August 2002" trat eine Woche vor dem Ereignis eine ganz ähnliche Wetterlage auf, die den Grundstein für die spätere Katastrophe legte. Im weiteren Verlauf rechneten die Modelle recht einheitlich und im Nachhinein souverän sehr hohe Niederschlagsmengen in der Zeit vom 20. bis 23. August im gesamten Nordalpenraum, anfangs auch südöstlich der Alpen. Daher war für die betroffenen Gebiete schon frühzeitig eine gute Vorwarnung vor den Starkniederschlägen und resultierenden Überschwemmungen möglich. Entsprechend hielten sich auch die Zahl der Opfer in Grenzen, wenngleich auch Gebiete betroffen waren, denen noch nie zuvor dergleichen widerfahren ist.

Neben der unglücklichen Kombination verschiedenster meteorologischer Faktoren, die zu diesem teilweise extremen Hochwasser geführt haben, sind auch die vom Menschen verursachten Folgen zu beachten, wie etwa die zunehmende Verbauung von Überschwemmungsgebieten, Flussbegradigungen und Oberflächenversiegelungen. Der Zeigefinger in Richtung Klimawandel als Sündenbockersatz ist allzu schnell erhoben. Besonders in dem von einer Katastrophe knapp verschonten Innsbruck konnte man die Folgen des menschlichen Eingreifens in die Natur hautnah miterleben.

Meine eigenen Erlebnisse dieser Flutkatastrophe in Innsbruck sind auch die Hauptmotivation für mich, weshalb ich mich näher und umfassend damit befassen möchte. Ich habe die Wetterlage bis dahin intensiv verfolgt, hatte zum Zeitpunkt des Hochwassers Besuch aus dem Schwarzwald, welcher am Folgetag wegen der Schäden an der Infrastruktur in Vorarlberg nur über Umwegen nach Hause gelangen konnte, und machte mir auch eigene Gedanken zu der Schwere dieses Ereignisses und wie man gewisse Auswirkungen hätte verhindern können.

In der nun folgenden Fallstudie möchte ich fußend auf eigenen Recherchen, der vorhandenen Literatur sowie einer im Studium gemeinsam mit anderen Meteorologiestudenten erarbeiteten Fallstudie zum Augusthochwasser ausführlich sowohl auf die synoptischen Faktoren, die lokalen Umstände, aber auch auf die entstandenen Schäden eingehen. Der Artikel wird durch eigene Bilder aus Innsbruck und Verweise auf Sekundärliteratur abgerundet. Übersicht

2. Synoptische Übersicht

Die Hochwasserlage wurde durch ein von den Britischen Inseln her ins nördliche Mittelmeer abtropfende Höhentief verursacht, welches dann langsam nordostwärts über den Nordbalkan und Ostösterreich weiter zog. Ehe ich auf diese Entwicklung näher eingehe, möchte ich auf eine auf den ersten Blick recht ähnliche Entwicklung hinweisen, die sich eine Woche vor dem Ereignis vollzog.

2.1 Modellkarten

2.1 Trajektorien zu Präzedenzfall und Hauptereignis

Abb.1 zeigt die Trajektorie des Höhentiefkerns in 500hPa, vom 14. August 2005, 12 UTC bis 17. August 2005, 12 UTC in 6h-Schritten. Die Lage der Tiefdruckkerne wurde den Wetter3-Archivkarten entnommen und händisch in die Karte (Quelle: Wikipedia.de) eingezeichnet.

Am Sonntag, 14. August 2005, befand sich zu Mittag ein ausgeprägtes Höhentief mit starkem Jet an seiner Südflanke über Benelux. Es zog bis zum Morgen des 15. August rasch weiter zu den Alpen und verlagerte sich bis zum Abend zur nördlichen Adriaküste. Durch seine Zugbahn war bis dahin ganz Österreich von Regenfällen betroffen, der Schwerpunkt lag aber auf der Alpensüdseite sowie am Montag vom Burgenland bis Oberösterreich. Wie anhand der Abstände der Trajektorien erkennbar, verringerte sich die Zuggeschwindigkeit des Höhentiefs in den weiteren Tagen deutlich und es verlagerte sich nur langsam südostwärts. Mit der nordseitig des Höhentiefs herrschenden nördlichen Strömung wurde in der Folge feuchtwarme Luft von Südosten her um die Ostalpen herumgeführt und resultierten dann ab Dienstag morgen in einer erneuten Verschärfung der Niederschlage besonders vom Salzburger Land bis ins Waldviertel. Erst im Verlauf des Mittwochs zogen sich die Niederschläge dann mit dem abziehenden und sich abschwächendem Höhentief langsam nach Südosten zurück.

Wie sich aus den Trajektorien des ersten Höhentiefs herauslesen lasst, war hier der Westalpenbereich (Schweiz bis Tirol) nur anfangs betroffen, und auch zunächst durch die Vorderseitenlage am 14. August. Der Schwerpunkt der Niederschläge lag in den weiteren Tagen östlich von Tirol, sowohl nord- als auch südseitig, wo es auch zu verbreiteten Überschwemmungen gekommen war.

Abb.2 Einen anderen Verlauf nahm dann die zweite Höhentiefentwicklung, welche auch die massiven Starkniederschläge vom 20.-23. August 2005 verursacht. Aufgetragen sind hier die Trajektorien vom 20. August 2005, 00 UTC bis 24. August, 00.UTC.

Das Höhentief tropfte von den Britischen Inseln her weiter westlich als im ersten Fall ab und zog dann südlich weiter. Die Niederschläge konzentrierten sich am Samstag, 20. August, aufgrund der kräftigen Hebung auf der Trogvorderseite vor allem auf die Nordalpen, brachten aber auf der Alpensüdseite zahlreiche Gewitter hervor.
Bis zum Sonntag mittag, 21. August zog das Höhentief ins Ligurische Meer und dehnt seinen Einfluss zugleich in den gesamten Alpenraum aus. Der Schwerpunkt der Niederschläge teilte sich nun auf die Alpensüdseite (Steiermark) und auf die Alpennordseite (Nordschweiz) auf. Zahlreiche Gewitter entwickelten mit der herumgeführten Okklusion über Süddeutschland.
Zu Montag früh, 22. August, befand sich der Kern des Tiefs nur wenig östlicher über Mittelitalien. Eine kräftige Höhenströmung verblieb unverändert über dem nördlichen Alpenraum und Süddeutschland. Der Niederschlagsschwerpunkt erstreckte sich non vom Berner Oberland bis nach Westtirol, auch Teile des deutschen Alpenvorlands waren von heftigem Dauerregen erfasst. Das Höhentief verlangsamte seine Geschwindigkeit auf seiner Nordostwärtsverlagerung weiter und lag am Dienstag, 23. August am Vormittag über Slowenien. Die Höhenströmung drehte nördlich des Alpenhauptkamms nun vollends auf Nord und sorgte noch bis zum Mittag für ergiebige Niederschlagsmengen von Vorarlberg bis Tirol und Südbayern.
Mit einer ausgedehnten Langwellentrogentwicklung über dem Nordatlantik erfolgte nun ein als "Downstream-Development" bekanntes Phänomen in der synoptischskaligen Wetterentwicklung. Der von Island vorstoßende Trog stieß unter Vertiefung südostwärts vor und führte zu einem Geopotentialanstieg über Mitteleuropa, in dessen Folge wiederum das Höhentief auf seinem Weg nach Osten beschleunigte und seinen Einfluss auf den Alpenraum verlor.

Insgesamt kann man den Verlauf der Tiefdruckentwicklung in der Höhe (!) als klassische Va-Lage (von den Britischen Inseln ins Ligurische Meer) bezeichnen, jedoch eher als eine Vb-artige Entwicklung im Anschluss, da das Tief nicht über Polen nordwärts zog, sondern nach Osten wanderte. Übersicht

2.2 Frontenentwicklung in Mitteleuropa

Grundsätzlich gestaltet sich eine Frontenanalyse im Alpenraum sehr schwierig, da Okklusionsprozesse durch die Alpenbarriere deutlich beschleunigt sind und nicht mit der Bjerknes'schen Frontentheorie erklärt werden können. Hinzu kommt das Problem mit der Grenzschichterwärmung und der Topographie, da sich die 850hPa-Fläche gerade im Sommerhalbjahr mit dem Tagesgang erwärmt und die Alpen deutlich höher als 850hPa gelegen sind (in der Modelltopographie von GFS durchschnittlich 1800m, in der Spitze 2200m).

Im Folgenden eine Entwicklung der Fronten mit Hilfe der 700hPa-Geopotential-Karten sowie den 850hPa-Theta-e-Karten. Aufgrund der genannten Gründe ist der Interpretationsspielraum der Karten *hoch*.

Abbildung 3, Samstag, 20-08-2005, 12 UTC (Analyse)

Das Höhentief ist in 700hPa noch kaum ausgeprägt, eine schwache Vorderseite reicht bis Westösterreich. Die zugehörige Frontenlage zeigt sich recht komplex: Eine stark verwellte Okklusionsfront mit recht hohen Theta-e-Werten bis über 50°C erstreckt sich von Nordpolen über die Slowakei bis nach Rumänien. Das durch den Vorstoß kühlerer Luft ins Ligurische Meer entstandene Genuatief weist eine Kaltfront vom Golf von Genua über das nordwestliche Mittelmeer bis zur Ostküste Spaniens auf, die Warmfront zieht sich über den Alpenbogen bis ins Salzburger Land.

Abbildung 4, Sonntag 21-08-2005, 12 UTC (Analyse)

Das Höhentief hat sich unter Verstärkung ins Ligurische Meer bewegt. Das Bodentief liegt stationär über dem Golf von Genua, seine zugehörige Kaltfront hat sich rasch süd- und ostwärts verlagert. Die angesprochene Okklusionsfront über dem östlichen Mitteleuropa dreht sich nun im Einflussbereich des Höhentiefs zyklonal ein und steuert mit hohen Theta-e-Werten auf die Alpen zu. Entgegen vieler anderslautender Darstellung handelt es sich meiner Interpretation nach nicht um die Okklusion des Genuatiefs, da die Kaltfront gar nicht nördlich der Alpen okkludiert ist. Es ist vielmehr eine alte Luftmassengrenze, die durch das Höhentief reaktiviert und eingedreht wurde.

Abbildung 5, Montag, 22-08-2005, 12 UTC (Analyse)

Während das Höhentief nach Venedig zieht und den Alpenraum mit nördlichen Höhenströmungen im eisernen Griff hat, zieht sich ein langer Schwaden erhöhter Theta-e-Werte von Griechenland über die Tschechoslowakei und Süddeutschland bis an den Alpennordrand. Die ehemalige Luftmassengrenze bzw. alte Okklusionsfront wird durch die kräftige Warmluftadvektion vorderseitig des Höhentiefs genährt und mit gleichbleibend hohen Theta-e-Werten "versorgt", die nun direkt gegen die Nordalpen geführt werden und dort die gespeicherte Energie verlieren. Zugleich führt der Okkludierungsprozess der Kaltfront des Genuatiefs zu einer Erneuerung der Okklusionsfront. Deren ursprüngliche Herkunft ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Bodenfeld erkennbar.

Abbildung 6, Dienstag, 23-08-2005, 12 UTC (Analyse)

Mit dem Ende der Starkniederschläge hat sich die Okklusionsfront nahezu aufgelöst, die Luftmassengegensätze sind nicht mehr vorhanden und mit dem ostwärts ziehenden und sich dabei abschwächenden Höhentief verschwinden sowohl synoptischer Hebungsantrieb als auch Nordanströmung an die Alpen. Über dem Nordatlantik taucht dagegen ein neues Frontensystem mit markantem Warmsektor auf. Übersicht

2.2 Fernerkundung

Mit folgenden Satelliten- und Radarbildern soll zu verschiedenen Zeitpunkten die Intensität der Frontenentwicklung verdeutlicht worden.

Abbildung 7 (links) zeigt die sich eindrehende Okklusionsfront am 21. August 2005 um 16 UTC. Mit den roten Pfeilen markiert ist der Verlauf der Front, die von zahlreichen, hochreichenden konvektiven Zellen durchsetzt ist. Zum Zeitpunkt der Aufnahme waren hier einige Gewitter vom schwäbischen Alpenvorland bis Tschechien eingelagert. Über der Schweiz ist die Bewölkung stratiformer, aber immer noch konvektiv durchsetzt. Ein weiterer Hotspot für konvektive Niederschläge findet sich im Südosten Österreichs, wo Gewitter im Grazer Becken über 50mm in 12h brachten.

Abbildung 8 (rechts) zeigt die Entwicklung zum Zeitpunkt der stärksten Niederschläge in Vorarlberg und Tirol. Gut ist die sich eindrehende Front zu erkennen, die direkt auf die Alpen prallt und durch ihre quasi-stationäre Lage ständig für Nachschub feuchter und z.T. auch labiler Luft sorgt.

Abbildung 9 eine Stunde früher (unten) verdeutlicht den komplexen Frontencharakter mit der stark geschwungenen Okklusionsfront, die stark nordöstlich der Alpen eindreht. Zwischen dem eingedrehten Frontteil und dem länglichen Teil über Osteuropa können sich Wolkenauflockerungen durchsetzen. Östlich des italienischen Stiefls führt die Höhenkaltluft des Troges zusammen mit der vorderseitigen Warmluftadvektion zu kräftigen mesoskaligen konvektiven Systemen (MCS) über Montenegro und Albanien.

3. Ursachen der Starkniederschläge

Die Gründe hierfür sind vielschichtig und lassen sich nicht in eine Schublade, geschweige denn zu einem Schlagwort zusammenfassen. Die Gliederung der folgenden Faktoren stellt keine Wertung dar- es ist mehr oder weniger ein Zusammenwirken aller Faktoren, die zu einem Maximum an Effektivität bei der Niederschlagsbildung führten. Die dafür notwendigen Zutaten sind Feuchte, Labilität und Hebung. Folgende Radiosondenaufstiege zeigen exemplarisch die hochreichend vorhandene Feuchte sowie teils auch labilen Verhältnisse besonders in den unteren Schichten. Übersicht

Abbildung 10a; Der Sondenaufstieg von Sonntag, 21. August 2005, 3 UTC (links) zeigt die Lage in Graz im Zeitraum der Starkniederschläge, die auch in der Steiermark Überflutungen hinterließen. Die Schichtung ist überwiegend feuchtneutral, besonders in der unteren Troposphäre aber auch labil. Geringe Hebung reicht bereits aus, um entlang der neutralen Fläche in der mittleren Troposphäre hinaufzugleiten. Wie aus dem obigen Satellitenbild ersichtlich, ist das auch im Tagesverlauf passiert und hat zu gewittrigem Starkregen geführt. Unveränderte Bedingungen in der Höhe vorausgesetzt ging die Konvektion bis etwa 10km hinauf. Die Strömung war in den unteren Schichten nur schwach aus östlichen Richtungen, nahm aber mit der Höhe leicht zu. Damit konnte mit der südöstlichen Höhenströmung immer wieder Feuchte und Gewitterzellen ins Grazer Becken geführt werden, die an den umliegenden Gebirgsketten stauten und abregneten.

Abbildung 10b; Der Sondenaufstieg vom Montag, 22. August 2005, 12 UTC (rechts) stellt den Zeitpunkt der Starkniederschläge im Bereich Vorarlbergs und Westtirol, aber auch entlang der Okklusionsfront über Bayern (hier: München) dar. Die Höhenströmung dreht hier hochreichend auf Nordost, ist aber ebenso wie in Graz eher schwach ausgeprägt. Dafür ist die Schichtung deutlich labiler (rund 240 J/kg). Die oberhalb 700hPa vorhandenen Trockeneinschübe fördern in beiden Aufstiegen die Entstehung potentieller Instabilität (siehe Sektion 3.4). Generell sind feuchte oder gesättigte Schichten bis Kammniveau des Gebirgs förderlich für die Niederschlagsbildung und hier auch vorhanden.

Die folgenden Sektionen befassen sich vor allem mit der dritten Zutat - der Hebung durch die Front selbst, durch Warmluftadvektion, durch die Orographie sowie mit der Freisetzung potentieller Instabilität durch die großräumige Hebung und einem niederschlagsförderndem Mechanismus, den man speziell über Gebirgen findet.

3.1 Frontale Hebung

Die Front selbst trägt natürlich stark zur Hebung bei, vorausgesetzt, die frontogenetischen Antriebe sind stark ausgeprägt.

Abbildung 11 zeigt den Antrieb durch die Q-Vektoren in 850hPa ("Forcing due to Q-Vectors, FQn) in 10*exp[-15] K/m²s [Energie pro Flächenfluss) und Fronten (Linien gleicher potentieller Temperatur). Weiße Flächen sind auf Datenlücken zurückzuführen.

Wichtige Aussagen der Q-Vektor-Theorie1 sind....

Im gezeigten Fall ist die Situation zum Zeitpunkt der Starkniederschläge in Tirol dargestellt. Die fehlende Drängung der Isolinien und der nur schwache Farbkontrast weisen auf eine frontolytische Entwicklung hin, die gut mit der Realität übereinstimmt, da sich bis zum Mittag die Okklusionsfront nahezu auflöste. Ihr Verlauf lässt sich gut anhand der negativen Werte erkennen, die sich von Nordösterreich über Ostdeutschland in einem Bogen über Westpolen und Tschechien, Slowakei bis zum Balkanraum erstreckt. Der stärkste Antrieb für aufwärtsgerichtete Vertikalbewegung herrscht jedoch nicht im Bereich der aufgetretenen Starkniederschläge, sondern über Deutschland.

Fazit:

Der frontogenetische Antrieb war also nicht sehr ausgeprägt und kann als alleine Ursache für die Starkniederschläge nicht herangezogen werden. Übersicht

3.2 Aufgleiten

Bei klassischen Vb-Lagen, die hier nicht vorlag, ist der Kontinent von eingeflossener Kaltluft bedeckt und durch die vom Mittelmeer nach Norden geführte Warmluft kommt es großflächig zu Aufgleitniederschlägen, die wegen der hohen Theta-e-Werte aus Südeuropa besonders ergiebig sein können. Typisch für Starkniederschläge im Innsbrucker Raum ist das Einfließen von Kaltluft über Kufstein und darüber eine Südströmung mit Aufgleitvorgängen. Ohne die hochreichende Kaltluft im Inntal würde die Luft über den Alpenhauptkamm bzw. das Karwendelgebirge föhnig absinken. Im Fall des 22. und 23. Augusts, als in Innsbruck die stärksten Niederschlage zu verzeichnen waren, herrschte jedoch durchweg Ausfließen im Inntal. Die Starkniederschläge können also nicht rein durch Aufgleitvorgänge entstanden sein, da die hochreichende Kaltluft im Inntal fehlte. Leider gibt es von beiden Tagen keine Radiosondierungen aus Innsbruck, womit diese These verifizierbar wäre.

Abbildung 12 zeigt das Geopotential in 500hpa sowie die Schichtdickenadvektion (H-500 - H-1000) in 0,1K/h. Positive Werte (rot) sind mit positiver Schichtdickenadvektion, also Warmluftadvektion verbunden. Im dargestellten Zeitraum, Montag 22.August 2005, 18 UTC traten vor allem in der Nordschweiz und Vorarlberg bis Westtirol sowie im Alpenvorland Starkniederschläge auf. Dort ist in der Karte auch mäßige positive Schichtdickenadvektion erkennbar, jedoch keine extremen Werte, wie sie z.B. östlich von Neufundland in Verbindung mit einer Frontalwelle zu finden sind.

Fazit:

Die Warmluftadvektion war im Bereich der Starkniederschläge gut ausgeprägt und dürfte durch die ständige Abkühlung der Bodenschichten durch die fallenden Niederschläge und Verdunstungskälte auch effektiv gewesen sein Für die inneralpin aufgetretenen Niederschläge fehlt jedoch der Beweis eines vorhandenen Kaltluftsees. Inwiefern die Verdunstungskälte hier effektiv gewesen ist, bleibt fraglich, da die Schichten hochreichend gesättigt waren.

3.3 Stauniederschlag

Da es sich um ein vor allem auf die Alpen beschränktes Hochwasser handelte, liegt natürlich der Verdacht nahe, dass die Orographie eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Dies ist insofern richtig, dass ohne die Alpenbarriere viel geringere Niederschläge aufgetreten wären, wie es Simulationen der Niederschlagsvorhersage mit und ohne Alpen zeigen, siehe hierzu die Arbeitsberichte der Meteoschweiz zum Hochwasser2

Hierbei gilt es jedoch folgendes zu beachten:

Die Niederschlagsverteilung zeigt, dass tatsächlich viel von der Strömung blockiert wurde (z.B. 24h-Summen 22.August: 180mm in Warth, 77mm in Ischgl/Paznauntal) und sich lokal größere Unterschiede abhängig von der Topographie und dem Anströmwinkel ergaben. So wurde beispielsweise durch die nordwestliche bis nördliche Anströmung die Alpen der Zentralschweiz, Vorarlberg und Allgäu sowie im weiteren Verlauf durch die nordöstliche Strömung das Karwendelgebirge und Bayrischer Wald reichlich bedient, die höchsten Summen in Westösterreich fielen dabei am Arlberg sowie im Bezirk Reutte mit über 230mm in 36h.

Inneralpin traten weniger Niederschläge auf, jedoch kam es auch im üblicherweise verschonten Einzugsgebiet des Inns, wie Paznauntal, Kaunertal, Pitz- und Ötztal zu dort verhältnismäßig ergiebigen Mengen. Gesetzt den Fall einer effektiven Blockierung wie sie die Niederschlagsverteilung vermuten lässt, muss es also speziell für die inneralpinen Niederschläge noch einen weiteren Mechanismus gegeben haben.

Detailliertere Karten zu den Niederschlägen in Österreich von Reinhold Steinacker 5 bzw. zur Schweiz von Christoph Frei 6 finden sich in der Literaturliste zum Ende des Artikels.

Fazit:

Stauniederschlag spielte eine wesentliche Rolle bei den beobachteten Starkniederschlägen speziell entlang des Alpennordrands bis zu den ersten größeren Gebirgsketten sowie auch am 21. August 2005 auf der Alpensüdseite. Er erklärt jedoch nicht die auch inneralpin gemessenen stärkeren Niederschläge sowie die teilweise extremen Niederschlagsintensitäten von 20mm/h und höher. Übersicht

3.4 Potentielle Instabilität

Die Stabilität einer Luftmasse kann durch den KO-Index [Angabe in K] abgeschätzt werden. Er setzt sich aus den Theta-e-Werten in verschiedenen Höhenschichten (850hPa, 700hPa, 500hPa, 1000hPa) zusammen. Ein negativer KO-Index bedeutet eine Abnahme von Theta-e- mit der Höhe und damit die Existenz potentieller Instabilität. Grund: Theta-e setzt sich aus Temperatur und Feuchtegehalt zusammen. Liegt eine Trockenschicht über einer gesättigten Schicht, so nimmt Theta-e mit der Höhe ab. Werden durch synoptischskalige oder orographische Hebung beide Schichten angehoben, so kühlt sich die gesättigte Schicht geringer als die Trockenschicht ab. Dadurch ergeben sich zunehmend steilere Temperaturgefälle mit der Höhe und eine Labilisierung der Luftmassenschichtung.

Abbildung 13a (links) zeigt die Werte des KO-Index dargestellt als Isolinien. Grüne Linien sind negative, blaue Linien positive Werte. Überlagert ist die aufwärtsgerichtete Vertikalbewegung in der Farbskala. Zeitpunkt ist Montag, 22. August 2005. Abbildung 13b (rechts) stellt die am 22. August 2005 in 24h registrierten Blitzeinschläge dar. Die Farbskala zeigt deren Zeitpunkte im Einzelnen. Gelb- und Brauntöne entsprechend 17 bis 00 UTC.
Wie aus Abb. 13a) ersichtlich herrschen im gesamten Einflussbereich des Troges, aber auch der Front leicht bis mäßig negative KO-Index-Werte vor, die auf vorhandene potentielle Instabilität hinweisen. Der frontogenetische Antrieb sowie der orographisch erheblich verstärkte Antrieb im Bereich Westösterreichs lassen auf die Freisetzung der potentiellen Instabilität schließen. Demzufolgen verstärkte diese durch eingelagerte Konvektion die Stauniederschläge deutlich, wodurch sich die extremen, teilweise Rekorde überschreitende Summen in Vorarlberg und Westtirol erklären lassen. Diese "embedded convection" ordnet sich oftmals in Bändern innerhalb des Regengebiets an und pulsiert über einen längeren Zeitraum.

Des Weiteren war die Feuchtkonvektion von den Bodenschichten entkoppelt und konnte auch inneralpin für eine Erhöhung der Niederschlagsintensität sorgen. Schließlich wurde auch im Bereich der Okklusionsfront selbst Labilität freigesetzt, siehe dazu Abb. 13b) rechts vom 22. August 2005. Die Übereinstimmung der aufgetretenen Gewitter, der vorhandenen potentiellen Instabilität und der starken Hebung ist gut ersichtlich. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für den 21. August 2005 und den aufgetretenen Starkniederschlägen in Graz.

Fazit:

Die potentielle Instabilität spielte eine maßgebliche Rolle bei der lokalen Verstärkung der Starkniederschläge - im Flachland teilweise mit hochreichender Feuchtkonvektion und Gewittern, entlang des Gebirgs und inneralpin war der Flächenniederschlag konvektiv durchsetzt und führte lokal zu den beobachteten, extremen Stundensummen. Übersicht

3.5 Seeder-Feeder-Effekt

Der letzte Punkt, der bei der Niederschlagsbildung besonders im Sommerhalbjahr generell wichtig ist, betrifft den sogenannten Seeder-Feeder-Effekt.

Bei hochreichend stratiformer Bewölkung wie in Zusammenhang mit Warmfronten wird etwa 20% des ausfallenden Niederschlags von Eispartikeln verursacht, die aus eingebetteten Zellen in der Cirrusstratuswolke herabfallen. Die Schicht mit den eingebetteten Zellen wird seeder-zone (engl.: säen) genannt, da sie die Schicht darunter mit Eispartikeln säet. Die Schicht darunter wird als feeder-zone bezeichnet (engl.: füttern), da die hier durchfallenden Eispartikel deutlich an Masse zunehmen - durch Sublimation von Wasserdampf an die Eiskristalle sowie evtl. direkter Anlagerung unterkühlter Wolkentröpfchen ("Riming"). Die restlichen 80% des ausgefällten Niederschlags ist in der feeder-Zone als Kondensat vorhanden.

Nehmen über der Seeder-Zone die Theta-e-Werte mit der Höhe ab, d.h. befindet sich über der gesättigten Schicht eine trockene Schicht und ist zugleich hochreichende Hebung vorhanden, dann kann potentielle Instabilität erzeugt werden, die zur Zellbildung über der Seeder-Zone und folglich zur Produktion von Eispartikeln anregt.7

Abbildung 14 skizziert den Seeder-Effekt bei orographischen Niederschlägen.

Bei orographischem Niederschlag werden die tiefen Wolken bestenfalls blockiert, sodass die andauernde Hebung am Gebirge beständig zur Kondensation und zur Bildung von Wolkentröpfchen führt. Die darüber ziehenden hohen und mittelhohen Wolken bei Warmfrontniederschlag, im Idealfall mit eingebetteten "generierenden Zellen" versorgen die tiefen Wolken beständig mit Eispartikeln, sodass die Niederschlagsbildung recht effektiv ist. Wie aus Sektion (3.4) ersichtlich, war potentielle Instabilität oberhalb ca. 2km vorhanden, sodass sich in der seeder-Zone immer wieder teils hochreichende Quellbewölkung bilden konnte.

Fazit:

Es erscheint daher recht wahrscheinlich, dass der Seeder-Feeder-Effekt bei der effektiven Niederschlagsbildung eine nicht zuvernachlässigende Rolle gespielt haben kann, wenngleich eine Quantifizierung schwer möglich ist. Übersicht

4. Ursachen der resultierenden Überflutungen

Hier wird ausschließlich auf die meteorologisch-hydrologischen Ursachen eingegangen. Menschliche Eingriffe in die Natur, z.B. Verlegung des Flussbetts, Kanalisierung, Flächenversieglung, Zerstörung von Retentionsflächen, Ackerbau und falsche Bebauung in hochwassergefährdeten Gebieten sind natürlich ein wichtiger Faktor bei vielen Hochwässern. Dazu zählen jedoch nicht Schäden, die auch Orte betrafen, welche die letzten Jahrhunderte verschont blieben.

4.1 Übersättigung der Böden durch vorangegangene Niederschläge

Der Witterungsverlauf in den Vorwochen zeigt immer wieder Phasen mit teils kräftigen Niederschlägen im Alpenraum. Maßgeblich für die übersättigten Böden war die in Sektion (2.1) beschriebene Entwicklung vom 14-16. August 2005. In den Voralpen der Zentral- und Ostschweiz bis zum Arlberg fielen bis zum 15. August bereits 75-100% der durchschnittlichen Augustmenge, alleine 40mm am 14. und 15. August.8. Auch in Westösterreich regnete es bis zum Hochwasser stark. Im Bereich Innsbruck etwa waren es rund 70mm zwischen 14. und 20. August, und sogar 117mm in Mils 15km östlich von Innsbruck bis zum 21. August9. Im Südosten Österreichs, wo am 21. August ebenfalls Überflutungen auftraten (siehe Sektion (5)), brachte das Vorgängereignis bereits recht intensive Niederschläge, sodass auch hier die - zusätzlich konvektiv stark verstärkten - Niederschläge nahezu direkt in die bereits gefüllten Bäche und Flüsse gelangten.

4.2 Verweildauer der Niederschläge und gemessene Mengen

Während sich nur leichter bis mäßiger Aufgleitniederschlag über eine größere Fläche verteilt, gab es in diesem Fall nur einem einem verhältnismäßig schmalem Streifen starke Niederschläge. Das damit verbundene frontale Hebungsgebiet mit der Okklusion zog aber nur langsam ostwärts, sodass über einen längeren Zeitraum hinweg dieselben Gebiete betroffen waren. Schwerpunkt dabei die Ostschweiz bis Westtirol sowie das deutsche Alpenvorland vom Bodensee bis Chiemgau. So fielen etwa bis 23. August im Außerfern bis zu 150mm. In Reutte waren es 189mm in 24h (22.8.) und 230mm in 36h (Monatsende 414mm, Rekord). Im Bregrenzer Wald wurden Summen bis zu über 214mm registriert. In Holzgau im Lechtal fielen 150mm am 22. August.10. Im Unterinntal schwankten die Regenmengen zwischen 80 und 160mm 11. In Innsbruck ergab sich durch die zunehmende Stausituation mit der sich abschwächenden bodennahen Nordströmung in der Nacht zum 23.8. ein sehr lokales starkes Nord-Südgefälle. Im Tal betrugen die 12h Summen zwischen 60 und 80mm, selbst gemessen in Innsbruck-West habe ich 66,5mm. Richtung Karwendelgebirge wurden über 100mm registriert. Dank der noch aufnahmefähigen Speicherkraftwerke konnte einige Millionen Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden, was dazu beitrug, dass die Stadt Innsbruck mit einem blauen Auge davonkam.12

Auch in den deutschen Alpen fielen ergiebige Stauniederschläge mit verbreitet 100-150mm in 72h, die höchsten Mengen wurden im Raum Oberallgäu, Garmisch-Partenkirchen und Bad Tölz mit 180mm bis 245mm in 72h gemessen.13

Die fehlenden Regenpausen im Zeitraum vom 22.8. bis 23.8. hielten die hohen Abflüsse in den Bächen und Flüssen aufrecht, sodass sich die Hochwasserlage stetig aufschaukeln konnte, zudem erhöhte sich im Laufe der Niederschlagsperiode das Risiko von Erdrutschen, Murenabgängen, Gerölllawinen und Steinschlägen mit dem aufgeweichten Erdböden mit den anhaltenden Niederschlägen. Übersicht

4.3 Einfluss der Schneelage und Schneefallgrenze

Lag die Schneefallgrenze beim Präzedenzfall vom 14-16.August 2005 noch bei rund 2000m, so wurde während der Starkniederschläge vom 21-23. August eine recht hohe Schneefallgrenze von 3000 bis 3200m beobachtet. Dadurch konnte der Niederschlag nicht in Form von Schnee gebunden werden, sondern wurde direkt abflusswirksam. In Vorarlberg und Westtirol lag die Schneefallgrenze meist bei 2800m bis 3000m.

Abb. 15) - Die VERA-Analysekarte zeigt die zum 18z-Termin des 22.August 2005 gefallenen 6h-Niederschläge sowie die Schneefallgrenze in Isolinien. Sie lag im Großteil des Niederschlagsgebiets zwischen 2800 und 3200m. Der Schwerpunkt der Starkniederschläge betrifft in den Nachmittagsstunden die Ostschweiz und Vorarlberg und verlagerte sich dann nachts weiter nach Tirol (nicht gezeigt).

In Tirol sank sie in der Nacht und am Morgen des 23. August auf 2400m ab, sodass zumindest hier ein Teil der Niederschläge gebunden und zurückgehalten wurde. Auch trugen somit die Gletscherregionen nicht aktiv zu den Abflüssen bei, was zumindest im Innsbrucker Raum (und später stromabwärts) eine Katastrophe verhindert hatte.

Eine nennenswerte Alt/Neuschneeauflage war bis zum Haupthochwasser nicht mehr in Tirol vorhanden, da nach dem 15./16. August wieder ein kräftiger Temperaturanstieg in allen Höhen erfolgte. Eine Ausnahme betraf Graubünden. Dort schneite es am 20. August vorübergehend bis auf 2000m herab, auf dem Weissfluhjoch (2663m) fielen 36mm. Mit den anschließendem Temperaturanstieg in der Höhe kombiniert mit dem Starkniederschlag dürfte zumindest in der Region Davos und Klosters die vorherige Neuschneeauflage eine Rolle bei der Abflusssituation der Landquart gespielt haben. Da größere Mengen Altschnee zumindest eine dämpfende Wirkung auf den Abfluss der Wassermengen haben, und die Gebirgs- und Gletscherregionen um diese Jahreszeit nahezu ausgeapert waren, spricht das Fehlen des Altschnees ebenfalls für einen raschen Abfluss. Übersicht

5. Übersicht zu den Schäden

Eine Schadensanalyse zum Augusthochwasser 2005 habe ich im Rahmen des Abschlussprojekts in Synoptik II bei Dr. Georg Mayr am Institut für Meteorologie und Geophysik verfasst 14.

6. Pegelverlauf des Inns und eigene Bilder aus Innsbruck

Ich möchte an dieser Stelle noch meine eigenen Eindrücke aus Innsbruck schildern, da ich das Ereignis schon Tage zuvor anhand der Modellen befürchtet habe und das tatsächlich Eingetretene meine Befürchtungen noch übertrafen. Im deutschen Wetterzentraleforum wies ich damals bereits am 18. August 2005 auf ein mögliches Innhochwasser bei Innsbruck hin, aufgrund der gerechneten hohen Schneefallgrenze und der womöglich von kräftigen Niederschlägen betroffenen Einzugsgebiete des Inns bis zur Quellregion. Diese Lage findet sich in der Vergangenheit eher selten:

Folgende Liste zeigt die Jahreshöchstwasser seit 1948, die über 1000m³/s Abfluss am Pegel Innsbruck erreicht haben:

1871 war mit 1207m³/s der bis zum Hochwasser 2005 höchsten Abfluß zu verzeichnen, jedoch ist hier auch der heute veränderte Flussverlauf zu damals zu berücksichtigten. Der durchschnittliche Durchfluss in den letzten 130 Jahren liegt bei ca. 750m³/s. Pegelstände von 3,50m bis 4,00m werden zur Schneeschmelze im Frühsommer wenigstens einmal im Jahr erreicht. Die meisten Hochwässer der letzten Jahrzehnte traten zwischen Juni und August auf.

Datenquelle: Hydrographischer Dienst und Abt. Wasserwirtschaft beim Amt der Tiroler Landesregierung15

Aufgrund der vergangenen achtzehn Jahre ohne herausragende Hochwässer rechnete man bei dieser Lage kaum mit einer ernsten Bedrohung. Bis auf die genannten Fälle in der Vergangenheit treten Trog- oder Vb-Lagen meist mit verhältnismäßig niedriger Schneefallgrenze, ein vorwiegend auf die typischen Staulagen beschränktes Niederschlagsgebiet und damit keine Überregnung des gesamten Inneinzugsgebiets westlich von Innsbruck auf.

Am 20. August 2005 bekräftigte ich meine Befürchtung. Die Modelle rechnen nun seit Tagen teilweise extreme Regenmengen von 200-300mm innerhalb 72h im zentralen Alpenraum.

" Man beachte auch die Nullgradgrenze, am Montag morgen wird die Schneefallgrenze kurz mal auf 2200m runtergehen, aber danach wieder auf 2500 bis 2800m ansteigen. Am Montag werden auch die stärksten Niederschläge gerechnet, für einen Gitterpunkt in Tirol habe ich 160mm von Sonntag,18 bis Dienstag 0 UTC aufsummieren können - konvektiv .

Gesetzt den Fall, die bodennahe Nordströmung wird so wie erwartet und noch ein bisschen kräftiger , und auch angesichts der Tatsache, dass GFS die Alpen nur als flache Hügel drin hat und die Staulage unterschützt, so sind doch innerhalb kürzester Zeit unwetterartige Mengen möglich, sodass es insbesondere an den südlichen Donauzuflüssen Iller und Lech zu einem gefährlichen Hochwasser kommen kann, im weiteren Verlauf mit Ostwärtsschwenkung des Tiefs sind dann auch die anderen Nebenflüsse betroffen.

Hinsichtlich des Inns bin ich noch unsicher, ob sich auch hier eine Hochwasserlage entwickelt. Es werden ja auch - im Gegensatz zu den vergangenen Hochwasserlagen in diesem Jahr - im Engadin und an der Verwallgruppe kräftige Regenfälle simuliert, bei der hohen Schneefallgrenze gelangt dann fast alles in die Nebenbäche,d.h. innaufwärts ist bereits mit einem kräftigen Anstieg zu rechnen, der sich dann langsam innabwärts fortsetzt und noch an Mächtigkeit zunimmt, weil eben die Regengebiete von West nach Ost durchgehen.16 "

Am 21. August 2005, 15.00, stand der Inn bei Innsbruck bei 3,04m und war geringfügig fallend. Die Ruhe erwies sich als trügerisch. Auch am 22. August regnete es zwar immer wieder, aber nicht so stark, dass man sich Sorgen hätte machen müssen. Am späten Abend dann setzte gleichmäßiger Dauerregen an, der sich in der Nacht dann deutlich verstärkte. An meinem alten Wohnort am Mentlberg im Westen Innsbrucks registrierte ich in sieben Stunden 45mm, bei Stundenraten von 6-7mm/h um 9.00 - in den nördlicheren Stadtteilen waren es auch 8-10mm/h. Die Wolkenuntergrenze sank auf 640m und hüllte die Berge in einen dichten Nebel. Am 23. August 2005, 9.00 stand der Inn bei 5,75m und stieg damit in sieben Stunden um satte 1,50m an. Um 12.00 wurde mit 6,56m der Höchststand erreicht, der Regen hörte bis dahin auf und danach ging der Inn langsam aber stetig wieder in ein Fallen über und betrug am Folgetag noch etwa 4,00m.

Folgende Beeinträchtigungen waren am 23. August 2005 in Innsbruck zu verzeichnen:

Einen umfassenden Bericht zum Hochwasser mit den Erlebnissen aus Innsbruck habe ich auf meiner Webseite veröffentlicht.17

Dazu die von mir am Vormittag und zum Höchststand gemachten Bilder des 23. August 2005:

Abb.16 - Karwendelsteg von Freiburger Brücke

Abb.17 - Eindringendes Wasser in die Tiefgarage der Hauptuniversität

Abb.18 - Nach oben steigendes Grundwasser im Stadtteil Wilten, Hafengelände

Abb. 19 - sowie auf dem Unigelände

Abb. 20 - 1 Tag später, Inntalradweg gegenüber der Landebahn in Innsbruck West

Übersicht

7. Quellen und Verweise auf Sekundärliteratur

7.1 Abbildungen

7.2 Quellenangaben

© www.inntranetz.at, August 2007